Wie steht’s mit der Muskelregeneration? Gönnst Du Dir genug Erholung, um wirklich Fortschritte zu machen? Hier sind zwei Methoden, mit denen Du den Grad Deiner Körper- und Muskelregeneration messen und monitoren kannst.
Dabei widmen wir uns unter anderem den folgenden vier Fragen:
Kern dieses Artikels ist ein neues Feedback System, das Dir dabei hilft, Dein Körpergefühl zu schärfen und unsichtbare Fortschritts-Blocker frühzeitig zu erkennen.
Die gute Nachricht dabei ist: 80 % der „Messungen“ kannst Du ganz ohne Hilfsmittel durchführen – Zettel und Stift mal ausgenommen. Und mehr als einen Moment Zeit brauchst Du auch nicht.
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Warum solltest Du Deine Muskelregeneration messen?
Wenn wir einen Klienten betreuen – egal, ob Leistungs- oder Freizeitsportler –, haben wir das Thema „Erholung“ stets auf dem Schirm.
Dabei ist uns besonders wichtig, dass er selbst einen Blick dafür bekommt, wie gut er regeneriert.
Wir machen uns dabei Folgendes zunutze:
Regeneration ist messbar.
Dazu gehört nicht nur die Muskelregeneration, sondern auch die des zentralen Nervensystems, der Sehnen, Gelenke und des Geistes.
Nur, wenn Du Dir Zeit zur Erholung nimmst, kannst Du überhaupt Fortschritte machen. Und umgekehrt:
Wer die Kerze von beiden Enden abbrennt, landet im Hamsterrad, riskiert Frust und Rückschritte.
Unser Training ist dabei eine hervorragende Blaupause für das gesamte Leben. Ich bin fest davon überzeugt:
Wenn Du die Balance zwischen Training und Erholung im Sport findest, dann kannst Du davon in allen Lebensbereichen profitieren.
Nicht nur, weil Du morgens ausgeglichener und energiegeladener aufstehst. Sondern auch, weil Du folgenden Zusammenhang schwarz auf weiß siehst:
Du erreichst Dein Ziel schneller, wenn Du zum richtigen Zeitpunkt auf die Bremse trittst.
Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wann dieser „richtige Zeitpunkt“ gekommen ist, kannst Du Deine Regeneration messen. Und solltest es wahrscheinlich auch.
Was ist Muskelregeneration?
Die Erholung nach dem Training (=Regeneration) ist ein ebenso wichtiger Bestandteil Deines Erfolges, wie das Training selbst.
Das ZIEL Deines Trainings ist die Superkompensation.
Du willst besser werden. Und das erreichst Du nur, wenn Du zwei Dinge tust:
- Du setzt einen Trainingsreiz. Dazu willst Du beim Training Deine Komfortzone verlassen.
- Du gibst Deinem Körper genügend Zeit zur Regeneration (Erholung) zwischen Deinen Trainingseinheiten. Nicht zu viel und nicht zu wenig.
Wenn Du einen Blick auf die Grafik wirfst, wird klar:
Wieviel Zeit die Muskelregeneration beansprucht, hängt von der Intensität der Belastung (also Deines Trainings) ab.
Allerdings gibt es weitere Faktoren, die die Erholungsdauer beeinflussen. Und zwar aus allen Lebensbereichen.
Hier sind einige Beispiele für Faktoren, die die Regeneration (und Superkompensation) verlängern können:
- Kraft- und Ausdauertraining mit hoher Intensität oder hohem Trainingsvolumen,
- wenig Schlaf,
- Konflikte in der Familie oder im Freundeskreis,
- Nährstoff- und Vitaminmangel,
- Termindruck im Job,
- Infektionen,
- ein bevorstehender Umzug,
- eine Kombination dieser Faktoren oder
- weitere Stressfaktoren.
Wer den Bogen überspannt und in allen Lebensbereichen Vollgas gibt, setzt nicht nur seine Fortschritte, sondern auch die Gesundheit und Lebensfreude aufs Spiel.
Dabei ist Stress – im richtigen Maß – etwas Positives.
Wenn wir beim Training bleiben, dann ist die Überlastungsmethode im Krafttraining definitiv ein Stressfaktor. Aber sie ist auch ein notwendiges Signal für Deinen Körper, um zu superkompensieren – also stärker zu werden und Muskeln aufzubauen.
Und das setzt voraus, dass die Regenerationsdauer weder zu lang, noch zu kurz ist.
Wie misst Du Deine Muskelregeneration?
Kannst Du im Training heute Höchstleistungen von Dir erwarten oder solltest Du es etwas gelassener angehen?
Wenn Du lernst, auf die Signale Deines Körpers zu hören, gelingt es Dir immer besser, diese Frage zu beantworten.
Dabei hilft es, wenn Du Deine Aufmerksamkeit ganz gezielt auf einige wenige Körpersignale richtest, die sich verändern, je besser (oder schlechter) Du erholt bist.
Wir können die Signale in zwei Bereiche einteilen:
- Subjektive Körpersignale
- Objektive Körpersignale
Idealerweise trackst Du alle Faktoren täglich, notierst sie und achtest auf Trends. Lass uns die Werte kurz nacheinander durchgehen.
1. Erfassung subjektiver Körpersignale
Es genügt, wenn Du Dir jeden Tag einen Augenblick Zeit nimmst und in Dich hineinhörst:
Wie fühlst Du Dich?
Hinsichtlich Appetit, Energie, Lust aufs Training. Bewerte dazu jede der folgenden Variablen auf einer Skala von 0 bis 5.
Appetit | Schlafqualität | Müdigkeit | Bewegungsdrang | |
---|---|---|---|---|
0 = | kein Appetit | schlechter Schlaf | hundemüde | null Bock! |
5 = | sehr hungrig | sehr guter Schlaf | hellwach | Bäume ausreißen! |
Wie bereits erwähnt, geht es auch in diesem Feedback-System darum, TRENDS zu erkennen. Das setzt voraus, dass Du die Werte über einen längeren Zeitraum erfasst.
Ein Zeitraum von 14 Tagen ist ideal, um zu entscheiden, ob Du auf Kurs bist oder Anpassungen machen solltest.
Am besten trägst Du die subjektiven Körpersignale in eine Tabelle, wie die folgende (Tabelle 1).
Im Coaching gehe ich die vier Werte mit meinem Klienten alle 14 Tage durch und achte nicht auf kleine Schwankungen, sondern auf große Veränderungen.
Falls sich zwei (oder mehr) Werte GLEICHZEITIG verschlechtern, solltest Du einen Blick auf Deinen Lebensstil werfen.
Wenn zwei oder mehr der folgenden Werte gleichzeitig schlechter werden, sollte vor Deinem inneren Auge eine rote Warnleuchte angehen:
- weniger Appetit,
- sinkende Schlafqualität,
- zunehmende Müdigkeit,
- abnehmende Lust aufs Training.
Eine solche Situation ist eine gute Gelegenheit, um Dir Gedanken über die Ursache dieser Veränderung zu machen.
Was kannst Du in Deinem Alltag verändern, damit Dein Gefühl sich verändert?
In einigen Fällen liegt die Lösung auf der Hand. Manchmal verschafft auch eine Anpassung des Trainingsplans den nötigen Spielraum für Erholung.
Hier sind einige Ideen für Maßnahmen, die Raum für mehr Erholung schaffen können:
- ein paar Tage Trainingspause,
- „Deload“-Woche im Krafttraining einlegen,
- ein paar Yoga-Stunden extra nehmen,
- mehr Kalorien essen,
- auf ausgewogene Ernährung mit viel Gemüse achten,
- ggf. Mikronährstoffe ergänzen,
- einmal pro Woche zur Massage,
- mehr Schlaf einplanen (ggf. kurze Nickerchen tagsüber),
- ggf. Hilfe für emotionale Stressoren suchen.
Am besten beginnst Du auch hier mit den Veränderungen, die Dir am leichtesten fallen.
Wie Veränderung in leicht funktioniert, erfährst Du übrigens auch in meinem kostenlosen Dranbleiber-Newsletter.
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2. Erfassung objektiver Körpersignale
Zusätzlich zu den subjektiven Messwerten im letzten Abschnitt hilft es, wenn Du außerdem zwei objektive Körpersignale misst:
- Ruhepuls
- Herzfrequenzvariabilität
So geht’s…
So bestimmst Du Deinen Ruhepuls
Stimmt, ein Fitnesstracker oder eine Apple Watch mit Pulsmessfunktion nehmen Dir die Arbeit ab, weil sie Deinen Puls mehrmals pro Stunde automatisch erfassen.
Aber auch ohne Zusatzausrüstung kannst Du ganz einfach Deinen Ruhepuls bestimmen.
Sobald Du aufwachst, misst Du Deinen Puls am Handgelenk für 15 Sekunden und multiplizierst den Wert mit vier.
Das Ergebnis ist Dein Ruhepuls in Schlägen pro Minute, den Du täglich notierst (siehe Tabelle 2).
Wenn der morgendliche Ruhepuls ansteigt, ist das ein Indiz für mangelnde Erholung oder ansteigende Stressbelastung.
Falls der Ruhepuls über einen Zeitraum von zwei Wochen konstant erhöht ist, darfst Du etwas verändern.
Nun gilt es, potenzielle Stressoren zu eliminieren und den Fokus auf eine verbesserte Regeneration zu legen.
So misst Du Deine Herzfrequenzvariabilität (HRV)
Die Herzfrequenzvariabilität – kurz HRV (steht für „Heart Rate Variability“) – ist die Fähigkeit Deines Körpers, die Herzfrequenz spontan zu verändern und sie bei Bedarf schnell an eine Belastung anzupassen.
Diese Variabilität des Pulses kannst Du messen.
Nicht alles, was den Puls misst, ist dazu geeignet. Viele Aktivitätstracker und Sportuhren sind dafür zu ungenau.
Geeignet sind bestimmte Pulsgurte und einige Tracker. Ich verwende dazu das Whoop-Armband, das auf die Messung der Regeneration spezialisiert ist und dazu auch die HRV-Messung nutzt:
Wer bereits einen Bluetooth-Pulsgurt wie den Polar H10 besitzt, koppelt ihn einfach mit dem Smartphone und nutzt eine geeignete App zur Auswertung. Ich habe lange mit dem H10 in Kombination mit der iOS-App Elite HRV gearbeitet.
Auch die Apple Watch führt im Hintergrund automatisch eine regelmäßige HRV Messung durch. Apple bewirbt das nicht extra, Du kannst die Daten aber via Health-App („Alle Gesundheitsdaten“ → „Herzfrequenzvariabilität“) abfragen.
Was Dein HRV-Wert über Deine Erholung aussagt
Stehst Du unter Stress, schlägt Dein Herz punktgenau wie ein Metronom. Wenn Du fit und erholt bist, variiert Dein Herzschlag jeweils um etliche Millisekunden.
Vereinfacht gesagt, gilt:
- Eine niedrigere HRV deutet auf fehlende Regeneration hin,
- eine höhere HRV steht für höhere Belastbarkeit.
Allerdings wäre es witzlos, wenn Du und ich unsere Werte miteinander verglichen – frei nach dem Motto: „Wer den höheren Wert hat, ist belastbarer!“
So, wie der Maximalpuls individuell ist, gibt es auch für die Herzfrequenzvariabilität eine individuelle „Baseline“.
Rückschlüsse auf Deine derzeitige Belastbarkeit kannst Du daher erst ziehen, sobald diese Baseline steht.
Dazu wird üblicherweise so vorgegangen:
- Zuerst wird Deine HRV morgens nach dem Aufwachen einige Tage in Folge gemessen, um festzustellen, in welchem Bereich Deine HRV normalerweise liegt. Dieser Bereich wird für Dich als Normalbereich (Baseline) angenommen.
- Weicht nun ein Wert mehrere Tage in Folge deutlich nach unten ab, deutet das auf fehlende Erholung hin.
- Eine für mehrere Tage erhöhte HRV wäre ein Zeichen dafür, dass Du das Training intensivieren kannst.
Diese statistischen Berechnungen musst Du glücklicherweise nicht selbst durchführen, sondern kannst sie an eine App delegieren.
Wenn Du mit einem Pulsgurt arbeitest, solltest Du die Messung also morgens direkt nach dem Aufwachen durchführen – am besten vor dem Aufstehen. Einfacher ist es mit einem speziellen Tracker, der das automatisch übernimmt.
Ich verwende zur HRV-Messung das Whoop-Band.
Entdeckt habe ich es durch die Empfehlung des Parasprint-Weltmeisters Günther Matzinger im Podcast Anfang 2020. Das Praktische ist, dass Du Dich um die Messung nicht kümmern musst, so lange Du das Armband kontinuierlich trägst (der Akku wird einmal alle 5 Tage geladen, ohne dass Du das Armband abnehmen musst).
Was kosten HRV Tracker?
Das Whoop-Armband ist in der Anschaffung am günstigsten, weil es sich um eine Mitgliedschaft handelt. Normalerweise berechnet der Hersteller 30 € pro Monat (17,73 € bei 24-monatiger Vertragsbindung), wobei die Hardware und Upgrades auf neue Modelle jeweils im Beitrag inbegriffen sind.
Auf Anfrage habe ich bei Whoop einen Rabatt für Dranbleiber herausschlagen können. Über diesen Link kannst Du es für einen Monat kostenlos testen und dann entscheiden, ob die Mitgliedschaft für Dich infrage kommt.
Ähnliche Funktionen bietet der Oura-Ring (ab 399 Euro, plus 5,99 €/Monat), den ich für ein paar Monate parallel zum Whoop-Band getestet habe. Die Ergebnisse entsprechen denen des Whoop-Bands. Ich habe mich für Whoop entschieden, weil der Ring mich beim Training störte und ich das Armband lieber trug. Das ist natürlich individuell und es ist schön, hier die Wahl zu haben.
Weitere Alternativen zur HRV-Messung sind der Polar H10 Pulsgurt mit EliteHRV-App oder die Apple Watch.
Wenn Du Tabelle 2 verwendest, kannst Du dort auch Deinen HRV-Wert eintragen, um Trends und Abweichungen zu erkennen.
Hinweis: Die HRV-Messung ist hilfreich, und kein „Muss“. Wem die Investition zu hoch ist (mindestens 80–100 € für Pulsgurt, 400–500 € für eine Apple Watch, ab 18 €/Monat für Whoop), kann auch manuell tracken und die fünf subjektiven Werten erfassen.
💡 Mehr Über Stress und Regeneration
Hier findest Du weitere Artikel zu den Themen Stress, Regeneration und wie sie sich auf Stimmung, Körperbau und Trainingserfolg auswirken:
Fazit
Wenn Du die Balance zwischen Training und Erholung im Sport findest, dann wirst Du nicht nur im Training mit schnelleren Erfolgen belohnt. Du kannst in allen Lebensbereichen davon profitieren.
Wie findest Du diese Balance? Die gute Nachricht:
Regeneration ist messbar.
Ob Du Dir genug Erholung gönnst, kannst Du anhand von verschiedenen Faktoren messen. In diesem Artikel hast Du vier subjektive und zwei objektive Messgrößen Deiner Regeneration kennengelernt:
- Schlafqualität,
- Müdigkeit,
- Appetit,
- Bewegungsdrang,
- Ruhepuls und
- Herzfrequenzvariabilität (optional).
Bis auf den letzten kannst Du alle ohne Hilfsmittel und mit wenig Zeitaufwand aufnehmen und verfolgen.
In folgenden Fällen solltest Du einen Blick auf Deinen Lebensstil werfen – und für mehr Ausgleich sorgen:
- Mindestens zwei subjektive Signale (1–4) verschlechtern sich zugleich.
- Dein Ruhepuls (5) ist dauerhaft erhöht.
- Deine Herzfrequenzvariabilität (6) liegt morgens nach dem Aufwachen mehrere Tage in Folge deutlich unter Deinem Normwert.
Im Umkehrschluss heißt das: Falls keine dieser drei roten Lampen vor Deinem inneren Auge angeht, ist Dein Körper bereit zu neuen Heldentaten.
Viel Spaß beim Training – und bei der Muskelregeneration!
Frage: Woran hast Du bisher am besten gemerkt, dass Du gut oder weniger gut regeneriert warst? Wie sorgst Du für ausreichend Erholung? Nutzt Du die HRV-Messung oder hast Fragen dazu? Schreib einen Kommentar.
Artikelserie: Wie Du Fortschritte misst, Plateaus vermeidest und kontinuierlich dranbleibst
- Teil: Einführung in das Konzept des Feedback Systems
- Teil: So kannst Du Dein Gewicht messen, ohne Dich verrückt zu machen
- Teil: Wie Du Deinen Körperfettanteil berechnest – und zwar schnell und zuverlässig
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- Teil: Nimmst Du Dir genug Zeit zur Muskelregeneration? (dieser Artikel)
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Bildquellen
Fotos im Artikel „Muskelregeneration“: © Berend Breitenstein: Bodybuilding Bibel © Shutterstock.com: Jacob Lund, Luna Vandoorne. © Elite HRV.