„Wer keine Zeit für Fitnesstraining hat, muss sich später Zeit für seine Krankheiten nehmen.“
– Prof. Dr. Ingo Froböse
Ingo Froböse (@IngoFroboese) ist einer der gefragtesten Fachexperten zum Thema Sport und Fitness in Deutschland.
Der ehemalige deutsche Vizemeister
im 100 Meter Sprint hat zahlreiche Bücher über Gesundheit, Ernährung und Fitness verfasst. Er berät Krankenkassen, Medizin- und Gesundheitsverbände und ist Sachverständiger für den deutschen Bundestag.
Mit Anfang 60 besitzt der Professor der Sporthochschule Köln noch immer die Physis eines Mittzwanzigers. Heute ist er zu Gast bei Fitness mit M.A.R.K.
Wir reden über …
- den Stand der Forschung zum Thema „nackt gut aussehen“,
- warum viele Menschen keine Fortschritte sehen, obwohl sie viel trainieren,
- was beim Muskelaufbau-Training oft vergessen wird,
- warum es wichtig ist, genug zu essen, wenn Du abnehmen willst,
- welches Trainingspensum „normal“ ist,
- das Zeitalter der Ernährungsreligionen,
- …
… und so viel mehr!
Als Podcast hören: Wenn Du lieber zuhörst als liest, kannst Du unser Gespräch über den Player unten hören. Am bequemsten ist es, wenn Du Fitness mit M.A.R.K. abonnierst, z.B. via Apple Podcasts.
Die Shownotes zur Folge findest Du hier.
Dieser Artikel ist die überarbeitete Niederschrift unseres Podcasts.
Viel Spaß beim Lesen!
Prof. Dr. Ingo Froboese – Die Wissenschaft einer athletischen Figur
Mark: Ingo, was wolltest Du gerne werden, als Du noch ein Kind warst?
Ingo: Als Kind habe ich direkt neben einer Wache der Feuerwehr gewohnt. Anfangs haben mich die Feuerwehrleute sehr fasziniert, bis ich festgestellt habe, dass der Job auch nächtliche Einsätze beinhaltet. Das war nicht das was ich wollte.
Dann habe ich meine Faszination für den Umgang mit Kühen, Schweinen und Pferden entdeckt. Also wollte ich Bauer werden.
Mark: Was machst Du heute?
Ingo: Ich bin seit sehr vielen Jahren Hochschulprofessor an der größten Sportuniversität der Welt, der Sporthochschule Köln. Dort halte ich den Lehrstuhl für Prävention, wo es darum geht festzustellen, wie sich körperliche Aktivität auf die vielen Funktionen des menschlichen Organismus auswirkt.
Ich sehe mich auch als Pharisäer, der versucht die Menschen zu mehr Aktivität und Gesundheit zu bringen.
Dazu schreibe ich unter anderem Bücher und trete live bei Veranstaltungen oder im Fernsehen auf.
Mark: Wie kam es dazu?
Ingo: Ich bin in Heeren aufgewachsen, einem kleinen Dorf in der Nähe von Dortmund. Meine Eltern waren beide sehr sportlich, und so war ich bereits Mitglied im dortigen Sportverein, noch bevor ich laufen konnte.
Ich habe das Sport-Gen sozusagen in die Wiege gelegt bekommen.
In der Turngemeinde Heeren, so heißt der Verein, war es üblich, in den Wintermonaten zu turnen und sich in den Sommermonaten der Leichtathletik zu widmen.
Später habe ich dann zusätzlich noch mit Handball angefangen und war in beiden Disziplinen, auch erfolgreich, auf Wettkämpfen tätig. Meinen Wehrdienst leistete ich in der Sportkompanie der Bundeswehr zusammen mit dem Leichtathleten Harald Schmidt, der in den 70er und 80er Jahren mehrere Olympiamedaillen gewann.
Meine sportliche Leidenschaft war das Laufen. Daher wollte ich an der Sporthochschule Köln studieren.
Mein Studienschwerpunkt lag in der Rehabilitation und dem Behindertensport.
Für mich war das Thema damals völlig neu. Allerdings galt das auch für den Studiengang, sodass meine gut 30 Kommilitonen und ich die ersten waren, die ein solches Studium absolviert haben.
Nach meinem Abschluss 1983 dachte ich: „Das kann‘s doch jetzt nicht gewesen sein!“ Also sprach ich mit meinen Professoren und bekam eine Stelle als studentische Hilfskraft.
Ich forschte über das Bewegungsverhalten frühkindlich motorisch- und bewegungsgestörter Kinder.
Dieser Bereich hat mich so sehr fasziniert, dass ich darin promoviert habe.
Damals wurde Sport vor allem mit Wettkämpfen und Leistungsvergleichen assoziiert.
Dass man aber damit auch behinderte Kinder sozial und körperlich therapieren kann, war weitestgehend unerforscht. So habe ich mich dem neuen Feld der Sporttherapie gewidmet.
Nach meiner Promotion gastierte ich mit einem meiner Professoren für zwei Monate an einer Universität in China. Auf der Reise schmiedeten wir an meiner Karriere mit dem Ergebnis, dass ich in die Fußstapfen meines Professors treten sollte.
So wurde ich Professor.
Wie natürlich ist Bewegung durch Sport?
Mark: Es gibt Menschen, die Sport eine „künstliche“ Bewegungsform nennen. Stimmt das?
Ingo: Sehen wir es einmal so:
Wir alle tragen einen Bewegungsvirus in uns drin.
Über viele Jahrtausende hinweg mussten wir uns bewegen, um zu überleben. In der Steinzeit jagten wir Tiere, die uns in punkto Schnelligkeit haushoch überlegen waren. Aber im Gegensatz zu ihnen können wir schwitzen und dadurch fiel es uns leichter, sie bis zur völligen Erschöpfung zu jagen und erlegen.
Früher war stundenlange Bewegung die Norm – jeden Tag.
Noch bis vor ca. 120 Jahren war das Bestellen und Ernten von Feldern Knochenarbeit.
Unsere Eltern und Großeltern mussten Kohle und Holz beschaffen, damit es im Haus immer warm war und Essen zubereitet werden konnte.
All das ist uns heute verloren gegangen.
Wir haben Rolltreppen, Fahrstühle, Autos und andere technische Errungenschaften, die uns die körperliche Arbeit abnehmen.
Sich zu bewegen ist zu etwas geworden, was viele als unangenehm erachten.
Dabei macht es für unseren Körper keinen Unterschied, ob man in einem modischen Sportkostüm über irgendwelche Hindernisse sprintet oder einfach nur im Anzug eine Treppe erklimmt.
Wer sich demnach keine Zeit für Bewegung nimmt, muss sich sehr schnell Zeit für seine Krankheiten nehmen.
Der Körper weiß nur: Ich muss Energie erzeugen. Das ist der Stimulus, den der Körper braucht, um zu funktionieren.
Wie oft solltest Du Sport treiben – ohne es zu übertreiben?
Mark: In meinem Bücherregal steht „Sitzen ist das neue Rauchen“, ein Fitness-Bestseller der letzten Jahre. Darin beschreibt der Autor Kelly Starrett, dass ein paar Stunden Sport pro Woche nicht ausreichen, um einen sesshaften Lebensstil zu kompensieren …
Ingo: Stimmt.
Mark: Was empfiehlst Du?
Ingo: Es gibt viele Dinge, die aus einer dauerhaften Inaktivität resultieren können.
Insbesondere das, was wir Stoffwechsel nennen, ist ernsthaft in Gefahr.
Das fühlst Du in vielen Situationen. Zum Beispiel nach einer längeren Autofahrt, wenn unser Gehirn nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt wird.
Der eine oder andere kennt das vielleicht:
Wir lechzen nach etwas Süßem.
Daran merken wir, was andauernde Inaktivität – als Beispiel hier das Sitzen – in unserem Körper auslöst.
Das bekommen wir auch mit drei Stunden Sport die Woche nicht kompensiert.
Die folgende Beispielrechnung bringt es finde ich gut auf den Punkt: Eine Woche hat 168 Stunden.
Wenn ich Menschen erzähle, dass ich 5-6 Stunden die Woche Sport treibe, sagen die meisten: „Das ist doch viel zu viel Zeit“.
Und ich sage: „ Nein, ist es nicht“.
Wer von seinen 168 Stunden in der Woche sechs Stunden für Sport opfert hat immer noch 162 Stunden übrig.
Wer nicht bereit ist ein bis zwei Prozent seiner Zeit in Bewegung zu investieren hat das Leben nicht verstanden, und weiß nicht, was seine Biologie wirklich braucht.
Welches Training ist am effektivsten?
Mark: Was ist Deiner Erfahrung nach die effektivste Möglichkeit, um diese Zeit zu nutzen? Was sagt die Wissenschaft?
Ingo: Die Voraussetzungen verändern sich mit zunehmendem Alter.
Jugendliche brauchen noch keine große Ausdauerkomponente in ihrem Training.
Bei ihnen ist das Herz-Kreislauf-System einfach noch nicht richtig ausgeprägt.
Marathonläufer erleben den Zenit ihrer Leistungsfähigkeit meist mit etwa 30 Jahren.
Anders sieht es bei der Muskulatur aus.
Kurz nach der Pubertät sind die hormonellen Rahmenbedingungen fürs Muskelaufbautraining am besten.
Mit fortschreitendem Alter wird das immer etwas schwieriger.
Aber letztlich sind das die beiden wichtigsten Bausteine der Gesundheit: Kraft und Ausdauer.
Wir benötigen Ausdauertraining, um unser Herz-Kreislauf-System und unseren Stoffwechsel zu erhalten und zu verbessern.
Und wir benötigen Muskeltraining, um dieses große Stoffwechselorgan – unsere Muskeln – und die vielen positiven Einflüsse, die sie auf die anderen Organe haben, zu erhalten.
Dazu kommt noch der Aufbau und das Erhalten von Mobilität.
Die Bewegungen von Menschen, die mit Sport anfangen, sehen anfangs oft hölzern und schwerfällig aus.
Im Vergleich zu Tieren, die sich sehr geschmeidig und effizient bewegen, können wir feststellen, dass Bewegung nicht unser Steckenpferd ist.
Je älter wir werden, desto wichtiger ist es.
Mit zunehmendem Alter dürfen wir etwas dafür tun, um unsere Bewegungsqualitäten, Koordination, Reaktionsfähigkeit und Schnelligkeit zu schulen, um die Körperfunktionen aufrecht zu erhalten und gesund zu bleiben.
Die Gewichtung dieser drei Elemente ist individuell verschieden.
Sie hängt vor allem von Deinen Zielen, Deiner Spezialisierung und Deinem Alter ab.
Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit, Schnelligkeit und Koordination können also unterschiedlich gewichtet werden, gehören meiner Meinung nach aber alle zu einem vernünftigen Training dazu.
Das Geheimnis der Geschmeidigkeit
Mark: Wie entwickelt man ein geschmeidiges Koordinationsvermögen?
Ingo: Ich treffe auf viele Menschen, die jahrelang tagein, tagaus das gleiche Training absolvieren.
Sie laufen die gleiche Strecke mit der gleichen Geschwindigkeit und der gleichen Bewegungstechnik. Ihr Körper denkt sich dabei:
„Boah, was für langweilige Typen!“
Und da hat er recht. Das ist nicht der Stimulus, die der Körper braucht, um in seinen Fertigkeiten zu wachsen.
Ein wenig mehr Kreativität und Abwechslung sind der Schlüssel zu einem erfolgreichen Training.
Darüber hinaus gibt es zwei Hauptparameter, mit denen man sein Training modifizieren kann:
- Geschwindigkeit. Ich kann jede Übung hinsichtlich Geschmeidigkeit und Koordination fordernder gestalten, indem ich sie schneller durchführe. Je schneller eine Übung ausgeführt wird, desto anspruchsvoller ist sie für unser neuronales und physisches System.
- Präzision. Hier konzentriere ich mich nicht darauf, eine Übung so schnell wie möglich, sondern so präzise wie möglich durchzuführen. Zum Beispiel Laufen auf einem geraden Strich.
Variation, Vielfältigkeit und Kreativität sorgen in jedem Training für bessere Fortschritte.
Mark: Was heißt das konkret, zum Beispiel beim Lauftraining?
Ingo: Hier könntest Du mal Intervalle trainieren, mal kurze Sprints, mal mit Richtungswechseln. Zum Beispiel Linienpendeln auf dem Handballfeld. Vor und zurück, beispielsweise zwischen Fahnen. Das ist das, was ich damit meine.
Der schnellste Weg zu einer athletischen Figur?
Mark: Viele Menschen motiviert der Gedanke an das eigene Spiegelbild. Sie wollen sich im Spiegel angucken und sagen: …
Ingo: … „Oh, sehe ich gut aus!“
Mark: Exakt. Welches ist der schnellste Weg zum Ziel?
Ingo: Ich gebe Dir recht. Insgeheim gilt das ja für uns alle, wir Menschen sind eitel. Und das bedeutet ja, dass man bestimmte Ideale vergleichend heranzieht und sagt: „Hör mal, hier oder da könnte ich vielleicht etwas tun.“
Schon in der Antike gab es diese Ideale. Sei es der David von Michelangelo oder das Idealbild einer griechischen Statue.
Zu meiner Studienzeit gab es einen Studienschwerpunkt, der sich „Körperbildung“ nannte.
Also ist diese Form der Eitelkeit tatsächlich eine alte und vor allem wissenschaftlich fundierte Form des Antriebs zu sportlicher Betätigung.
Das Aussehen des Körpers kann, neben der Gesundheit, eine ungeheure Motivationsquelle sein.
So lange es im Rahmen bleibt, heißt das.
Wer sich zu sehr auf sein Äußeres versteift, vernachlässigt andere, wichtige Körperfunktionen.
Eine übermäßig und einseitig trainierte Muskulatur kann unter anderem zu Gelenk- und Muskelverletzungen führen.
Die sind gerade bei den jungen, ambitionierten Kraftsportlern weit verbreitet. Ich selber hatte schon einige 15- und 16-jährige Sportler mit Bizeps-Abriss bei mir sitzen.
Allerdings ist ein gesundes Maß an Eitelkeit ein guter und mächtiger Motivator im Sport.
Mark: Wie definierst Du dieses „gesunde Maß“?
Ingo: Das ist wirklich nicht einfach.
Jeder der trainiert sollte wissen, dass es nur durch die Harmonie von Belastung und der Anpassungsfähigkeit zu einer ordentlichen Entwicklung kommt.
Also sollte man sich nicht jeden Tag im Fitnessstudio treffen, um den Bizeps zu trainieren. Auch wenn man noch so viel Magerquark in sich hinein schaufelt.
Viele vergessen, dass neben der Muskulatur auch das Bindegewebe wachsen muss.
Und das benötigt nun einmal deutlich mehr Zeit zur Anpassung.
Jede Komponente unseres Körpers hat unterschiedlich lange Anpassungszyklen.
Das Bindegewebe benötigt etwa zweimal, die Knochen- und Knorpel etwa fünfmal mehr Zeit als die Muskeln, um sich anzupassen.
Wer diese Faktoren außen vor lässt und sich nur auf das Aufblähen seiner Muskulatur fixiert, riskiert irgendwann den Supergau.
Mark: Was empfiehlst Du konkret?
Ingo: Ein athletischer Körper ist gerade zu Beginn ein wunderbares Ziel.
Unser Körper hat 654 verschiedene Muskeln.
Alleine 150 davon befinden sich in unserer Rückenpartie. Davon ist kein einziger Muskel „unwichtig“ für eine Bewegung. Sie arbeiten alle harmonisch in einer Einheit.
Daher kommt auch meine Empfehlung: Arbeite nicht nur an der Außenhülle, sondern auch am unsichtbaren, aber relevanten Kern.
Lange und geschmeidige Muskeln sind mindestens genauso wichtig, wie die Hypertrophie.
Wir haben das Thema eben schon angesprochen: Der Muskelapparat wird erst dann zu seiner vollen Schönheit erblühen, wenn er auch geschmeidig arbeitet.
Yoga oder Pilates sind hierfür besonders gut geeignet.
Als Drittes müssen wir die verschiedenen Muskelfasertypen betrachten.
Um einen Muskel zu definieren und seine schönste Form hervorzubringen, müssen alle Muskelfasertypen berücksichtigt werden.
Ich muss am besten das gesamte Spektrum beanspruchen:
- Die langsamen Muskelfasern erreiche ich über viele Wiederholungen mit niedrigerem Widerstand.
- Die schnellen, großen Muskelfasern sind besonders wichtig. Sie erreiche ich mit hohen Gewichten, exzentrischen und negativen Belastungsformen.
Nur wer in der Lage ist, 100 Prozent seiner Muskulatur zu aktivieren, wird es schaffen können, sich ein david- oder adonisähnliches Körperbild zu erarbeiten.
Mark: Würdest Du die Begriffe „exzentrische“ und „negative Belastung“ bitte erklären?
Ingo: Exzentrische Belastung bedeutet, dass ich in der Kontraktion, also der Anspannung, eine Dehnung erfahre.
Das mache ich zum Beispiel beim Krafttraining, indem ich die Abwärtsbewegung mehr in den Mittelpunkt stelle, als die Aufwärtsbewegung.
Bei maximaler Kontraktion wird der Muskel gleichzeitig gedehnt.
Der Körper aktiviert dabei automatisch mehr Muskelfasern. Wir kennen das vom Bergabgehen.
Nach einem Abstieg bekommt man leichter Muskelkater als nach einem Aufstieg, da wir diese Belastung nicht gewohnt sind.
Das kann man weiter forcieren, indem man Tiefsprünge, Sprünge von einem Hindernis, oder Liegestütze aus der Startposition macht, wobei immer wieder das Gewicht abgefangen werden muss.
In der Fachsprache nennen wir das den Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus.
Und der stimuliert speziell die schnellen Muskelfasern. Was wiederum die Muskeldefinition fördert, ohne einen Volumenzuwachs zu erhalten.
Macht Krafttraining Läufer langsamer – oder schneller?
Mark: Als mehrfacher deutscher Vizemeister und Hochschulmeister im 100 und 200 Meter Sprinten hast Du auch eine einmalige praktische Trainingserfahrung im Laufen. Selbst Trainer behaupten manchmal, Krafttraining würde Läufer langsam machen. Stimmt das?
Ingo: Differenzieren wir erst einmal zwei Arten von Läufern.
Einerseits haben wir den ausdauernden Langstreckenläufer und andererseits den explosiven Sprinter.
Der Sprinter, und da habe ich praktische Erfahrung, sowie das wissenschaftliche Wissen, braucht eine Muskulatur, die meinen Körper in kürzester Zeit und in höchstem Maße beschleunigt.
Schnell bin ich nur dann, wenn ich kurzfristig höchste Kräfte mobilisieren kann.
Um das zu realisieren, sind zwei Komponenten wichtig.
Einerseits muss ich die Rekrutierung aller meiner zur Verfügung stehenden Muskelfasern gewährleisten.
Das schaffe ich, indem ich die schnellzuckenden Muskelfasern trainiere.
Und zwar durch ein sogenanntes „Innervationstraining“, also Bergabsprints oder ähnliches. Dabei lernt unser träges Nervensystem, die Frequenz, mit der es die Muskelfasern ansteuert, zu optimieren.
Ich laufe also nicht gegen einen Widerstand, sondern mit Unterstützung. Dadurch lasse ich meine Muskeln schneller arbeiten, als sie es eigentlich tun würden. So erhöhe ich die Innervationsfrequenz.
Die zweite Komponente ist die Schnelligkeitsausdauer. Also die Zeitspanne, in der meine Muskulatur bei maximaler Belastung Leistung erbringen kann.
Zu beiden Läufergruppen sage ich im Übrigen:
Es kommt nicht auf das Volumen der Muskeln an, sondern auf die PS, die sie auf die Straße bringen können.
Für Ausdauerläufer steht dabei weniger die Leistung der Beinmuskulatur im Vordergrund.
Es kommt vor allem auf die Fähigkeit der Rumpfmuskulatur in der Körpermitte an, um den Körper eine lange Zeit aufrecht halten und dadurch einen ökonomischen Laufstil gewährleisten zu können.
Auf den Punkt gebracht:
Ja, Läufer profitieren von Krafttraining.
Und sie sollten es auch betreiben, wenn sie ihre Leistung steigern wollen.
Welche neuen Erkenntnisse gibt es aus der Sportwissenschaft – und was gilt heute immer noch?
Mark: Welche Paradigmen haben sich in den letzten 20, 30 Jahren geändert? Was gilt heute genauso wie damals?
Ingo: Einer meiner Lehrer hat immer gesagt: „Froböse, guck Dir mal die Weltkarte an. Wo ist Köln?“ Habe ich gesagt: „Hier ist Köln.“ Sagt er: „Genau das wissen wir vom Körper. Mehr wissen wir noch nicht.“
Da hat er irgendwie recht, auch heute noch.
Wir tun, als wüssten wir viel. Aber unser Körper ist für uns immer noch ein Buch mit sieben Siegeln.
Besonders vor dem Hintergrund gibt es etwas, das ich in letzter Zeit immer mehr erblicke:
Heute gibt es in vielerlei Hinsicht zu viel Detailverliebtheit.
Das gilt für die Körperlichkeit, fürs Training, für den Sport, aber auch für die Ernährung.
Früher versuchte man, möglichst allgemeine Regeln aufzustellen. Die meisten gelten heute noch. Und wir haben natürlich auch etwas Wissen dazugewonnen.
Aber aus einem wissenschaftlichen Standpunkt betrachtet, hat sich an unserer grundlegenden Meinung nicht viel geändert.
Immer detaillierteres Wissen macht uns nicht gleich schlauer. Ganz im Gegenteil.
Der Unterschied zwischen Ernährungswissenschaft und -religion
Ingo: In der Wissenschaft versuchen wir, durch dieses Detailwissen neue Theorien zu entwickeln. Aber das kann auch in die Irre führen.
Ein schönes Beispiel dafür sind die Kohlenhydrate.
Das Schlimme ist: Das unreflektierte Artikulieren solcher Theorien verunsichert die Menschen da draußen sehr viel mehr, als uns Wissenschaftler.
Vor 20 Jahren haben wir das Fett verteufelt, heute sind es die Kohlenhydrate.
Wie wir wissen, ist beides falsch.
Im Laufe der Jahre sind immer mehr Ernährungsformen und Programme von selbsternannten Gurus erschienen.
Sie wollen die Menschheit heilen, aber tatsächlich führen sie sie eher in die Irre.
Dieses Halbwissen ist gefährlich – gerade für Menschen, die es endlich geschafft haben, sich zu körperlicher Aktivität zu überwinden. Denn sie werden von dauerhaft wechselnden „Hypes“ in die Irre geführt.
Das frustriert und demotiviert – bewirkt also genau das Gegenteil.
Bis der nächste Trend um die Ecke kommt, der geradezu religiös propagiert wird.
Und genau das ist es, was sich verändert hat.
Halbwissen wird auf geradezu arrogante Weise als Wahrheit verkauft – auf Kosten motivierter Einsteiger, die es nicht besser wissen können.
Mark: Was rätst Du solchen motivierten Einsteigern, die die richtige Ernährung für sich noch suchen?
Ingo: Für mich gibt es zum Beispiel gar keine einzig wahre gesunde Ernährung.
Was ist denn nun gesund?
Der grüne Apfel, der so scheinheilig daher gerollt kommt – der aber auch voller Fructose ist? Oder ist es die Grünkernschnitte? Oder ist es – für mich, als Rheinländer – der rheinische Sauerbraten?
Ich glaube, dass alle drei die gleiche Wertigkeit haben. In Wirklichkeit ist alles eine Frage der Dosis.
Ich finde es fatal und absolut absurd, dass wir Lebensmittel, die den Namen „Lebensmittel“ wirklich verdient haben, negativ stigmatisieren.
Wenn wir über Eier reden, erhebt sofort jemand den Zeigefinger und sagt „Cholesterin“. Das Gleiche passiert bei Butter. Oder wenn wir über Hülsenfrüchte reden, sagt sofort einer „Blähungen“.
Das ist doch furchtbar!
Wir verlieren dabei den Bezug zu natürlichen Lebensmitteln.
Ich vertrete die Meinung, dass wir einfach maßvoll leben müssen.
Es ist nicht so, dass EIN Lebensmittel oder EINE Ernährungsphilosophie richtig für Jeden ist.
Das muss Jeder für sich selbst herausfinden. Und dabei bedenken, dass das, was gerade für einen klappt, nicht unbedingt der einzige, seligmachende Weg für die gesamte Menschheit ist.
Wohin bewegt sich die Fitnessbranche?
Mark: Wie sieht die Zukunft der Fitnessbranche aus?
Ingo: Ich sage es mal so:
Die Fitnessbranche steht an einem Scheideweg.
Ich bekomme innerhalb der Branche vieles mit und lege auch mal den Finger in die Wunde.
Als ich 1993 meine Professur bekommen habe, gab es vielleicht 2.000 oder 3.000 Fitnessstudios in Deutschland.
Es war ein Nischenmarkt. Heute gibt es fast 9.000 Studios mit über 10 Millionen Mitgliedern.
Und die Zahlen derer, die daraus Kapital schlagen wollen, steigt weiter.
Die Fitnessbranche wird heute von zwei bis drei Hauptakteuren in den Würgegriff genommen.
Da sind zum Einen die klassischen, gemeinnützigen Sportvereine. 26 Millionen Menschen, so sagt man, sind dort aktiv. Und die sind natürlich politisch absolut in der Lage, das Thema Gesundheit, Fitness und Prävention für sich zu vereinnahmen.
Die Vereine schielen allerdings mit Argwohn auf die Fitnessstudios und stellen sie als kommerzielle Institution an den Pranger.
Von rechts kommt der gesamte Medizinsektor, der erste Gesundheitsmarkt. Und auch der galoppiert gerade in Richtung Fitness und Gesundheit.
Plötzlich hat jeder Alen Bewegung und Ernährung für sich erfunden.
Nehmen wir nur mal die ganzen Fernsehsendungen als Beispiel. Die Ernährungs-Docs und was es da so alles gibt.
Und mittendrin steht die kleine Fitnessbranche, die es bisher nicht geschafft hat, wissenschaftliche Nachweise zu führen, was ihre „Programmlichkeit“ eigentlich bringt.
Und da sehe ich das eigentliche Problem:
Die Branche muss es schaffen, sich zusammenzuraufen und gemeinsam wissenschaftliche Studien auf die Beine zu stellen.
Studien, die wirklich die Evidenz eines zielgerichteten Trainings in ihren unheimlichen Facetten darstellen kann.
Schafft sie das nicht, wird sie früher oder später durch rein wirtschaftliche Interessen vom Markt verdrängt.
Mark: Was muss passieren, damit solche Studien erstellt werden können? Die könnten ja durch Gelder aus der öffentlichen Hand oder der Wirtschaft finanziert werden.
Ingo: Da muss ich erstmal ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern. Ich habe 2004 sehr intensiv an der Entstehung des neuen Präventionsgesetzes mitgewirkt.
In der letzten Anhörung des Gesetzesentwurfs, im deutschen Bundestag, hat man mir gesagt: „Froböse, Du hast ganz hehre Ideen. Aber das Geld im Gesundheitstopf, 250 Milliarden Euro, ist verteilt. Und niemand hat Interesse daran, dass wir es anders verteilen.“
Das war eine ganz klare Botschaft an mich. Diese Botschaft hat mir damals schon eine Sache ganz deutlich gemacht:
Offenbar gibt es kein Interesse daran, das Thema Gesundheit, Fitness und Leistungsfähigkeit im Sinne des Gemeinwohls voranzutreiben.
In der Wirtschaft allerdings auch nicht. Das Thema Prävention schon mal gar nicht.
Du hast ja richtigerweise gesagt, dass es verschiedene Forschungsstränge gibt.
Die öffentliche Forschungsförderung im Sinne der Gesundheit und der Prävention – also auch für unsere Themen Bewegung und Ernährung – ist so gut wie komplett versiegt.
Es gibt kein Geld mehr, um die Gesundheits- und Präventionsforschung nennneswert zu fördern.
Das hängt auch damit zusammen, dass viele Industrien – wie beispielsweise die Pharmaindustrie – erst dann Geld verdienen, wenn die Gesundheit des Menschen nicht mehr optimal ist. Sie hat also kein Interesse daran hat, dass unsere Gesellschaft fit und leistungsfähig bleibt.
Wir müssen also – jeder für sich – selbst ran.
Und an der Stelle hätte ich die Fitnessbranche gerne. Wenn sie an einem Strang zieht, könnte sie eine Forschung vorantreiben, die die Gesundheit durch Prävention fördert.
Aber da sind die Pharmaunternehmen nun mal die größten Player. Und die wünschen sich natürlich genau das Gegenteil.
Die Fitnessbranche muss sich klarer positionieren und abgrenzen – ein eigenes Segment bilden.
Sie muss ihr Profil schärfen und sich von den Einschlägen und tickenden Zeitbomben der (Pharma-)Industrie entfernen. Und genau das schaffen wir über die Forschung.
Was wir von Ingo Froböse über Erfolg lernen können
Mark: Gibt es ein oder zwei besondere Erfolge in Deiner Laufbahn, auf die Du besonders stolz bist?
Ingo: Ach ja, ich will’s mal so sagen: Ich bin stolz auf meine Mitarbeiter und meine Mitarbeiterinnen. Das ist für mich immer das Wichtigste gewesen.
Ein guter Chef zu sein und Menschen in gute Positionen zu führen.
Wenn ich Menschen ausbilden konnte, die in der weiten Welt des Gesundheitswesens eine exponierte Positionen bekamen und wir weiterhin freundschaftlich verbunden sind.
Das ist es, was mir am meisten Zufriedenheit gebracht hat.
Das Zweite, wenn ich es mal akademisch betrachte, ist, dass ich den Bereich der Prävention vorantreiben konnte.
Ich fühle mich da als einer derjenigen, der diese Fahne als Erster gehisst hat. Und das Seil halte ich noch in der Hand und will die Fahne noch höher hissen.
Stolz bin ich auch darauf, dass die Präventionsfahne weiter weht – trotz der vielen Menschen, die es wieder nach unten ziehen wollen.
Ich freue mich, dass ich dazu einen großen Beitrag leisten konnte. Und ich hoffe, diese Fahne wird noch lange wehen.
Mark: Welche guten Gewohnheiten helfen Dir dabei, erfolgreich zu sein?
Ingo: Das Schöne ist, für mich ist der Sport ein schönes Modell. Er besitzt bestimmte Merkmale, die weit über das Körperliche hinausgehen.
Nehmen wir nur mal das Thema Werte.
Respekt, Teamfähigkeit und Sozialkompetenz spielen im Sport genauso eine Rolle, wie Disziplin und Ehrgeiz.
All das sind Werte, die mich durch den Sport geprägt haben und die mir auch heute noch dabei helfen, erfolgreich zu sein.
Und es gibt eine weitere Sache, die ich mir bis heute bewahrt habe:
Ich bin neugierig.
Wenn ich etwas Neues entdecke, kommen mir unzählige neue Fragen in den Kopf.
So bin ich vermutlich momentan der gefragteste Wissenschaftler im Bereich des E-Sports weltweit. Und zwar vor allem deshalb, weil das Thema meine Neugier weckte und ich so vor 5 Jahren der Erste war, der in diese Richtung ging.
Ich wollte nie ein Professor in einem verstaubten Elfenbeinturm sein, so wie ich es auch heute noch bei Kollegen beobachte.
Neben der Disziplin und Neugier, pflege ich eine weitere Fertigkeit:
Ich bin schnell.
Damit meine ich, ich bin schnell bereit, neue Trends zu erkennen, anzugehen und aufzunehmen. Das ist, glaube ich, ganz wichtig:
Disziplin, Neugierde und Schnelligkeit.
Auf eine bestimmte Weise charakterisieren sie mich.
E-Sports – vom Nischensport zum Forschungsgegenstand
Mark: Du hast eben E-Sports angesprochen. Was steckt dahinter?
Ingo: E-Sports ist eine Jugendkultur, mit der ich zum ersten Mal vor fünf Jahren konfrontiert wurde.
Natürlich habe ich es meinen Studenten zu verdanken, dass ich überhaupt über dieses Thema gestolpert bin.
E-Sports ist die Bezeichnung für Wettbewerbe in Computerspielen.
Wer den Begriff zum ersten Mal hört, denkt vielleicht zunächst an Computerspielumsetzungen echter Sportarten, aber darum geht es nicht.
Es geht vor allem um Spiele, bei denen Menschen in Teams oder alleine gegeneinander antreten. Zum Beispiel „League of Legends“, „Dota“ oder „Counter Strike“ – einigen hier sagen die Namen sicher etwas.
Dabei geht es mir nicht um die Spiele. Mich interessieren die Menschen, die vor dem Computer sitzen.
Wir betreuen mittlerweile viele Profi-Teams und erstellen gerade ein Scouting-System, um neue Talente zu finden.
Das Thema hat mich sofort begeistert. Also setzte ich eine kleine Forschungsgruppe mit vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf und nun forschen wir auch im Bereich des E-Gaming.
Das Einzige, was uns aktuell noch fehlt, ist eine Mädchenmannschaft. Aber das bekommen wir auch noch hin!
E-Sports ist ein Thema, was in naher Zukunft sehr präsent sein wird.
Tatsächlich gibt es im Profisport heute fast nichts mehr, was noch größer ist. Außer der Champions League, aber danach kommt bereits E-Sports.
Mark: Der Bereich wird von älteren Semestern immer noch belächelt. Dabei kann man als erfolgreicher E-Sportler einen guten Lebensunterhalt verdienen …
Ingo: … ja, als Profi schon. Wenn man bedenkt, dass das Preisgeld eines Dota-Turniers in Seattle letztens bei 20 Millionen Dollar lag, dann wird das Potenzial deutlich.
Wie überwindest Du Niederlagen?
Mark: Wie bist Du in Deiner Karriere mit „Misserfolgen“ umgegangen?
Ingo: Auch ein Misserfolg hat seine Qualitäten. Diese Erfahrung habe ich auch in meiner Karriere gemacht:
Es ist nicht immer alles Gold, was glänzt.
Ich habe mich in Sackgassen verrannt oder in Menschen geirrt. Letzteres empfinde ich als meine größte Niederlage.
Wenn ich mich in einem Menschen irre, in den ich investiert habe und der mich letztendlich brüskiert. Das ist ein Misserfolg, der am meisten an mir nagt.
Aber vom Grundsatz her ist es wirklich so, dass man den Umgang mit Niederlagen – wenn wir sie so nennen wollen – im Sport wunderbar lernt.
Du weißt ja selber, es gibt immer einen Schnelleren.
Den gab es bei mir damals auch. Ich war zwar deutscher Hochschulmeister im Sprint, aber außerhalb der Hochschule war ich nur deutscher Vizemeister.
Ich war vierter bei der Europameisterschaft, was super ist. Aber es gab drei, die schneller waren als ich. Und das ist für einen Sportler immer blöd!
Es ist wichtig zu akzeptieren, dass es so gut wie immer einen gibt, der schneller ist.
Der Sport hat mich gelehrt, damit umzugehen. Mich davon inspirieren zu lassen und es als Ansporn und Energiequelle zu sehen. Gerade im Spitzensport ist das wichtig, denn im Leistungssport ist das Training eine Qual.
Ich glaube, das ist es, was man aus einer Niederlage lernen kann: bodenständig zu bleiben.
Du trägst die Verantwortung für Deinen Erfolg.
Auch, wenn Du nicht immer alle Einflussgrößen kontrollieren kannst.
Natürlich habe ich nach einer Niederlage auch mal ein Glas an der Wand zerdeppert, weil ich wütend war. Aber wenn ich reflektiert habe, stellte ich immer fest: „Das war Deine eigene Schuld“.
Das habe ich im Sport gelernt und es half mir auch in meiner Karriere.
Dabei ist Reflektieren immer wichtig, um daraus zu lernen.
Wo liegt die Ursache? Meist liegt es an einem selbst. Dann muss man daran arbeiten.
Und es nicht an einem selbst liegt, kann man nichts dran ändern. Dann muss man es akzeptieren.
Diesen gelassenen Umgang mit solchen Situationen durfte ich mit der Zeit auch erst lernen.
Ich war früher etwas hibbeliger und kribbeliger.
Auch, wenn es vielleicht nach außen nicht den Anschein hat, muss ich wirklich sagen: Ich glaube, ich habe mehr Niederlagen als Erfolge in meinem Leben gehabt.
Wer inspiriert Dich?
Mark: Hast Du Vorbilder?
Ingo: Ach ja, ganz viele sogar. Und zwar ist es der Mensch, der auf der Straße ist.
Es sind Menschen, mit denen ich rede.
Und das ist eine Offenheit, die ich mir wirklich auch erhalten habe.
Ich habe gestern zwei Vorträge an unterschiedlichen Orten gehalten. Einen bei den Führungskräften einer Stadtverwaltung und einen anderen in einem Unternehmen.
Und alle gaben mir so schöne Einblicke in ihr Leben, in ihre Bedürfnisse, in ihre Neigungen, Interessen und Wünsche, die an sich inspirierend sind.
Es ist der bunte Blumenstrauß der Gesellschaft da draußen, der mich inspiriert.
Ich hänge nicht an den Lippen von bestimmten Experten.
Auch schon mal, aber eher weniger.
Ich höre allen Menschen zu und nehme bestimmte Dinge auf. Dort stecken Potentiale und Ressourcen auf die wir als Gesellschaft, und gerade als Experten, viel mehr hören sollten.
Wer abnehmen will, muss essen
Mark: In Deinem Buch „Strong Food“ sagst Du: „Wer Muskeln will, muss richtig essen“. Das Gleiche empfiehlst Du auch denen, die abnehmen wollen. Klingt ja erstmal paradox …
Ingo: Stimmt. Diäten funktionieren, wenn sie den Körper in ein kalorisches Defizit bringen.
Aber auch in der Diät muss der Körper seine vitalen Funktionen – wie z.B. Leberfunktion, 36,6 Grad Körpertemperatur, das Gehirn, den Blut- und Wasserfluss – aufrecht erhalten.
Der so genannte Grundumsatz unseres Körpers verbraucht eine Menge Energie.
Um genug Energie für diese Grundfunktionen des Körpers verfügbar zu haben, muss ich genug essen.
Und leider liegen viele Diäten deutlich unter dieser Energieschwelle. Damit beeinflussen sie die Arbeit der Leber, die Temperaturregulation des Körpers und die Versorgung einzelner Zellen.
Das ist langfristig einfach keine gute Idee. Deswegen sage ich:
Wer abnehmen will, muss essen.
Mindestens so viel, dass die Grundfunktionen und die Grundbedürfnisse des menschlichen Organsystems – also jeder einzelnen Zelle – garantiert ist.
Ich empfehle, wenigstens 60-80 Prozent des täglichen Kalorienbedarfs zu essen.
Ungefähr so viel brauchst Du für die Funktion Deines Körpers.
Und es gibt Diäten, die mit 700 bis 1000 Kilokalorien arbeiten.
Da kann kein vernünftiges Organsystem tuckern und vernünftig funktionieren. Es wehrt sich dagegen, reguliert seine Stoffwechselfunktionen nach unten. Die Leber arbeitet langsamer.
Die Konsequenz ist dann nachhaltig und langfristig.
Man wirtschaftet letztendlich seinen Rennwagen, mit dem wir ja alle ausgestattet sind, soweit runter, dass ich hinterher nur noch einen Zweitaktmotor habe, wie ein Trabbi.
Ist Fasten gesund?
Mark: Was sagst Du dann zum Trendthema Fasten? Das wären dann ja null Prozent Tagesbedarf …
Ingo: (lacht) … also, was alles gesund sein soll. Es ist doch so:
In der richtigen Dosis kann alles gesund sein.
Wenn wir das Fasten von seinem Ursprung her betrachten, ist es doch deutlich mehr, als nur Kalorien einzusparen.
Fasten hat doch ganz viel damit zu tun, sich selbst zu reinigen, sich selbst zu finden.
Fasten ist also mehr, als seine körperliche Komponente. Es hat auch einen starken spirituellen Anteil.
In der Religion ist das Fasten beispielsweise gang und gäbe.
Im Islam gibt es den Ramadan und die Christen fasten zwischen Ostern und Karneval.
Heute wird dieses Fasten – wie ich finde, leider – oft rein funktional gesehen: „Ich will abnehmen, also faste ich.“
Derzeit wird das intermittierende Fasten sehr stark gehyped: 5 zu 2, 16 zu 8 oder 32 – es gibt verschiedene Modelle, die unterschiedlich lange Fastenpausen propagieren. Und es sind rein mathematische Größen.
Fasten, nur mit dem Sinn abzunehmen und Kalorien zu sparen, halte ich nicht immer für eine gute Strategie.
Der Körper kann bis zu 18 Stunden ohne energetische Zufuhr auskommen, ohne dass er darauf reagiert.
Und unser Körper reagiert auf alles, was wir tun.
Wenn wir ihm Nahrung zuführen, muss er damit etwas machen. Führen wir ihm länger keine Nahrung zu, beginnt er, Energie einzusparen.
Übrigens ist Kurzzeitfasten – also weniger als 18 Stunden – ein gutes Instrument, um den Körper zu reinigen.
Das praktiziere ich selbst ab und an.
Man sollte sich nur stets bewusst machen, dass alles – besonders das Extreme – eine gewisse Konsequenz auf den Körper hat.
Müssen Frauen ihre Muskeln anders trainieren als Männer?
Mark: Ich möchte noch zwei interessante Fragen von Dranbleibern an Dich weiterleiten. Isabell fragt: Sollten Frauen für Muskelaufbau anders trainieren als Männer?
Ingo: Grundsätzlich hat Isabell insofern leider die schlechteren Karten, weil Frauen nun mal 15 Prozent weniger Muskelmasse besitzen als Männer. Und jetzt kommt das Aber:
Der Muskelfaseraufbau, also das Innenleben des Muskels, ist bei Mann und Frau identisch.
Frauen brauchen allerdings mehr Zeit zur Regeneration, weil ihr Bindegewebe schwächer ist als beim Mann.
Zum Beispiel ist das Risiko von Achillessehnenanrissen bei Frauen aus diesem Grund vergleichsweise höher.
Man könnte denken, es liege an zu hohen Absätzen, aber die Sehne ist einfach nicht so elastisch, wie bei einem Mann. Daher ist sie auch anfälliger für Verletzungen.
Ansonsten kann das Training, angepasst auf das Körpergewicht, genau so gestaltet werden, wie das eines Mannes.
Mark: Das heißt, Du empfiehlst Frauen etwas mehr Muskelregeneration zwischen zwei Trainingseinheiten?
Ingo: Genau.
Frauen sollten länger regenerieren und bei hohen Intensitäten vielleicht auch genauer mit der Ernährung arbeiten.
Und mehr Wasser trinken, um das schwächere Bindegewebe zu unterstützen.
Wie gut klappt der Muskelaufbau mit über 50, 60 Jahren?
Mark: Ich höre häufig den Einwand: „In meinem Alter, mit 50+ oder 60+, ist das mit dem Muskelaufbau ja nicht mehr so leicht. Hätte ich doch bloß früher mit dem Krafttraining begonnen.“ Was antwortest Du?
Ingo: Unser Körper besitzt ein biologisches Qualitätskriterium: die Zellteilung.
Alle Körperzellen erneuern sich nach einer gewissen Zeit.
Unser Darm erneuert sich alle 14 Tage, unser Blut jedes Jahr und unsere Knochen alle 15 Jahre.
Und so erneuern sich auch die Muskelzellen. Das geschieht etwa alle 10-15 Jahre.
Also hat auch der Körper eines 50- oder 60-jährigen Menschen Muskelzellen, die in der „Pubertät“ sind. Und sie können auch genauso belastet werden.
Im Alter ist der einzige limitierende Faktor die Übertragungsfähigkeit der Nervenzellen.
Um einem möglichen Leistungsabfall entgegenzuwirken, sollte man daher mit zunehmendem Alter höhere Lasten bewegen.
Hier in Köln sagen wir: „Je oller, je doller!“
Also ja, Muskeltraining lohnt sich – und zwar ein Leben lang!
So findest Du die Sportart, die zu Dir passt – auf Knopfdruck
Mark: Ihr habt eine Plattform gelauncht, den ACTIV-O-MAT. Worum handelt es sich da?
Ingo: Die meisten von uns kennen vermutlich den „WAHL-O-MAT“.
Das ist ein von der Bundesregierung bereitgestelltes Tool, dass einem dabei hilft, die richtige Partei vor einer Wahl zu identifizieren.
Als ich ihn benutzte, hatte ich die Idee: Warum übertragen wir das nicht einfach auf den Sport? Denn ich werde oft gefragt:
„Wie fange ich an, wie komme ich in ein aktives Leben hinein?“
Daraufhin habe ich mit Partnern den „ACTIV-O-MAT“ entwickelt.
Es ist ein kostenloses Online-Tool, das Menschen, die aktiver werden wollen, Starthilfe gibt. Er liefert Dir erste Informationen, und zwar auf Basis Deiner Neigungen, Interessen, Wünsche, Vorlieben, Deines Geschlechts und weiterer Faktoren.
Vor allem hilft er Dir dabei, die Frage zu beantworten:
„Welche Sportart ist für mich die beste?“
Darüber hinaus bekommt man nicht nur das „Was“, sondern auch das „Wie“ vorgeschlagen. Das ist wichtig, denn die meisten wissen nach dem „Was soll ich tun?“ nicht, WIE sie es tun sollen.
Zusammen mit Christoph Metzelder und anderen Experten erklären wir diese Sportarten dann auch.
Mark: Wo findet man das Tool?
Ingo:. Das ist ganz einfach, www.activomat.de. Du kannst direkt auf der Seite loslegen und bekommst am Ende einen Vorschlag mit drei Sportarten, die Du mal ausprobieren solltest.
Mark: Ich habe das im Vorwege natürlich getestet. Das deckt sich bei mir ganz gut mit den Sportarten, die ich ohnehin liebe.
Ingo: Schön! Ich habe dadurch Klettern ausprobiert. Ich war mit Christoph Metzelder in einer Boulder-Halle.
Das war sehr spannend, weil wir diese Sportart auch noch nie gemacht haben und uns so ein bisschen „reingegrooved“ haben. Das hat Spaß gemacht!
So nimmst Du Kontakt mit Ingo Froböse auf
Mark: Wo finden unsere Zuhörer Dich am leichtesten online?
Ingo: Am einfachsten auf meiner Facebook-Seite. Oder über meine Homepage: www.ingo-froboese.de. Dort kann man mir auch Fragen stellen und weitere Infos von mir bekommen.
Mark: Danke, Ingo. Gibt es noch etwas, was Du loswerden möchtest?
Ingo: Vergesst bei all dem Streben nach Fitness und Gesundheit bitte nicht den Genuss, den Spaß und die Lebensqualität.
Langläufer leben ja nicht länger, sie sterben gesünder.
Wir müssen die Lebensqualität erhalten! Das mache ich letztendlich seit vielen, vielen Jahren.
Und ich kann sagen, es funktioniert.
Fitness kann man nicht kaufen, das muss man machen.
Dann bleibt die Lebensqualität lange erhalten.
Frage: Welche “Aha-Momente” nimmst Du aus unserem Gespräch für Dich mit? Was veränderst Du als nächstes? Was nimmst Du Dir vor? Schreib’ einen Kommentar.
Bildquellen
Fotos im Interview mit Prof. Dr. Ingo Froböse: © Prof. Dr. Ingo Froböse. © Shutterstock.com: Dieter Hawlan (Steinzeitmensch), Marco Govel (Sprinterin), PawelSierakowski (Mann mit Engelsflügeln), ra2studio (Scheideweg), Gorodenkoff (E-Sports), Flamingo Images (Best Ager mit Langhantel). CC BY 3.0: Jörg Bittner Unna – Eigenes Werk (David von Michelangelo).