Welche Rolle spielt die Veranlagung, wenn Du Muskeln aufbauen, sprinten oder Marathon laufen willst? Entdecke das Geheimnis Deiner Muskelzellen.
Es gibt drei Muskeltypen im menschlichen Körper für unterschiedliche Anforderungen: die quergestreifte Muskulatur (auch „Skelettmuskulatur“), glatte Muskulatur und Herzmuskulatur.
Richtig trainierte Muskeln lassen Dich Taten vollbringen, die Du früher nie für möglich gehalten hättest:
- Du kannst etliche Stunden lang laufen, Rad fahren oder schwimmen.
- Du entfaltest für Sekunden eine schier übermenschliche Kraft und Schnelligkeit.
Vielleicht hast Du Dir eine dieser Fragen bereits gestellt:
- Warum gibt es Menschen, die schneller Muskeln aufbauen als andere?
- Warum gibt es Menschen, die mit weniger Training schneller und länger laufen können?
- Welche Rolle spielen Deine Gene? Hätte Schwarzenegger mit dem richtigen Training vom Muskel- zum Marathonmann werden können?
- Welche Muskelfasern solltest Du trainieren, um Dein Ziel schnellstmöglich zu erreichen?
Das Geheimnis – und die Antwort auf diese Fragen – liegt innerhalb Deiner Muskeln verborgen.
Zeit, es zu lüften.
Was ist ein Muskel?
Ein Muskel ist ein Organ, das sich zusammenziehen kann, um einen Teil Deines Körpers zu bewegen. Du besitzt etwa 650 verschiedene Muskeln.
Jeder Muskel Deines Körpers ist einzigartig und erfüllt eine spezielle Aufgabe.
Es gibt drei Muskeltypen für unterschiedliche Anforderungen in unserem Körper: quergestreifte Muskulatur, glatte Muskeln und Herzmuskulatur.
- Glatte Muskulatur: Die Muskeln unserer Eingeweide, z.B. des Darms. Wir können sie nicht bewusst steuern und dennoch arbeiten sie Tag für Tag unermüdlich im „Hintergrund“.
- Herzmuskulatur: Der Herzmuskel besteht zwar aus quergestreiften Muskeln, ist aber ansonsten komplett separat gesteuert. Außerdem bringt er eine weitere wichtige Eigenschaft mit: Er kann nicht krampfen – auch nicht bei Magnesiummangel.
- Quergestreifte Muskulatur („Skelettmuskulatur“): Das sind die Muskeln, die uns interessieren. Wir können sie bewusst an- und entspannen und sind – wie der Name sagt – mit unseren Knochen verbunden.
Wir interessieren uns für den Muskeltyp, den wir bewusst steuern können, die quergestreifte Muskulatur. Wenn ich im Folgenden von „Muskeln“ spreche, meine ich diesen Typ.
Die Zusammensetzung unserer Muskeln entscheidet darüber, ob Du stark oder ausdauernd bist – möglicherweise beides…?
Was ist eine Muskelfaser?
Deine Muskeln sind über Sehnen mit dem Skelettknochen verbunden.
Jeder Muskel besteht aus einzelnen, durch Fasziengewebe voneinander getrennten Muskelsträngen. Einen Muskelstrang kannst Du Dir als ein Bündel vieler Muskelfasern vorstellen: Ein Muskelstrang vereint viele einzelne Muskelfasern.
Die Muskelfasern können sich in ihren Eigenschaften erheblich voneinander unterscheiden: Es gibt verschiedenen Muskelfasertypen.
Elektronenmikroskop frei: Jetzt zoomen wir noch eine Stufe hinein.
Eine Muskelfaser setzt sich aus verschiedenen Arten von Protein zusammen. Diese Eiweiße bilden Filamente, das sind dicke und dünne Strukturen die ineinandergleiten.
Wenn Du Deinen Muskel anspannst, sorgst Du dafür, dass diese Strukturen ineinander gleiten – die Muskelfaser wird kürzer. Diese Kraft überträgt sich über Sehnen an Dein Skelett.
So stemmst Du Gewichte, stehst auf, springst hoch oder läufst von Deiner Wohnung zum Fitnessstudio.
Welche Muskelfasertypen gibt es?
Jetzt wird es spannend: Du besitzt unterschiedliche Muskelfasertypen, die entweder
- schnell und kraftvoll oder
- lange und nicht ganz so kraftvoll
kontrahieren können.
Es gibt drei Muskelfasertypen:
- Muskelfaser Typ 1 – langsam zuckend (auch ‚Slow Twitch‘ genannt)
- Muskelfaser Typ 2a – schnell zuckend (auch ‚Fast Twitch‘ genannt)
- Muskelfaser Typ 2b – sehr schnell zuckend (ebenfalls ‚Fast Twitch‘ genannt)
Ich weiß, diese Begriffe sind wirklich nicht besonders handlich. Gleich wird es anschaulicher!
Die drei Muskelfasertypen unterscheiden sich unter anderem in:
- Farbe
- Anzahl Mitochondrien (Mitochondrien sind die Kraftwerke der Muskelzelle – hier wird Fett und Zucker in die einzige Energieform umgewandelt, die unser Muskel nutzen kann – ATP)
- Geschwindigkeit, mit der die Muskelfaser kontrahieren kann
- Volumen (wie „dick“ wird die Muskelfaser, wenn sie stärker wird?)
Die spannende Frage ist doch…
Welche Muskelfasertypen machen Sprinter, welche Marathonläufer?
Marathonläufer brauchen exzellent trainierte Typ 1 Muskelfasern. Wenn Du gerne schwimmst oder kletterst, benötigst Du den 2a Muskelfasertyp. Und wenn Du nackt gut aussehen willst, solltest Du Deine Typ 2b Muskelfasern nicht vernachlässigen.
Muskelfasertyp 1 – Marathonläufer (>30 Min. Belastung)
- Farbe: rot
- Ermüdung: sehr langsam
- Mitochondrien: sehr viele
- Kontraktion: langsam
- Kraft: gering
- Volumen: dünner
- Sportart: Langstreckenlauf, Radrennen, Triathlon, Marathon, Ironman (andauernde Belastung über 30 Min.)
Dieser Muskelfasertyp wird auch slow twitch – langsam kontrahierend – genannt.
Muskelfasertyp 2a – Mittelstrecken-Läufer (1-30 Min. Belastung)
- Farbe: rot
- Ermüdung: langsam
- Mitochondrien: viele
- Kontraktion: relativ schnell
- Kraft: mittel
- Volumen: dicker
- Sportart: Mittelstreckenlauf, Schwimmen, Klettern (andauernde Belastung unter 30 Min.)
Muskelfasertyp 2b – Gewichtheber (< 60 Sekunden Belastung)
- Farbe: weiß
- Ermüdung: schnell
- Mitochondrien: wenige
- Kontraktion: sehr schnell
- Kraft: hoch
- Volumen: dicker
- Sportart: Sprinten, Gewichtheben, Turnen (andauernde Belastung unter 60 Sek.)
Der Muskelfasertyp 2 wird auch fast twitch – schnell kontrahierend – genannt.
Welcher Muskelfasertyp bist Du: Sprinter oder Marathonläufer?
Jeder Muskel besitzt alle drei Muskelfasertypen. Die Menge macht’s: je höher der Anteil eines bestimmten Muskelfasertyps, desto größer Dein Potenzial.
Die spannende Frage ist daher: Wie gut bist Du mit dem jeweiligen Muskelfasertyp ausgestattet?
Es kommt – wie so oft – darauf an. Die Anzahl der einzelnen Fasern hängt im Wesentlichen von zwei Faktoren ab:
- Funktion: Welche Aufgabe erfüllt das Muskelgewebe?
- Veranlagung: Welche Verteilung geben Deine Gene vor?
Gleich wirst Du sehen, warum das Training diese Verteilung NICHT beeinflusst – und warum es dennoch wichtig ist.
Muskelfasertyp Verteilung #1: Welche Funktion erfüllt der Muskel?
Jeder Muskel in Deinem Körper ist anderen Belastungen ausgesetzt und muss unterschiedliche Aufgaben erfüllen. Und ebenso unterschiedlich ist auf die Zusammensetzung der Muskelfasertypen.
Je nach Funktion besitzt ein Muskel mehr ausdauernde oder kraftvolle Muskelfasern.
Zum Beispiel die Muskeln, die für eine aufrechte Körperhaltung sorgen: Rückenstrecker, Hüftbeuger, Waden, etc.
Normalerweise brauchen sie dazu nicht viel Kraft, müssen aber über Stunden kontinuierlich unter Spannung sein. Also hat Mutter Natur sie mit einem großen Anteil an Typ 1 Muskelfasern ausgestattet.
Dein Körper ist intelligent. Wenn Du einen Muskel beim Sport oder im Alltag verwendest, wird er nur denjenigen Muskelfasertypen verwenden, der die Aufgabe erfüllt und dabei am wenigsten Energie verbraucht:
- Wenn Du wenig Kraft ausübst, wirst Du nur Typ 1 Muskelfasern kontrahieren – die Typ 2 Muskelfasern bleiben entspannt. Beispiel: Gehen.
- Wenn Du viel Kraft benötigst, passiert Folgendes: Zuerst versucht Dein Körper, die Belastung (vergeblich) nur mit Typ 1 Muskelfasern zu bewältigen und schaltet dann erst die Typ 2a und zuletzt die Typ 2b Muskelfasern hinzu. Beispiel: Langhantel-Kreuzheben im Muskelaufbau-Bereich
Quizfrage: Kann Haile Gebrselassie zum Schwarzenegger werden, wenn er sich ins Zeug legt?
Muskelfasertyp Verteilung #2: Kann ein Marathonläufer zum Bodybuilder werden?
Vielleicht kennst Du in Deinem sportlichen Umfeld auch solche Menschen: Die einen, die mit obszön wenig Training zu den schnellsten beim Volkslauf gehören.
Und dann gibt es die Cardio-Verweigerer, die dafür eine Langhantel nur ansehen müssen, um Muskeln aufzubauen.
Jeder Mensch ist mit einem bestimmten Anteil der verschiedenen Muskelfasertypen geboren.
Du bist zum Sprinter, Gewichtheber oder Langstreckenläufer veranlagt.
Die Wissenschaft ist bisher gespaltener Meinung, ob Dein Körper einen Muskelfasertypen in einen anderen umwandeln kann. Also gehen wir davon aus, dass Du mit dem auskommen darfst, was Deine Eltern Dir mitgaben.
Zum Glück ist die Geschichte damit nicht beendet!
Durch richtiges Training werden die Muskelfasertypen, mit denen Du ausgestattet bist, leistungsfähiger.
Durch richtiges Training änderst Du zwar nicht die Anzahl, aber den Anteil der schnell und langsam kontrahierenden Muskelfasern an der Muskelquerschnittsfläche.
Je mehr Fläche Deine Typ 2 Muskelfasern am Gesamt-Muskelquerschnitt einnehmen, desto höher Deine Maximal- und Schnellkraft – und desto besser sind die Voraussetzungen für Muskelaufbau.
Wenn Du nackt gut aussehen willst, darfst Du die richtigen Muskelfasertypen trainieren. Dazu darfst Du alle Faktoren, Muskelaufbau, Ausdauertraining und Ernährung, auf Dein Ziel ausrichten.
Einigen Menschen – sie nennen sich Hardgainer – fällt es schwerer, Muskeln aufzubauen als anderen. Die wenigsten von ihnen wissen, dass nicht die Verteilung der Muskelfasertypen, sondern ihre Ernährungsgewohnheiten den limitierenden Faktor darstellen.
Fazit
Ob Sprinter, Gewichtheber, Marathonläufer oder Triathlet – das Geheimnis unserer körperlichen Leistung liegt im Leistungsvermögen der einzelnen Muskelfasertypen. Wie viele Muskelfasern Du von jedem Typ besitzt, kannst Du vermutlich nicht ändern. Du darfst also mit den Karten spielen, die Deine Eltern Dir mitgegeben haben.
Vielleicht bist Du nicht mit den Typ 1 Muskelfasern eines olympischen Marathonläufers oder den Typ 2 Fasern eines Weltklasse-Sprinters oder Bodybuilders ausgestattet. Aber es spielt keine Rolle, schließlich willst Du ja keine Olympia-Goldmedaille, sondern nackt gut aussehen.
Die gute Nachricht für alle Dranbleiber: Wenn Du bereit bist, Deine Muskelfasern richtig zu trainieren, wirst Du Dein Ziel erreichen. Wenn Du Dich zur Gruppe der Hardgainer zählst, darfst Du einen zusätzlichen Fokus auf Deine Ernährung legen.
Frage: Welcher Muskelfasertyp bist Du? Wie bist Du veranlagt, wo liegen Deine Herausforderungen und wie bist Du damit bisher am besten umgegangen? Schreib einen Kommentar.
Bildquellen
Fotos im Artikel “Muskelfasertypen – Sprinter oder Marathonläufer”: iStockPhoto/Chatabox, john shepherd, Maridav, EXTREME-PHOTOGRAPHER, MichaelSvoboda; „Flash Back„, „Peter Pan vs. Peter Parker (273/365)“ von JD Hancock (CC BY 2.0) via Flickr