In Teil 1 dieser Artikelserie ging es darum, Übertraining eindeutig zu erkennen.
Heute erfährst Du fünf kugelsichere Strategien, um Übertraining vermeiden zu können.
Viel hilft auch beim Training nicht immer viel.
So kann Übertraining beispielsweise dazu führen, dass Du Fett ansetzt.
Trotz eines irrwitzigen Trainingsumfangs.
Die Symptome von Übertraining kennst Du? Gut.
Heute geht es darum, etwas dagegen zu TUN:
- Wie Du Übertraining vermeiden kannst.
- 5 zuverlässige Versicherungspolicen gegen Übertraining, die Dich keinen Cent kosten.
- Der Karren steckt schon fest? 4 narrensichere Ad-Hoc-Maßnahmen, mit denen Du eine monatelange Regenerationspause abwendest und stattdessen bereits nach Tagen wieder ins Training einsteigen kannst.
- Fallbeispiel: Wie ich durch einen glücklichen Zufall trotz Übertrainings eine neue Bestzeit laufen konnte.
Übertraining ist wie ein Kurzschluss in Deinem Nervensystem. Wenn Du die Grenze überschritten hast, kann es Tage, Wochen oder gar Monate dauern, bis Du wieder vollständig regeneriert bist.
Je schneller Du handelst, desto schneller bist Du in der Lage, wieder Bäume auszureißen.
Bestzeit trotz Übertraining…?
Wenn Du die Grenze zum Übertraining erst einmal überschritten hast, hilft es nichts: Der beste Weg aus dem Teufelskreis ist eine ungeplante Trainingspause.
Monatelang habe ich alles auf diesen Wettkampf ausgerichtet. Das Training läuft bis vor einer Woche gut – und auch wenn ich mich sehr fordere – ich bin auf Kurs.
Bis vor einer Woche.
Naja, jedenfalls WAR ich auf Kurs.
„So muss sich also ein 99-jähriger fühlen“, denke ich mir, bevor ich den Gedanken an die schmerzenden Glieder ausblende. Frustriert blicke ich auf meinen Trainingsplan. „In 5 Wochen ist Marathon. Jetzt ist die entscheidende Trainingsphase, wenn ich wirklich eine neue Bestzeit laufen will. All die Arbeit der letzten Monate – für nichts?“
Das paradoxe ist, dass ich immer noch der Ansicht bin, mit Willen und Disziplin weitertrainieren zu können. Auch, wenn ich mir diesen mysteriösen Leistungseinbruch nicht erklären kann. Vielleicht sind wir Marathonläufer einfach geübt darin, körperliche Beschwerden auszublenden.
Zum Glück habe ich mit Andreas Hünerberg einen erfahrenen Laufcoach zur Seite. Ich bitte ihn um Rat, in der Hoffnung, er gäbe mir eine magische Pille, so dass ich am nächsten Tag dort weitermachen kann, wo ich seit etwa einer Woche vergeblich mit dem Kopf durch die Wand will.
Es kommt völlig anders.
Andras erkennt sofort, dass ich mich ins Übertraining manövriert habe.
„Die gute Nachricht ist“, so sein Kommentar, „wenn Du Dir jetzt Regeneration gönnst, nach der Dein Körper lauthals schreit, verheilt Übertraining von selbst.“
Widerwillig beiße ich in den sauren Apfel. Ich bin überrascht, wie süß er schmeckt.
Denn tatsächlich kommt der Tatendrang nach einer mehrtägigen Trainingspause bereits zurück. „Jetzt nicht überziehen“, denke ich mir.
Ich gehe es langsam an, trainiere nur locker und kurz, bis ich mich nach insgesamt etwa 10 Tagen wieder voll erholt fühle. In den folgenden Wochen steigere ich die Intensität vorsichtig, schrittweise. Nun bleiben noch gut 3 Wochen bis zum Wettkampf. Das ist nicht viel.
Völlig unerwartet wird ein Traum Wirklichkeit: Eine neue Bestzeit! 42,195 Kilometer, die sich nie zuvor so leicht angefühlt haben.
Heute möchte ich von einem Genusslauf reden. Auch wenn die Jahre wahrscheinlich die Schmerzen verdecken, die Glücksmomente bleiben. Und ich bin froh für die Erfahrung – zukünftig werde ich Übertraining sehr viel früher erkennen.
Wie kannst Du nun Übertraining vermeiden, den Teufelskreis verlassen und schnell regenerieren?
Übertraining vermeiden: 5 zuverlässige Versicherungspolicen
1. Schlaf
Schlaf ist kostenlos, effektiv und so simpel, dass selbst Fred Feuerstein wusste wie es geht.
Ist es nicht erstaunlich, dass so viele Menschen dieses Ziel komplett verfehlen?
Wenn Du zweimal so schnelle Fortschritte willst und keine Lust auf Übertraining hast, ist die Idee gut, 1-2 Stunden früher Schlafen zu gehen oder an Deiner Schlafqualität zu arbeiten.
Nur im Schlaf wirst Du stärker, ausdauernder … und schöner.
2. Ernährung
Du bist, was Du isst. Das gilt auch für Deine Regeneration.
Ohne die richtigen Nährstoffe schießt Du Dir ins Knie bevor das Rennen überhaupt losgeht. Würdest Du mit leerem Tank oder dem falschen Teibstoff Autofahren?
Dein Körper braucht keine leeren Kalorien, sondern Super Plus Benzin aus „echten“ Lebensmitteln.
Wenn Du Übertraining vermeiden willst, hilft es Dir, ausreichend Eiweiß, gesunde Fette und Kohlenhydrate zu essen.
Das gleiche gilt für Vitamine und Mikronährstoffe aus Obst und Gemüse.
Viele Diäten, die kurzfristige Erfolge versprechen, funktionieren auf Dauer nicht und fördern Übertraining, weil entscheidende Nährstoffe fehlen.
3. Stress
Viele Menschen sind sich nicht bewusst, dass nicht nur körperlicher sondern auch gedanklicher Stress Deinen Fortschritt entscheidend beeinflusst.
Wenn Du alle anderen Faktoren im Griff hast und die Erfolge dennoch ausbleiben, solltest Du einen Blick auf Deinen Tagesablauf werfen und Dich fragen, ob zu viel Stress die Ursache sein könnte.
Vielleicht ist es das zeitkritische Projekt im Job, der Umzug oder ein kranker Verwandter, die Dich voll in Anspruch nehmen.
Herausforderungen in anderen Lebensbereichen wirken sich auch auf Deine Fortschritte im Training aus.
In solchen Situationen ist es eine gute Idee, wenn Du Dein Training so anpasst, dass es für Dich eher Erholung als zusätzliche Belastung darstellt.
Yoga, Meditation und Massagen können Dir genauso dabei helfen, Stress abzubauen, wie diese ungewöhnlichen Methoden.
4. Training
Zu viel und zu intensives Training a la „viel hilft viel“ bringt Dich in Schwierigkeiten.
„Trainiere nicht hart, trainiere SMART“
… lautet die Devise.
Es ist eine gute Idee, genau so viel – und nicht mehr – zu trainieren, dass Du fühlbare Fortschritte machst.
Wenn Du nach einer Trainingseinheit 2 Wochen brauchst, um Dich davon zu erholen, läuft etwas falsch.
Du kannst mit der Intensität spielen. Ein paar Faustregeln für Dein Training:
- Tägliche Periodisierung: kein hochintensives Training an zwei aufeinander folgenden Tagen. Wenn Du beim Krafttraining an einem Tag große Muskelgruppen trainierst (Beine, Rücken), wendest Du Dich am Folgetag den kleineren Muskelgruppen zu, z.B. den Armen, Schultern oder dem Bauch. Fürs Kardiotraining gilt analog, auf eine Tempo- oder Intervall-Einheit sollte am nächsten Tag eine ruhigere Einheit folgen.
- Wöchentliche Periodisierung: Wenn Du in einer Woche hart und viel trainiert hast, schaltest Du in der Folgewoche einen Gang zurück. Das gilt sowohl fürs Kraft- als auch fürs Ausdauertraining. Wenn es Dir in erster Linie um Spaß, Fitness und um Deinen Körper geht, reicht dieser Ansatz völlig aus.
- Grundsatz der kleinen Schritte: Wenn Du Deinen Trainingsumfang oder die Intensität erhöhen möchtest, solltest Du Dir ausreichend Zeit nehmen. Beim Laufen hat sich folgende Faustregel bewährt: „Steigere den Trainungsumfang von einer Woche auf die nächste um maximal 10%, damit sich Dein Körper an die Belastung gewöhnen kann.“ Diese Größenordnung kannst Du auch aufs Krafttraining übertragen. Auch die Intensität solltest Du mit angemessener Geduld steigern, wenn Du Verletzungen und Übertraining vermeiden willst.
- Regenerationswochen einbauen: Je nach Trainingserfahrung und Zielsetzung empfehle ich Dir, alle 4-12 Wochen eine Regenerationswoche einzulegen, in der Du Deinen Trainingsumfang deutlich reduzierst.
5. Erholung
Du regenerierst schneller, wenn Du Dich an die unter „4. Training“ genannten Grundsätze hältst. Regeneration heißt dabei nicht, dass Du völlig auf Training verzichten musst.
Mit aktiver Regeneration kannst Du Deine Erholung sogar unterstützen und damit Verletzungen und Übertraining vermeiden. Beispiele für aktive Regeneration:
- Stretching und Foam Rolling (SMR)
- Yoga / Meditation mit Fokus auf Atmung und Entspannung
- Schwimmen, Laufen und Radfahren im „Oma-Tempo“
- Wandern
Solange Du es mit diesen Aktivitäten nicht übertreibst, sorgst Du mit aktiver Regeneration für eine bessere Durchblutung.
Dadurch werden Stoffwechselabbau-Produkte schneller beseitigt, Du erholst Dich schneller.
Festgefahren? 4 narrensichere Rettungsmaßnahmen bei Übertraining
Okay, nehmen wir an das Kind ist in den Brunnen gefallen und Du wärest im Übertraining.
In einem frühen Stadium bekommst Du den Karren recht schnell wieder aus dem Matsch gezogen, und zwar mit folgender Strategie:
- Absolute Trainingspause für ein oder mehrere Tage.
- Runter mit Trainingsintensität und -umfang. Und zwar so lange, bis Du Dich erholt fühlst.
- Kein „hartes“ Training. D.h. entspannte, kürzere Ausdauer- und/oder Krafteinheiten.
- Bei stärkeren Formen von Übertraining würdest Du 6-12 Wochen Erholung benötigen. Das kann passieren, wenn Du die Anzeichen von Übertraining ignorierst … und weiter trainierst.
Fazit: Die Dosis macht das Gift
Ein eiserner Wille hilft uns, Ziele schneller zu erreichen.
Wie bei vielen guten Dingen ist es auch hier:
Wenn Du es übertreibst, kann sich die positive Wirkung ins Gegenteil kehren.
Jedenfalls dann, wenn Du die Hilferufe Deines Körpers ignorierst.
Wenn Du die Signale richtig deutest, kannst Du handeln – und gerade dann ist wieder Dranbleiber-Spirit gefragt. Nämlich der Wille, einmal NICHT zu trainieren und eine Pause einzulegen – auch und gerade wenn Du Dich kurz vor dem Ziel wähntest.
Auch wenn mit Übertraining nicht zu spaßen ist – ich kenne wenige Menschen persönlich, die diesen Zustand bereits erreicht haben. Die meisten von ihnen sind Leistungs- oder sehr ambitionierte Hobbysportler. Dieser Punkt ist mir wichtig, denn ich halte Angst vor Übertraining für völlig unangebracht.
Respekt vor dem eigenen Körper und Achtsamkeit gegenüber den Signalen, die er Dir gibt, ist eine viel besser Idee.
Frage: Welche Erfahrungen hast Du mit Übertraining gemacht? Wie sorgst Du für Regeneration, um Übertraining vermeiden zu können? Schreib einen Kommentar.
Fotos im Artikel „Übertraining vermeiden“: via Flickr (CC BY 2.0) „Chiropractor“ von Ryan Weisgerber, „green smoothie-4“ von jules, „My beloved stress killers“ von Jacob Bøtter, „06/365 Lego Fitness“ von song zhen; via Flickr (CC) „16/52 „bask„“ von Porsche Brosseau; © marathonfitness.de