Glaubenssätze. Viele glauben, sie hätten die richtige Diät noch nicht gefunden.
Oder das richtige Training.
Diät- und Fitnessratgeber gibt’s in Hülle und Fülle. Genug Lesestoff für mehrere Leben.
Warum scheitern so viele Menschen am Training und der Ernährung und schieben Frust ohne Ende?
Die sind doch nicht blöd!
Die meisten von uns wissen doch, was gesund und was weniger gesund ist.
Woran liegt es also, dass Menschen ihr Wissen nicht in die Tat umsetzen?
Manchmal fehlt ihnen tatsächlich der ideale Fitnessplan, um ihr Wissen in die Tat umzusetzen.
Und wenn sie es trotz Plan nicht schaffen? Viele geben an diesem Punkt einfach auf. Und übersehen das Wichtigste:
Sie bremsen sich durch die Art und Weise, wie sie sich angewöhnt haben zu DENKEN, aus.
Wie löst Du solche Bremsklötze?
Der letzte Artikel über positive Gedanken hat anscheinend bei vielen von uns einen Nerv getroffen. Wie bei Sonja.
An der Stelle knüpfen wir heute an. Und tauchen eine Ebene tiefer in Deine Gedanken ein – und wie Du sie so veränderst, dass Fortschritte viel leichter möglich sind.
Die wundersame Macht des Glaubens
Knie-OPs sind das Spezialgebiet des Orthopäden Dr. Bruce Mosley.
Seit Jahren arbeitet er am Veterans Affairs Medical Center im texanischen Houston mit zwei verschiedenen Arthroskopieverfahren. Und die Erfolgsquoten sind gut.
Aber eine Sache will ihm nicht aus dem Kopf. Er fragt sich:
„Welches der beiden Operationsverfahren ist effektiver?“
Also bittet er seine Kollegin Dr. Nelda Wray um Rat: „Wie müsste eine Studie aussehen, an deren Ende ich ganz klar weiß, welche der beiden Methoden die bessere ist?“
Er ist verblüfft, als sie ihm von einem direkten Vergleich der beiden Verfahren abrät. „Das bringt nichts“, sagt sie. Stattdessen empfiehlt sie ihm:
„Für ein aussagekräftiges Ergebnis brauchst Du eine Placebo-Gruppe.“
Mosley kann sich das Lachen gerade noch so verkneifen. Sie hat ihm doch wohl nicht ernsthaft dazu geraten, Schein-Operationen an echten Patienten durchzuführen?
Doch, das hat sie. Aber die Frage sollte geklärt werden, also führt er die Studie durch.
Was dann passiert, geht in die Geschichtsbücher der Medizin ein.
Zunächst unterteilt er die Patienten in drei Gruppen:
- Patientengruppe Eins bekommt das erste der beiden Operationsverfahren zugeteilt. Bei ihnen wäscht er das Innere des Kniegelenks aus.
- Gruppe Zwei erhält die zweite Prozedur. Hier glättet er – zusätzlich zur Auswaschung – die Oberflächen des Gelenkknorpels.
- Gruppe Drei ist die Placebo-Gruppe. Tim Perez und Sylvester Colligan, zwei Kriegsveteranen mit lähmenden Knieschmerzen, sind dieser Gruppe zugelost. Der Beginn der Placebo-Prozedur ist mit den anderen Verfahren identisch: Dr. Mosley verabreicht eine Betäubung. Dann schneidet er das Knie an drei Stellen auf. Nun beginnt die 40-minütige Schein-OP, während das Knie der Patienten unverändert bleibt. Zuletzt vernäht er die Wunden wieder.
Die Resultate seiner Studie sorgten für viel Aufsehen, als er sie 2002 im New England Journal of Medicine veröffentlicht:1
Alle drei Methoden liefern das gleiche Ergebnis. Die Beschwerden der Patienten verbessern sich.
Dr. Mosley bleibt nur eine Schlussfolgerung:
Der Placebo-Effekt muss für die Ergebnisse aller drei Gruppen verantwortlich sein.
Der Begriff „Placebo“ steht für Arznei- und Heilmittel, die keinen Wirkstoff erhalten und Verfahren wie Operationen, die nur zum Schein durchgeführt werden.
Dabei ist der Placebo-Effekt als Heilmethode anerkannt. So werden Pillen ohne Wirkstoff erfolgreich gegen Schmerzen oder Schlaflosigkeit eingesetzt.2
Und die beiden Kriegsveteranen?
Sylvester Colligan kann seit der Schein-OP wieder gehen.
Tim Perez spielt Basketball mit seinen Enkelkindern.
„Wenn Du daran glaubst, ist alles möglich“, sagt Perez. „Deine Gedanken können Wunder bewirken.“
Was sind Glaubenssätze?
Warum funktionieren Fake-OPs und Scheinmedikamente?
Das menschliche Gehirn ist eine faszinierende Mustererkennungsmaschine.
Du machst jeden Tag Erfahrungen und beobachtest, was um Dich herum passiert. Dabei sucht Dein Gehirn nach vermeintlichen Gesetzmäßigkeiten.
Um zu überleben, müssen wir ein inneres Modell davon erschaffen, wie die Welt funktioniert. Kinder machen das ganz spielerisch:
Du siehst, hörst oder probierst etwas aus – und Dein Gehirn gibt dem eine Bedeutung.
Das Ergebnis sind „Glaubenssätze“. Sie geben uns ein sicheres Gefühl: Du glaubst zu wissen, wie die Welt funktioniert.
Glaubenssätze sind die Kraftquelle des Placebo-Effekts.
Wie stark sie Deine Gesundheit und Fitness prägen können, zeigen nicht nur Schein-OPs und mysteriöse Wunderheilungen.
Deine Glaubenssätze arbeiten entweder FÜR oder GEGEN Dich.
Sie beeinflussen jeden Bereich Deines Lebens, weil sie an der Schnittstelle zwischen Geist und Körper wirken.
Es sind mentale Programme, die Dein Verhalten unbewusst dirigieren.
Daher nenne ich sie auch unsichtbare Skripte. Sie können ein Fluch sein, oder ein Segen:
- Positive Glaubenssätze sind Deine mentalen Kraftwerke. Sie können Dir Erfolge bescheren, die Deine kühnsten Träume übertreffen.
- Limitierende Glaubenssätze sind Deine mentalen Bremsklötze. Sie begrenzen Deine Erfolge und können auch noch so perfekte Pläne sabotieren.
Dabei fühlen sie sich absolut real an. Aber die Wahrheit ist:
Glaubenssätze sind keine Fakten.
Glaubenssätze sind lediglich Deine bisherigen INTERPRETATIONEN von Situationen, die Du erlebt, beobachtet oder erfahren hast.
Du kannst sie Dir als mentale Software vorstellen, die die Rohdaten Deiner Sinnesorgane verarbeitet und ihnen eine Bedeutung gibt.
Wenn Du Dein Gewicht misst und feststellst, „mein Gewicht hat sich diese Woche nicht verändert“, dann ist das verifizierbar. Jeder andere würde zum gleichen Ergebnis kommen.
Aber wenn Du schlussfolgerst, „ich kann das nicht, ich habe versagt, gesunde Ernährung ist nichts für mich und ich werde ohnehin nie abnehmen“, dann sind das keine Fakten. Es sind nur Glaubenssätze.
Du gibst den Resultaten, die Du misst, eine Bedeutung. Und die muss nicht stimmen!
Vielleicht hast Du Dich ja wirklich gesund und ausgewogen ernährt, dabei aber ….
- … unterschätzt, wie viel Du wovon gegessen hast.
- … am Tag vor dem Wiegen besonders ballaststoffreich gegessen, so dass der Mageninhalt das Ergebnis verfälscht.
- … Wasser eingelagert (was ebenfalls kein Drama ist).
- … ganz einfach Muskeln aufgebaut.
Die Zahl auf der Waage wird nun mal von vielen Faktoren beeinflusst – Körperfett ist nur eines davon.
Welche Glaubenssätze helfen Dir, welche bremsen Dich aus?
Gerade wenn es ums Abnehmen, Ernährung und Training geht, gibt es eine Vielzahl sonderbarer Irrtümer.
Es ist kinderleicht, Ernährungsirrtümern und Muskelaufbau-Mythen auf den Leim zu gehen.
Manchmal liegt es daran, dass wir selbst die falschen Schlussfolgerungen ziehen. Manchmal übernehmen wir sie von anderen: den Medien, von Eltern, Freunden, Bekannten oder sogenannten Experten.
Dein soziales Umfeld hat einen großen Einfluss auf Deine unsichtbaren Skripte.
Auf die gleiche Weise könntest Du viele andere Glaubenssätze entwickelt haben, die überhaupt nicht stimmen. Solche Skripte kreierst Du über Deine Umwelt, Dein Verhalten, Deine Fertigkeiten, ja sogar über Deine Identität.
Sobald Du einen Glaubenssatz übernimmst, handelst Du, als sei er wahr.
Und das tückische ist:
Dann wehrst Du Dich gegen alles, was diesem Glaubenssatz widerspricht.
Oder Du ignorierst es einfach.
Deshalb verteidigen viele Menschen bestimmte Ernährungsformen mit geradezu religiösem Eifer.
Ich beobachte oft Menschen, die mit einem bestimmten Ernährungsmodell Erfolg haben – und dann dogmatische und extrem limitierende Glaubenssätze verinnerlichen.
Nehmen wir Low-Carb-Diäten als Beispiel. Low-Carb hilft vielen Menschen beim Abnehmen, weil sie mit weniger Kalorien am Tag zufrieden sind (und oft sogar mehr essen können).
So weit, so gut.
Einige Menschen, die mit Low-Carb Erfolg haben, schlussfolgern …
- … alles, was Kohlenhydrate enthält mache dick und sei ungesund.
- … Kalorien zählen nicht (weil sie vielleicht bisher nur Kohlenhydrate gezählt haben).
Damit machen sie sich das Leben unnötig schwer.
Natürlich gibt es solche limitierenden Glaubenssätze für jedes Ernährungsmodell. Das Faszinierende ist:
Einige Glaubenssätze sind stärker als andere.
Wenn wir den spirituellen Glauben mal außen vor lassen, sind Glaubenssätze, die Deine Identität betreffen, am stärksten.
Wie Deine Glaubenssätze Deinen Körper verändern
Die meisten Ernährungs- oder Trainingsempfehlungen bleiben an der Oberfläche.
Sie geben Dir Tipps, was Du TUN solltest. Und vernachlässigen einen wesentlichen Punkt:
Dein Verhalten ist nur die Spitze des Eisbergs.
Langfristige Veränderung funktioniert nur dann, wenn Deine innere Welt in Ordnung ist.
Wirf einen Blick auf das Eisberg-Modell der körperlichen Veränderung. Es gibt verschiedene Ebenen:
- Tun. Dein Verhalten ist die Spitze des Eisbergs, der aus dem Wasser ragt. Es ist das, was Du im Außen umsetzt. Wie Du isst, wie Du trainierst, wie lange Du schläfst, etc.
- Können. Dies sind die Fertigkeiten, die Du erlernt hast oder noch lernst. Sie schlummern unter der Oberfläche, sind aber nötig für Dein Verhalten.
- Sichtweisen. Die Einstellung, mit der Du Situationen begegnest und einschätzt, ist das Kernthema im ersten Artikel dieser Serie. Dort erfährst Du auch, wie Du Situationen mit einem guten Gefühl zu Deinem Vorteil nutzt, in denen andere aufgeben.
- Werte. Welche Werte sind Dir in Deinem Leben wichtig? Diese Glaubenssätze steuern Deine Sichtweisen und meist tief im Unterbewusstsein verwurzelt.
- Identität. Als was für einen Menschen siehst Du Dich? Wie siehst Du Deine Persönlichkeit?
Vielleicht wird Dir dadurch eine Sache klar:
Wer sich nur auf die obersten Ebenen fokussiert, Tun und Können, landet schnell im Hamsterrad.
Aber wirkliche Veränderung beginnt erst darunter.
Wunder passieren dann, wenn Deine Identität, Werte und Sichtweisen auf einer Linie mit Deinem Können und Tun liegen.
Lass uns nun einen Blick auf die untersten beiden Ebenen des Eisbergs werfen.
Identität: Wer bist Du, wer willst Du sein?
Wenn Du Deinen Gedanken lauschst oder Dich mit anderen Menschen unterhältst, bekommst Du Deine Identitäts-Glaubenssätze ziemlich schnell zu fassen.
Im Prinzip ist es ganz einfach:
Alles, was nach „ich bin …“ kommt, betrifft Deine Identität.
Lass uns ein Experiment machen. Welche der beiden Aussagen hat mehr Kraft?
- „Ich bin ein Fast-Food-Junkie.“
- „In letzter Zeit habe ich viel Fast-Food gegessen.“
Der erste Glaubenssatz betrifft Deine Identität (Ebene 5), während Nummer Zwei ein Verhalten (Ebene 1) beschreibt.
Identitäts-Glaubenssätze sind am stärksten, weil es um eine Person geht.
Du kannst auch Deine Identität verändern. Das setzt eine Entscheidung voraus – und es ist Arbeit.
Einzelne Verhaltensweisen zu ändern, ist vergleichsweise leicht.
Es ist schwerer, eine Person zu verändern, als ein Verhalten.
Trotzdem solltest Du Dich damit beschäftigen. Deswegen frage ich Dich:
Deine Identität beeinflusst die nächste Ebene, Deine Werte.
Werte: Welchen Stellenwert haben Gesundheit und Fitness für Dich?
Deine Werte sind ebenfalls starke Glaubenssätze.
Deine Werte verkörpern, was Dir im Leben wichtig ist.
Wenn Gesundheit einen hohen Stellenwert in Deinem Leben einnimmt, dann beeinflusst das maßgeblich:
- Ebene 3, Deine Sichtweisen – aus welcher Perspektive Du Situationen bewertest.
- Ebene 2, Dein Können – welche Fertigkeiten Du Dir aneignest.
- die Eisbergspitze, Dein Tun – was Du isst, wie Du trainierst etc.
Dabei übersehen die meisten Menschen, dass Werte nicht in Stein gemeißelt sind.
Du kannst Dich bewusst entscheiden, welche Werte Dir wichtig sind – und sie nach Prioritäten sortieren.
Nur als Beispiel: Freiheit und Gesundheit gehören zu den drei wichtigsten Werten in meinem Leben.
Heißt das, dass Du die gleichen Prioritäten setzen musst? Absolut nicht!
Aber es hilft, wenn Du Dir Deine Werte klar machst.
Weiterlesen: Mehr über Glaubenssätze und das "innere Spiel" des Traumkörpers
Hier erfährst Du mehr über unsichtbare Skripte und mentales Training:
- Der offensichtliche Fehler, den fast jeder begeht und der die Kontrolle über Deine Fitness fast unmöglich macht
- Warum Du keine Selbstdisziplin lernen musst, um nackt gut auszusehen
- Ernährung umstellen: Der schlimmste Fehler – und wie Du ihn vermeidest
Dieser Artikel ist außerdem der Startschuss für eine Miniserie über die Glaubenssätze einer schlanken, starken Figur. Abonniere den Newsletter, um die nächsten Artikel nicht zu verpassen.
Fazit
Viele Menschen rotieren wie im Hamsterrad, weil sie sich durch ihre Glaubenssätze selbst sabotieren. Einige machen sogar Rückschritte, weil sie sich nur auf äußere Faktoren fokussieren. Damit liegen sie voll im Trend, denn:
Die meisten Fitnessratgeber, -tipps und -videos beschäftigen sich nur mit dem TUN.
Manchmal geht es auch ums Können. Aber im Wesentlichen geht es um Fragen wie: Was solltest Du essen, wie solltest Du trainieren?
Dabei gelingt nachhaltige Veränderung im Außen erst dann, wenn die innere Welt dazu passt.
Also das, was Du denkst und für „wahr“ hältst.
Im ersten Teil dieser Miniserie hast Du eine simple Technik kennengelernt, wie Du einen negativen inneren Dialog erkennst und mentale Hürden aus dem Weg räumst. In diesem Artikel hast Du nun den zweiten Erfolgsfaktor des mentalen Fitnesstrainings kennengelernt: Deine Glaubenssätze.
Glaubenssätze sind die wundersame Kraft hinter dem Placebo-Effekt, der an Dr. Mosleys Kniepatienten so beeindruckend zu sehen ist.
Dabei sind einige Glaubenssätze stärker als andere:
- Am stärksten wirkt das, was Du über Dich als Person denkst – Deine Identität. (Bist Du ein Dranbleiber?)
- Dann kommen die Werte, denen Du folgst und die Dir im Leben wichtig sind. Sie beeinflussen Deine Sichtweisen, Dein Können und Dein Tun.
Übrigens sind unsere Glaubenssätze grundsätzlich etwas, das wir in Ehren halten und respektieren sollten. Aber wir sollten unsere Glaubenssätze auch regelmäßig und ganz behutsam hinterfragen.
Ein Glaubenssatz ist eine gedankliche Generalisierung.
Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Jedem Glaubenssatz liegt eine positive Intention zugrunde.
Und es ist gut möglich, dass Du bisher Dinge geglaubt hast, die Dich zurückgehalten haben.
Sobald Du diesen Gedanken akzeptierst, liegt der erste und vermutlich wichtigste Schritt zur Veränderung Deines Verhaltens, Deines Körpers – und Deines Lebens – bereits hinter Dir.
Willst Du mehr darüber erfahren, wie Glaubenssätze wirken und wie Du sie bewusst veränderst? Dann teile Deine Gedanken und schreib einen Kommentar: Was ist momentan die größte Hürde für Dich? Welche Werte sind Dir im Leben wichtig? Als was für einen Menschen siehst Du Dich?
Bildquellen
Bildquellen im Artikel über Glaubenssätze: © Shutterstock.com: Maridav (Battle Ropes Training), Oscar Carrascosa Martinez (Knie-OP), Pair Srinrat (spielendes Kind) . © MarathonFitness.de.
- J. Bruce Mosley, et al.: A Controlled Trial of Arthroscopic Surgery for Osteoarthritis of the Knee. July 11, 2002, N Engl J Med 2002; 347:81-88 [↩]
- Bernateck, et al.: Placebotherapie. Analyse von Umfang und Erwartung in einer Klinik der Maximalversorgung. In: Der Schmerz. Februar 2009, Band 23, Nummer 1, S. 47–53 [↩]