Wie beeinflusst Epigenetik Ernährung, Körperbau und Fitness?
Diese und andere Fragen stellte ich Dr. Peter Spork – dem Mann, der die Wissenschaft der Epigenetik in Deutschland populär machte – in diesem Podcast.
Dass das Thema populär sein würde, damit hatte ich gerechnet. Aber diese Folge ging durch die Decke.
Viele Dranbleiber fragten mich nach einem Transkript unseres Gesprächs. Also stelle ich es Dir unten zur Verfügung.
Da eine Transkription in diesem Umfang mit einem gewissen zeitlichen und finanziellen Aufwand für mich verbunden ist, interessiert mich:
Möchtest Du Podcast-Interviews zukünftig zusätzlich als Transkript lesen?
So gesehen, ist diese Niederschrift ein Experiment. Bitte schreib Deine Meinung unten ins Kommentarfeld.
Falls Du das Gespräch lieber hören möchtest, kommst Du hier zum Podcast mit Peter Spork und den Shownotes.
Viel Spaß beim Lesen!
Die Magie der Nackt-Gut-Aussehen-Epigenetik: Ein Gespräch mit Dr. Peter Spork (Transkript)
Mark Maslow: Heute habe ich einen besonderen Gast hier: Dr. Peter Spork ist hier im Studio bei Fitness mit M.A.R.K. Moin, Peter!
Peter Spork: Hallo Mark.
Mark: Peter, bevor wir gleich in das spannende Thema „Epigenetik“ und „Schlafforschung“ gehen, sag doch erst einmal, wer bist du, und was machst du?
Peter: Ich bin Biologe von der Ausbildung her und schreibe inzwischen fast nur noch Bücher. Ich lebe fast nur noch davon, dass ich Bücher schreibe, Vorträge halte, und zwar zu biologischen Themen. Vor allem zu Chronobiologie, der Erforschung der inneren Uhren, zu Schlafforschung und zu dem Bereich der Epigenetik.
Im Bereich der Epigenetik habe ich das weltweit erste populärwissenschaftliche Buch geschrieben, und seitdem bin ich so ein bisschen eine Art „Mister Epigenetik“. Der Deutschlandfunk hat mal gesagt, ich bin „der Mann, der die Epigenetik populär gemacht hat“. Das ist eigentlich alles zu mir.
Was ich noch sagen könnte, das wäre vielleicht, wenn ein bisschen Eigenwerbung hier erlaubt ist, dass man von mir sagt, dass ich einer der führenden deutschen Wissenschaftsautoren bin, auch das hat der Deutschlandfunk mal über mich gesagt. Und darauf bin ich natürlich sehr stolz.
Mark: Du bist regelmäßig in den Printmedien, im Radio, auch im Fernsehen. Jetzt aktuell, wo wir aufnehmen, ist heute Abend in der ARD eine Sendung mit dir. Die werde ich verlinken für alle, die Interesse daran haben. Du hattest eben dein erstes Buch erwähnt, „Der zweite Code“. Das ist 2009 herausgekommen und hat sich fast wie ein Lauffeuer verbreitet. Jetzt ist dein neues Buch erschienen, „Gesundheit ist kein Zufall„. Bevor wir darüber reden, möchte ich wissen: Du hast in Neurobiologie promoviert und bist dann einen interessanten Schritt gegangen. Du bist nicht in der Forschung geblieben, sondern hast dich dafür entschieden, als Autor zu arbeiten, als Journalist. Das ist ein ungewöhnlicher Schritt. Wie kam das, und was fasziniert dich an diesem Fachgebiet der Neurobiologie?
Peter: Der Schritt war für mich nicht so ungewöhnlich, er war sogar geplant. Ich habe im Grunde schon angefangen, Biologie zu studieren mit dem Ziel, später einmal nicht in die Wissenschaft zu gehen, sondern journalistisch zu arbeiten, weil ich da schon immer ein Defizit sah, zu der Zeit noch, dass die neuen, spannenden Erkenntnisse der Wissenschaft zu wenig in Zeitungen, in Zeitschriften, in Magazinen und im Fernsehen aufgearbeitet werden, und zwar so, dass jeder sie verstehen kann. Und das fand ich ein unheimlich spannendes Berufsfeld, und insofern habe ich ganz gezielt darauf hingearbeitet.
Für die Hirnforschung, für die Neurobiologie habe ich mich vor allem deshalb interessiert, weil einfach alles unser Gehirn ist, und unser Gehirn ist alles. Das ist einfach das wichtigste Organ, es ist auch das komplexeste Ding im ganzen Universum. Es gibt mehr Verbindungen zwischen Nervenzellen als Sterne im Weltall, und insofern ist es einfach so spannend, dieses Gehirn zu verstehen, so dass es auch das Forschungsgebiet ist, was mich am meisten interessiert. Und insofern habe ich mich auch in vielen meiner Bücher damit beschäftigt.
Die beiden Bücher, die du eben erwähnt hast, sind nur meine beiden Bücher zur Epigenetik. Die anderen Bücher handeln eher aus dem Bereich der Gehirnforschung, der Chronobiologie, der Schlafforschung, und das hat immer ganz viel mit dem Gehirn zu tun. Das sind meine großen Steckenpferde, und das war immer schon mein Ziel gewesen.
Was ist Epigenetik?
Mark: Den Begriff „Genetik“ kennt jeder aus der Schule, bei mir ist es zumindest so, aus der Zeit, als ich Abi gemacht habe. Aber „Epigenetik“? Ich weiß nicht, ob es diesen Begriff damals schon gab, auf jeden Fall haben wir nichts darüber gelernt. Der eine oder andere hat jetzt vielleicht auch ein Fragezeichen über dem Kopf. Was ist eigentlich Epigenetik, Peter?
Peter: Ich weiß nicht, wann du Abi gemacht hast?
Mark: 1998.
Peter: 1998, nein, da gab es das überhaupt noch nicht. Epigenetik ist noch immer nicht in allen Bundesländern im Lehrplan, es kommt aber in immer mehr Lehrpläne hinein. Epigenetik ist wirklich eine sehr, sehr junge Wissenschaft, und sie ist im Grunde eine Tochterdisziplin der Genetik.
Als du Abi gemacht hast und als ich Abi gemacht habe, da dachte man noch, alles, was Zellen vererben, sind ihre Gene, ist der Text auf diesem Erbgutmolekül DNA, DNS auf Deutsch, und der wird einfach weitergegeben und erhält alle Informationen für die Tochterzelle. Oder wenn ich ein Kind zeuge, dann werden an dieses Kind nur meine genetischen Texte weitergegeben. Die mischen sich dann mit den Genen der Mutter, daraus entsteht ein neues Kind, und alle Informationen sind in diesem Gentext.
Inzwischen hat man aber gesehen, dass das Erbgut viel mehr als nur genetischen Text enthält. An der DNA sind ganz viele Eiweißmoleküle, Proteine, angelagert, und die können sehr unterschiedlich aussehen. Auch die DNA selbst kann unterschiedlich aussehen. Es können an bestimmten Stellen Methylgruppen angelagert sein, das sind kleine biochemische Gruppen, CH3, Kohlenstoff, ein Kohlenstoff, drei Wasserstoff, die werden an die DNA direkt von der Zelle angelagert.
Und diese Proteine, mit denen kann die Zelle unglaubliche Dinge anfangen. Sie kann sie methylieren, acetylieren, phosphorylieren und so weiter. Und das einmal, zweimal, dreimal, und zwar an verschiedensten Stellen. Das ist ein wichtiger Code, man nennt ihn den „Histon-Code“, weil diese Proteine „Histone“ heißen.
Wenn man sich jetzt vorstellt, die DNA, die wickelt sich immer wieder um diese Histone herum, und die können sich mehr oder weniger kompakt aneinanderlagern. Und jetzt muss ich mir das bildlich vorstellen, und es ist natürlich sehr schwer, sich das vorzustellen, denn wir haben 30 Billionen Zellen in uns drin, und in jeder dieser 30 Billionen Zellen sind zwei Meter DNA. Wir haben also zwei Meter DNA, dreißigbillionenmal in uns drin.
Mark: Die DNA wird in Grafiken häufig als eine Leiterstruktur dargestellt.
Peter: Genau, diese Doppelhelix, diese in sich gewundene Leiter. Und diese klassische DNA Doppelhelix, die sieht auch tatsächlich so aus. Aber sie ist nicht nackig in der Zelle drin, sondern sie ist immer wieder aufgewickelt auf diese Proteinkügelchen. Und diese Proteinkügelchen, die kann die Zelle verändern.
Jetzt kann die DNA zusammen mit diesen Kügelchen ganz dicht verpackt sein, dann sind die Gene an der Stelle aber nicht mehr abzulesen für die Zelle. Sie sind sozusagen in einem inaktivierbaren Zustand, sie sind für die Zelle nicht mehr zugänglich, nicht mehr aktivierbar. Und da, wo diese Histone lockerer gepackt sind, da können die Gene ganz leicht abgelesen werden. Und das ist der epigenetische Code!
Jetzt kommen wir wieder zu der Frage zurück, nach dieser langen Einleitung. Damit beschäftigt sich die Epigenetik. Man kann auch sagen, es ist eine Art Übergenetik oder Zusatzgenetik. Ich finde den Begriff „Zusatzgenetik“ am besten, denn neben diesem genetischen Code, diesem klassischen, den wir alle kennen, diesem DNA-Text, der vor fünfzehn Jahren zum ersten Mal beim Menschen gelesen wurde in der Gänze, neben diesem Code gibt es einen zweiten Code, und der sitzt an den Histonen, der sitzt an der DNA, durch Methylgruppen und all diese kleinen biochemischen Veränderungen, und beeinflusst, welche Gene eine Zelle überhaupt benutzen kann und welche nicht.
Und das ist der epigenetische Code, deshalb auch dieser Titel meines ersten Buches, „Der zweite Code„. Das ist der zweite Code, der praktisch der Zelle sagt, welche Teile des ersten Codes, des genetischen Codes sie überhaupt benutzen kann und welche nicht. Der macht zum Beispiel den Unterschied aus zwischen einer Muskelzelle, einer Nervenzelle, einer Herzzelle und einer Fettzelle. Und er macht auch den Unterschied aus zwischen einer trainierten Muskelzelle und einer untrainierten Muskelzelle.
Und da wird es jetzt super spannend.
Die Epigenetik des Fitness Trainings
Mark: Ich greife jetzt schon ein bisschen vor: Das heißt, durch Training verändere ich meine Genstruktur?
Peter: Genau. Ich verändere nicht meine Gene, denn der Text der Gene bleibt gleich. Wenn ich trainiere, mache ich nichts anderes, als meinen Muskelzellen, aber auch meinen Fettzellen und meinen Kreislaufzellen, vielleicht auch einigen Hirnzellen, allen Zellen, die am Training beteiligt sind, zu sagen, „jetzt trainierst Du, jetzt musst Du was tun“.
Und das merken die. Die Zellen haben dank der Epigenetik eine Art Gedächtnis für Umwelteinflüsse. Das Training ist für die Zelle ein Umwelteinfluss. Und die kann sich das merken, weil sie plötzlich anfängt, den epigenetischen Code zu verändern.
Sie sagt, „dieses Gen X, das sollte ich nicht mehr so viel benutzen, das kann ich bei diesem Training nicht so gut gebrauchen. Das Gen Y aber, das ist im Moment ganz, ganz wichtig, das muss ich in Zukunft mehr benutzen.“
Und dann verstellt die Zelle ihren epigenetischen Code, und in Zukunft ist das eine Gen leichter und das andere Gen schwerer aktivierbar. Das heißt, die Zelle hat in ein anderes Programm gewechselt. Und so sieht im Grunde der Effekt von Training biologisch aus. Und das ist das Spannende an der Epigenetik, dass man diese Dinge, die man früher gar nicht kannte, inzwischen erforschen und sogar messen kann.
Mark: Da drängt sich geradezu die Frage auf, was heißt das denn einerseits für unsere Gesundheit und andererseits auch für unsere Fitness? Der eine oder andere hört uns gerade zu, weil es um „nackt gut aussehen“ geht, weil es hier um Fitness geht. Was bedeutet das denn, wenn jemand abnehmen möchte, Muskeln aufbauen oder ausdauernder werden möchte? Vielleicht auch das Thema „Haut“, das hatte ich mit Dr. Yael Adler vor einigen Wochen besprochen, das Hautbild ist auch sicher ein Thema, aber wie viel davon ist denn Veranlagung, über die Genetik, und wie viel davon kann ich wirklich beeinflussen?
Peter: Das hängt natürlich in der Tat davon ab, mit welchem Merkmal ich mich beschäftige. Wenn ich über ganz allgemeine, komplexe Dinge rede wie Gesundheit, Persönlichkeit, Fitness oder Hautbild, dann sind das komplexe Merkmale, wie die Forscher dazu sagen. Das heißt, ganz, ganz viele verschiedene Einflüsse wirken auf dieses Merkmal ein, und es ist eben nicht eine kleine Gruppe von Genen daran beteiligt.
Dass ich fit bin, dass ich gesund bin, das ist nicht die Frage von einem Gen. Auch wie viel ich wiege, ob ich zu Übergewicht neige oder nicht oder ob ich Muskulatur gut und schnell ansetze oder weniger gut, wie mein Bindegewebe aussieht, wie viel Unterhautfettgewebe ich habe und solche Sachen, das hängt alles nicht von ein, zwei, drei Genen ab, sondern es hängt in aller Regel davon ab, wie tausend, vielleicht sogar zwei-, drei-, vier-, fünftausend unserer Gene reguliert werden.
Bleiben wir beim Beispiel Gesundheit. Gesundheit ist schon fast zu komplex, weil an der Gesundheit sind im Grunde alle unsere 23.000 Gene beteiligt.
Was ist Gesundheit?
Mark: Jetzt frage ich mich gerade, was ist eigentlich Gesundheit? Wie würdest Du sie definieren?
Peter: Genau! Ja, das ist eine super Frage, denn das ist genau das Thema meines neuen Buches, „Gesundheit ist kein Zufall„. Und es ist tatsächlich so, dass diese Wissenschaft der Epigenetik unseren Blick auf Gesundheit verändert. Eigentlich können wir gar nicht so recht erklären, was Gesundheit genau ist.
Die meisten Menschen antworten, „na ja, Gesundheit, das ist, wenn ich nicht krank bin“, die Abwesenheit von Krankheit, sozusagen das Gegenteil von Krankheit. Aber wenn man es sich genau anschaut, dann kann es das nicht sein. Wir können gleichzeitig gesund und krank sein. Wenn ich einen Schnupfen habe, ist es meine Gesundheit, die dafür sorgt, dass ich schnell wieder genese. Wenn mein Knochen gebrochen ist, ist es meine Gesundheit, die dafür sorgt, dass der Knochen wieder zusammenwächst.
Wenn ich eine Erbkrankheit geerbt habe, eine genetische Krankheit, die gibt es ja auch, die sind sehr selten, aber die gibt es. Da sind wirklich ein, zwei oder drei Gene mutiert, und das erhöht das Risiko für eine einzelne Krankheit, sehr seltene und oft auch sehr gefährliche Krankheit, extrem. Dann bin ich krank. Aber wollen wir allen Menschen, die eine Erbkrankheit geerbt haben, ihre Gesundheit absprechen? Denn auf der Basis dieser Gene, die sie geerbt haben, sind sie gesund.
Gesundheit bedeutet für sie vielleicht etwas Anderes als für uns. Da merkst Du schon, dass es etwas philosophisch wird, aber genau diese Fragen können wir uns heute nicht in der Epigenetik stellen, so, wie es vielleicht für deine Hörer natürlich spannend ist, wie man seine Fitness verändert. Das ist im Grunde eine ganz ähnliche Frage, wie werde ich fitter, wie nehme ich ab, wie sehe ich nackt besser aus? Das ist genau das Gleiche wie die Frage, wie bleibe ich gesund, und wie werde ich fit und alt, ohne früh eine Alterskrankheit zu bekommen? Das sind im Grunde die gleichen Fragen, immer nur in einem anderen Gewand. Und diese Fragen sehen wir heute nicht mehr als Abwesenheit von irgendwas, sondern als einen Prozess, der permanent jeden Tag, jede Minute an mir arbeitet, in mir arbeitet und an dem ich auch arbeiten kann und mit dem ich die Programme in meinen Zellen, die epigenetischen Strukturen in meinen Zellen, verstelle.
Es gibt eine Definition von Gesundheit, die ich wunderbar finde. Die ist relativ alt, und sie stammt von einem französischen Medizinphilosophen, Georges Canguilhem, der sagt, „Gesundheit ist die Fähigkeit, sich anzupassen“.
Und das trifft es, meines Erachtens, genau. Wir sind permanent dabei, uns an unsere Gesundheit anzupassen. Wenn ich ins Fitnessstudio gehe, dann muss ich mich anpassen an das, was ich dort tue beziehungsweise, mein Körper muss sich daran anpassen. Und das ist meine Gesundheit, dass mein Körper in der Lage ist, sich an diese Übungen, die ich mit ihm mache, anzupassen. Und das mache ich jeden Tag, jede Woche, immer wieder.
Dieser Prozess, das ist Gesundheit, nach der neuesten Definition. Und das Spannende an der Epigenetik, der modernen Molekularbiologie ist tatsächlich, dass wir diesen Prozess messen und beobachten können. Ich weiß nicht, ob ich ein Beispiel nennen darf?
Mark: Ja, absolut.
Peter: Es gibt viele Studien zu dem Thema, aber eine ist besonders schön, die wurde in Stockholm gemacht. Menschen mussten über drei Monate hinweg auf einem Trainingsfahrrad fahren und haben dort immer nur ein Bein trainiert. Das Fahrrad hatte nur eine Kurbel. Ein Bein wurde also die ganze Zeit trainiert, drei Monate lang, und das andere Bein wurde nicht trainiert.
Mark: Also an mehreren Tagen, nicht permanent?
Peter: Über drei Monate hinweg, jede Woche, ich glaube, vier-, fünfmal die Woche für 45 Minuten. Und das waren untrainierte Menschen, denn bei diesen hat man erwartet, dass der Effekt größer ist. Das ist natürlich sehr elegant, denn man kann das trainierte Bein mit dem untrainierten Bein vergleichen und hat sozusagen die Kontrollgruppe in einer Person, und dann nimmt man Biopsien von den Muskeln und vergleicht die Epigenetik in der Muskulatur.
Und nach diesen drei Monaten hat man als Erstes gesehen, dass sich die Gene nicht verändert haben. Das wäre auch nicht zu erwarten gewesen, denn der Gentext bleibt natürlich gleich. Es sind auch weiterhin genetisch identische Zellen im rechten wie im linken Bein. Aber die Epigenetik, diese Genregulation, die hat sich an über 5.000 Genen in den Muskelzellen verstellt. Wir haben nur 23.000, und da sieht man, wie massiv dieses Training das Programm dieser Muskulatur verändert hat. Und man kann es analysieren, da sind Gene beteiligt, von denen man weiß, dass sie wichtig dafür sind, wie die Muskulatur mit Energie umgeht, wie sehr Energie verstoffwechselt wird.
Das ist eine ganz wichtige Frage für Sportler: Wie gut, wie effizient verarbeitet meine Muskulatur die Energie, die der Körper ihr zur Verfügung stellt? Und wie viel wird als Fett abgespeichert oder wo werden Fettdepots angezapft? Das sind die entscheidenden Fragen, wenn es um Gewicht und solche Dinge geht. Und all das, all die Gene, die dort beteiligt sind, die werden plötzlich durch das Training anders reguliert. Das heißt, man kann messen, was wir uns alle wünschen, wenn wir ins Fitnessstudio gehen. Nämlich, dass unsere Muskulatur, unsere Fettzellen, da gibt es auch andere Studien, die das auch für Fettzellen zeigen, dass die sich dahingehend verändern, dass ich langfristig einfach fitter werde, besser aussehe, trainierter bin und wirklich in ein anderes Programm wechsle.
Mark: Und bei der Studie war es so, dass sich die Zellen nur auf der einen Seite geändert haben?
Peter: Genau. Man hat die Zellen des einen Beins mit denen im anderen Bein verglichen, und natürlich vorher und nachher. Das eine Bein hat sich praktisch nicht verändert, aber das andere Bein hat sich verändert, und eben auch dessen 5.000 Gene.
Wir sprachen gerade darüber, wie man Gesundheit insgesamt begreifen kann. Da sieht man, das sind so komplexe Phänomene, auch, wenn es um Übergewicht geht oder darum, wie trainiert meine Muskulatur ist und wie fit ich bin. Dann sind da eben nicht nur, ein, zwei, drei Übergewichtsgene oder Fitnessgene beteiligt sowie deren Varianten und welche ich von meinen Eltern geerbt habe, sondern es ist die Regulation von 5.000 Genen beteiligt.
Du fragtest danach: Ist es mehr der Lebensstil, ist es mehr die Umwelt, sind es eher die Gene? Ist es das eine plus das andere? Eigentlich ist die Frage nicht richtig gestellt. In Wahrheit ist es nicht die Umwelt plus die Gene, sondern es ist immer die Umwelt mal Gene, es ist eine Multiplikation. Ich habe Gene, die habe ich geerbt, die sind da, die kann ich auch nicht verändern. Aber darüber, wie ich lebe, wie viel ich trainiere, was ich esse, kann ich alle Gene zugleich in ihrer Regulation beeinflussen, und das Produkt, was dabei herauskommt, der Mensch, der sozusagen vor mir steht, wie fit, wie gesund, wie trainiert, wie übergewichtig oder wie schlank er ist, das ist ein Resultat daraus, wie die Umwelt, im Zweifel über Jahrzehnte hinweg, auf diese Gene gewirkt und die Regulation dieser Gene beeinflusst hat. Das heißt, ich kann Lebensstil und Umwelt nicht trennen.
Was ich sehe, ist immer zu hundert Prozent auf die Gene zurückzuführen, denn die Umwelt kann nur regulieren, was da ist, aber es ist auch zu hundert Prozent auf die Umwelt zurückzuführen, weil die Gene wiederum von der Umwelt reguliert werden. Es ist beides immer zu hundert Prozent beteiligt.
Und um es noch komplizierter zu machen – ich will niemanden verärgern, aber natürlich, wie immer, ist alles im Leben noch komplizierter, als man denkt – im Grunde wirkt auch noch die Umwelt der Eltern und Großeltern mit hinein. Und ganz wichtig ist dabei meine Prägung in der frühen Kindheit, was ich als Kind erlebt habe, weil die Zellen eben dieses Gedächtnis haben.
Vererben wir unseren Lifestyle an unsere Kinder?
Mark: Das heißt, diese epigenetische Veränderung oder die Art, welche Gene aktiviert werden oder nicht, bestimme ich, wenn ich mich dazu entschließe, Vater zu werden, wenn ich Kinder in die Welt setzen und auch Enkelkinder haben will? Das beschreibst Du auch in deinem Buch, „Gesundheit ist kein Zufall„, in einem eigenen Kapitel für werdende Eltern, dass ich durch meinen Lebensstil die Gesundheit und die Fitness meiner Kinder und meiner Kindeskinder beeinflussen kann?
Peter: Ja, das ist inzwischen glasklar belegt. Das ist ganz wasserdicht in der Wissenschaft belegt, darüber, wie ich die Umwelt meiner Kinder gestalte, wenn ich als Frau, als Mutter mit ihnen schwanger bin beziehungsweise schon bevor ich als Vater das Kind zeuge zum Beispiel, das hat alles Einfluss darauf, in welches Leben die Kinder später hineinwachsen und hineingeprägt werden. Auch, was die Kinder in den ersten ein, zwei Lebensjahren erleben.
In dieser Zeit von der Zeugung, bis die Kinder etwa ein bis zwei Jahre alt sind, reifen die ganzen Organe heran. Und wenn diese heranreifen, dann ist sozusagen ihre Epigenetik besonders empfänglich für Umwelteinflüsse. Und deshalb ist diese Zeit natürlich auch besonders wichtig und prägend. Und was sich dort sozusagen epigenetisch einprägt in den Zellen, das ist später auch schwieriger, rückgängig zu machen als andere Sachen.
Aber anders als genetische Veränderung ist es so, dass epigenetische Veränderungen natürlich in der Theorie immer reversibel sind, man kann sie immer rückgängig machen.
Die einen haben es dann mit Fünfzig vielleicht ein bisschen schwerer, die müssen sich ein bisschen mehr anstrengen, um ihr Übergewicht loszuwerden als die anderen, denen es wesentlich leichter fällt. Und früher dachte man, „das sind eben die Gene“, aber heute weiß man, dass es zum ganz großen Teil auch unsere Prägungen aus der frühen Kindheit sind.
Wenn die Eltern ihren Kindern nur zuckerhaltige Limonaden zu trinken gegeben haben, dann programmieren sich die Zellen mehr auf Übergewicht und darauf, dass man immer viel Zucker bekommt. Dann will man mit Fünfzig auch lieber mehr Zucker haben, und es fällt einem schwerer, darauf zu verzichten. Und dadurch nimmt man auch weniger ab, weil der ganze Stoffwechsel anders geprägt ist. Aber, wenn man dort dranbleibt, dann kann sich das natürlich auch wieder umkehren.
Und weil Du fragtest, wie es mit den Kindern und Enkeln aussieht. Aus Tierversuchen weiß man, bei allen Tieren, bei denen man es gesucht hat, hat man es gefunden, für Menschen ist es noch nicht wirklich bewiesen, aber es spricht alles dafür, dass Umweltanpassungen auch in die Keimzellen vordringen, in die Spermien, in die Eizellen und dann auch auf diesem Weg an die Kinder weitergegeben werden. Was man zum Beispiel weiß, das ist, dass Männer, die extrem übergewichtig waren, die sich den Magen haben verkleinern lassen, dass sich deren Spermien epigenetisch verändern, wenn sie sehr viel weniger essen als vorher. Die Gene bleiben gleich, aber die Epigenetik der Spermien verändert sich durch die drastische Ernährungsumstellung. Auch, wenn jemand aufhört zu rauchen, dann verändern sich die Spermien.
Mark: Wie lange braucht dieser Effekt? Zum Beispiel weiß ich aus der Bekanntschaft, dass eine Frau aufgehört hat, zu rauchen, weil sie schwanger geworden ist. Sie hat ein halbes Jahr vorher aufgehört. Gibt es schon Erkenntnisse, wie lange so etwas dauert, so dass die Kinder sozusagen keinen Nachteil mehr dadurch haben? Was vielleicht auch für das gesunde Essen gilt. Ich denke, eine Frau, die weiß, dass sie schwanger werden will, wird sich in der Regel auch bewusster ernähren und zum Beispiel eher auf bestimmte Fette achten, die für das Kind wichtig sind.
Peter: Bei den Frauen beziehungsweise bei den werdenden Müttern sagt man tatsächlich, dass die Schwangerschaft selbst wichtig ist, weil dort überträgt sich natürlich alles direkt über die Nabelschnur zum Kind. Der Stress, den die Mutter hat – normaler Stress ist völlig in Ordnung, aber extreme Traumatisierungen, Belastungen, Misshandlungen. Solche Dinge passieren auch, die sollten natürlich vermieden werden. Da weiß man inzwischen aus Studien, dass sie auch die Stressregulation des Kindes verändern. Dies gilt ebenso für extreme Fehlernährung und Überernährung.
Es gibt inzwischen die Empfehlung, wenn junge Paare einen Kinderwunsch haben, dann sollten die Mütter versuchen, starkes Übergewicht zu reduzieren, so dass sie ihre Kinder eher als normalgewichtige Menschen bekommen. Da scheint vor allem diese Zeit im Mutterleib wichtig, für die Frauen.
Früher hat man gedacht, dass die Väter völlig egal sind, aber das ist ganz spannend, es ist nämlich überhaupt nicht so. Immer mehr Indizien sprechen dafür, dass auch über die Spermien solche Informationen weitergegeben werden. Und für die Väter ist dann natürlich die Zeit vor der Zeugung besonders wichtig. Ich sage immer, es sind drei Monate, weil das die Zeit ist, in der die Spermien neu gebildet und in den Nebenhoden aufbewahrt werden. Nach drei Monaten beginnt alles von Neuem. Das ist bei Frauen ein bisschen anders, die Eizellen sind schon viel früher angelegt. Die Männer sollten drei Monate, bevor sie ein Kind zeugen, auf ihre Ernährung achten, sie sollten auf keinen Fall rauchen, sie sollten auch mit Alkoholkonsum zurückhaltend sein, sie sollten sich auch keinem außergewöhnlich extremen Stress aussetzen. Wobei, das muss dann schon wirklich extrem sein, nach Studienlage, man sollte vielleicht nicht unbedingt als Soldat, wenn man aus einem Kriegseinsatz zurückkommt, sofort Kinder zeugen. Das wissen wir alles, das haben unsere Großväter noch so gemacht.
Es wird auch spekuliert, inwiefern das sogar bis in unsere eigene Persönlichkeit hinein noch Folgen hatte. Man sollte das alles jedoch auch nicht zu eng sehen und es nicht übertreiben mit diesen Sachen. Aber das sind Hinweise. Als Mann beginnt meine Verantwortung im Grunde schon, bevor ich das Kind zeuge, und ich muss natürlich die Frau entlasten, während die schwanger ist. Ich sollte gucken, dass sie es in der Zeit guthat. Und dann bin ich natürlich als Vater auch nach der Geburt gefordert, indem ich mich auch mit um das Kind kümmere.
Können wir unsere Fett-Gene ausschalten?
Mark: Nochmal zum Thema „Fettabbau“, ich höre häufiger die Aussage, „ich bin einfach so veranlagt, ich nehme leicht zu“. Und ganz ehrlich, bei mir ist es auch so, wenn ich nicht so sehr auf die Ernährung achte, dann setze ich auch relativ schnell an, das ist überhaupt kein Problem. Jetzt sagtest Du, dass es einige Menschen ein bisschen schwerer haben aufgrund der Genetik einerseits und vielleicht auch der epigenetischen Programmierung in der Kindheit oder von den Eltern andererseits. Das heißt aber nicht, dass sie ihr Ziel nicht erreichen können, sondern es heißt nur, dass sie sich vielleicht ein bisschen mehr Zeit nehmen dürfen. Angenommen, ich habe durch meinen Lebensstil meine Gene so umaktiviert, dass ich schlank bin, dass ich mein Ziel erreicht habe. Wenn ich mich im Spiegel angucke, sage ich, „hey, cool, so will es jetzt halten“. Dann habe ich es doch eigentlich geschafft, oder?
Peter: Ja, wenn man jetzt nicht plötzlich anfängt, wieder total über die Stränge zu schlagen, denn dann geht natürlich die Programmierung wieder in die andere Richtung los. Wir kennen eigentlich diese Phänomene, man kennt diesen sogenannten „Jo-Jo-Effekt“, den kennen wir alle. Man ist zu ungeduldig, man nimmt zu schnell ab, man arbeitet im Grunde gegen die Programme des eigenen Stoffwechsels. Und wenn man dann sein Ziel erreicht hat, dann holt sich der Körper, dann holt sich der Stoffwechsel sozusagen vermehrt zurück, was er braucht. Und hinterher wiegt man im Zweifelsfall sogar mehr als vorher. Dafür ist genau verantwortlich, dass es eben Programme im Körper gibt, die einen Zustand wiederherstellen wollen, auf den sie geeicht sind. Und dieser Zustand ist in dem Fall, übergewichtig zu sein. Also muss ich anders ansetzen. Ich darf es nicht zu radikal angehen, sondern es ist unter Umständen ein mühsamer, langwieriger Prozess, die Zellen so umzuprogrammieren, dass sie wirklich so anders ticken, dass mich mein inneres Bedürfnis, sozusagen, meine innere Biologie auf ein anderes Gewichtsniveau einreguliert. Dass ich, wenn ich mich auf meine Intuition verlasse, gar kein Übergewicht mehr entwickle.
Da muss man sich tatsächlich vorstellen, dass dieses epigenetische Gedächtnis in den Zellen nicht sofort reagiert. Es reagiert zwar sehr schnell, aber wenn ein Reiz nicht immer wiederkehrt, dann geht es auch genauso schnell wieder zurück. Das ist das Gemeine dabei. Und deshalb sage ich immer, wenn jemand abnehmen möchte, dann soll er vielleicht zunächst gar nicht auf die Waage gehen. Das Ziel im ersten Schritt sollte nicht sein, das Gewicht zu reduzieren, sondern sein Leben und seinen Lebensstil zu verändern. Das Ziel, das Gewicht zu reduzieren, kommt dann von ganz alleine, wenn ich mein Leben verändert habe.
Ich will ein Beispiel von mir ganz persönlich nennen. Ich setze mir Ziele, von denen ich weiß, dass ich sie erreichen kann. Die kann ich in mein Leben, in meinen Alltag einbauen, und ich versuche, diese Ziele einzuhalten. Und wenn ich die Ziele richtig gesetzt habe, dann merke ich, dass ich mein Gewicht von ganz alleine in dem Bereich halte, wo ich es gerne habe.
Mein Ziel ist zum Beispiel, 40 Kilometer in der Woche zu joggen, nicht mehr als drei- bis viermal die Woche Alkohol zu trinken und natürlich, nicht zu rauchen sowie die Süßigkeiten zu reduzieren. Da wird es schon wackeliger, aber die ganz konkreten Ziele sind tatsächlich, 40 Kilometer in der Woche zu joggen und nur jeden zweiten Tag Alkohol zu trinken. Und selbst an Tagen, an denen ich Alkohol trinke, ist es natürlich nicht viel, aber das ist ja selbstverständlich. Und das reicht zum Beispiel wunderbar, um mein Gewicht zu halten. Inzwischen gehe ich auch jeden Tag auf die Waage, einfach, um es zu kontrollieren. Aber das mache ich mehr, um ein Feedback zu bekommen, eine Rückmeldung, aber das Ziel ist nicht, jeden Tag weniger zu wiegen als am Tag zuvor.
Und auf diesem Weg gelingt es offensichtlich, über einen Prozess, der im Grunde über Monate und Wochen anhält, die Zellen im richtigen Programm zu behalten. Das weiß man auch aus Studien. Menschen mit Diabetes oder mit Adipositas, mit Fettsucht, die können schnell abnehmen, wenn man ihnen sagt, sie sollen weniger essen und mehr Sport machen. Aber wenn man ein Jahr später nachschaut, dann haben sie alle, bis auf ein Prozent, wieder ihr altes Gewicht, eben weil sie nur auf das Gewicht geguckt und nicht versucht haben, den Lebensstil so zu verändern, dass er in ihren Alltag passt.
Mark: Du hast gerade empfohlen, zuerst auf den Lebensstil zu gucken.
Peter: Genau.
Mark: Jetzt könnte natürlich jemand, der abnehmen will, auch parallel noch auf das Gewicht gucken, jedoch sollte der Fokus auf dem Lebensstil liegen und dieser dann beibehalten werden.
Peter: Genau. Der Punkt ist einfach der, wenn ich nur auf das Gewicht gucke, dann verändere ich dieses Gewicht zu schnell, aber ich verändere keine Dinge, die meinen Stoffwechsel umstellen. Ich arbeite zu radikal, und wenn ich das Ziel erreicht habe, dann kehrt mein alter Lebensstil zurück, und der Körper holt sich sofort wieder, was er braucht, weil mich die Molekularbiologie in den Zellen so programmiert hat.
Ich bin sozusagen ein Opfer meiner eigenen Molekularbiologie, meiner Prägung aus der Vergangenheit. Und um diese Prägung umzuprägen, muss ich eben nicht einfach nur mein Gewicht reduzieren, sondern ich muss mein Leben ändern. Und das ist der entscheidende Punkt. Ich muss mir vorher klarwerden, wo kann ich mein Leben ändern? Es kann schon reichen, wenn ich mir sage, ich gehe jetzt immer zu Fuß zur Arbeit und nehme nicht mehr das Auto. Das reicht vielen Menschen schon.
Wie schnell kannst Du Deine Zellen umprogrammieren?
Mark: Das ist ein gutes Stichwort. Im Gespräch mit meinen Klienten frage ich, wie leicht ihnen eine Veränderung fällt: „Auf einer Skala von eins bis zehn, wie würdest Du den Schwierigkeitsgrad einordnen?“ Wobei „zehn“ bedeutet, dass es super easy ist und „eins“, dass man es wahrscheinlich nicht lange durchhalten kann. Nur, wenn ich eine Neun oder eine Zehn als Antwort bekomme, dann sage ich: „Okay, mach das!“
Die Idee ist ja die gleiche, dass ich kleinere Anpassungen mache und meinen Genen und Zellen die Möglichkeit gebe, nachzujustieren. Und sobald ich das Gefühl habe, jetzt bin ich in meiner Komfortzone, gehe ich den nächsten Schritt.
Peter: Genauso ist es. Darauf ist unsere Biologie ausgerichtet, und jede unserer Zellen ist für sich ein Egoist. Jede Zelle lebt ihr eigenes Leben, ihr ist es völlig egal, wie ich aussehe, die Zelle will nur ihr Programm erfüllen. Diese Zelle muss ich austricksen, und deshalb muss ich gucken, wo kann ich mein Leben so verändern, dass ich es leicht habe? Ich muss mir zuerst die leichtesten Ziele vornehmen und diejenigen, die ich am besten in meinen Alltag integrieren kann, also diejenigen, die ich langfristig durchhalten kann. Und die müssen auch gar nicht so extrem sein, und sie müssen sich eben auch nicht sofort auswirken.
Gerade beim Gewicht ist es so, dass der Körper oft verzögert auf solche Signale reagiert. Ich bin früher Marathons gelaufen, und bei jedem Marathontraining, das man beginnt, merkt man den Effekt auf das Gewicht erst nach drei, vier Wochen. Es dauert, bis der Körper beginnt, sich umzuprogrammieren – das setzt erst drei, vier Wochen später ein. Wenn ich gleich auf die Waage gehe, bin ich vielleicht frustriert und höre nach einer Woche wieder auf. Und diese Zellen, die sind wahnsinnig träge, aber es sind eben keine Gene, es ist kein Schicksal, sondern man kann sie umprogrammieren. Man muss es nur in ganz kleinen Schritten peu-à-peu tun. Und zwar so, dass es einem leichtfällt.
Das ist es auch ein Stückweit, warum ich dieses Buch geschrieben habe. Wenn man diese Prozesse versteht, dann motiviert das unheimlich. Die Motivation ist das Allerwichtigste. Ich muss einfach wissen, dass ich jeden Tag oder dreimal in der Woche etwas für meine Gesundheit tun kann. Und das verändert mich innerlich, und davon habe ich für den Rest meines Lebens etwas, wenn ich es nur lang genug mache. Vielleicht haben sogar meine Kinder und Enkel etwas davon. Das verschafft mir eine unheimliche Motivation.
Können unsere Gedanken die Epigenetik steuern?
Mark: Ich würde gerne nochmal auf einen anderen Aspekt eingehen, auf den mentalen Aspekt. Dazu zähle ich auch das soziale Umfeld. In Deinem Buch „Gesundheit ist kein Zufall“ beschreibst Du, wie uns unser soziales Umfeld, die Menschen, mit denen wir uns umgeben, vielleicht auch der Job, dem wir nachgehen, all diese Dinge, unsere Gene oder unsere Epigenetik beeinflussen. Und genau das spielt gerade im Kontext der Fitness eine Rolle. Ernährung ist ein soziales Event, bei den meisten Feiern gibt es etwas zu essen und häufig auch Alkohol.
Wie ist hier der Zusammenhang mit dem sozialen Umfeld? Und ein zweiter Aspekt, den ich noch mit hineinbringen wollte, ist die mentale Einstellung. Du hast gerade das Thema „Ziele“ angesprochen. Zum Beispiel, wie sehr begeistert mich mein Ziel? Wie motiviert bin ich? Wie gehe ich mit Rückschlägen um? Wie sehr beeinflusst das die Programmierung meiner Zellen?
Peter: Vielleicht antworte ich auf die zweite Frage zuerst. Das geht ein bisschen in die Richtung, dass ich meine Epigenetik über den Geist steuern kann, dass ich sozusagen meinen Zellen sagen kann, wie sie ticken sollen. So einfach ist es natürlich leider nicht.
Man muss es sich so vorstellen, die Zellen arbeiten in einem bestimmten Regelsystem, die Muskelzelle beispielsweise in einem anderen als die Fettzelle, und die Gehirnzelle wieder in einem anderen. Und ich kann natürlich mental über Dinge wie Entspannung oder Motivationstraining, Yoga oder Mediation auf die Systeme im Körper Einfluss nehmen, die davon betroffen sind. Das klingt sehr abstrakt, aber letztlich geht es hier vor allem um das Stressregulationssystem. Das ist auch sehr gut untersucht.
Wir haben das Stressregulationssystem, und wenn ich Entspannungsübungen mache, dann nehme ich direkt darauf Einfluss. Und auf diese Zellen habe ich natürlich auf diesem Weg auch Zugriff, aber nicht auf meine Muskelzellen. Oder wenn, dann nur sehr, sehr indirekt. Und so ähnlich ist es auch mit der ersten Frage, wo es um die soziale Interaktion mit Menschen ging.
Warum sind soziale Kontakte so wichtig? Das hat tatsächlich auch damit zu tun, dass Menschen soziale Wesen sind. Menschen sind von der Evolution dafür gemacht, in Interaktion mit anderen Menschen zu treten, im Kontakt zu sein. Und wir empfinden es als Stress, es wird von unserem Körper als Stress und als seelische Belastung wahrgenommen, wenn wir einsam sind, wenn wir zurückgezogen sind oder wenn Konflikte mit anderen Menschen bestehen. Das ist eine der stärksten Stressoren, also Stressauslöser.
Und auf der umgekehrten Seite ist es tatsächlich so, wenn wir im positiven Kontakt mit anderen Menschen sind, dann werden Hormone ausgeschüttet, Hirnbotenstoffe wie Oxytocin zum Beispiel, das Bindungshormon, was uns entspannen lässt. Das heißt, es gibt kaum etwas, was uns so sehr entspannen lässt wie gute Gespräche mit anderen Menschen und geselliges Beisammensein. Das ist unglaublich entspannend. Und Entspannung ist insofern gut, weil unser Stressregulationssystem dabei heruntergefahren wird.
Stress ist sehr wichtig, er ist lebenswichtig, aber es ist genauso wichtig, dass wir auch immer wieder Stress abbauen. Das Gefährliche ist der Dauerstress, der nie abgebaut wird. Und die soziale Interaktion mit anderen Menschen ist unheimlich gut, um immer wieder Stress abzubauen. Sie ist eine der besten Entspannungstechniken, sozusagen. Und das wiederum wirkt dann in alle Bereiche des Körpers epigenetisch ein, weil das Stressregulationssystem, die Stresshormone, die wirken auf alle unsere Zellen im Körper.
Ein Stresshormon wie Cortisol wird wieder über die Blutbahn in den ganzen Körper ausgeschüttet und verstellt über bestimmte Rezeptoren auch die Epigenetik in allen unseren Zellen. Und ein Mensch, der im Dauerstress lebt, weil er zum Beispiel Kriegsflüchtling ist, traumatisiert ist oder eben nie entspannt, weil er kein Entspannungstraining macht, weil er nicht joggen geht, weil er nicht mit anderen Menschen in positiven sozialen Kontakten ist, man spricht dann von toxischem, von giftigem Stress, der überschwemmt seinen Körper permanent mit Stresshormonen, und die verstellen die Epigenetik in seinen Zellen überall in seinem Körper.
Und der Körper wechselt in eine Art Alarmmodus, und das ist natürlich eine Sache, die uns ganz schnell altern lässt. Der lässt uns massiv altern, und das erhöht natürlich wieder das Risiko für Krankheiten aller Art. Das heißt, im Grunde ist das der gegenläufige Prozess zu diesem positiven Gesundheitsprozess, von dem ich sprach. Der positive Prozess ist die Gesundheit, der negative Prozess ist das Altwerden, sozusagen. Das eine wird durch toxischen Dauerstress begünstigt, das andere wird durch Faktoren wie Ernährung, Sport und soziale Interaktion, sprich Entspannung, begünstigt.
Fragen aus der Dranbleiber Community
Mark: Ich möchte gerne noch auf Fragen eingehen. Und zwar habe ich vor kurzem auf Facebook gefragt, ob es noch Fragen an dich gibt zum Thema „Epigenetik“, aber übrigens auch zum Thema „Schlafforschung“, mit der Du dich ebenfalls intensiv beschäftigt hast. Hier sind ein paar richtig gute Fragen zusammengekommen.
Wie beeinflusst Epigenetik Ernährung?
Hier fragt Susanne:
„Mir wurde vom Internisten gesagt, ich wäre ein guter Futterverwerter, und sollte eine Hungersnot ausbrechen, dann würde ich alle überleben. Es führt auf meine genetische Veranlagung zurück. Das möchte ich als Frau mit Gewichtsproblemen seit der Kindheit natürlich nicht gerne hören und akzeptieren. Muss ich mich tatsächlich mein Leben lang kasteien, um auch nur annähernd mein Ziel zu erreichen und vor allem auch dann halten zu können?“
Gut, das hatten wir bereits angerissen, aber vielleicht kannst Du nochmal kurz etwas dazu sagen?
Peter: Ganz konkret ist es tatsächlich so, dass es das Übergewichtsgen oder die Übergewichtsgene nicht gibt. Es gibt einzelne Genvarianten, die erhöhen das Übergewichtsrisiko, aber die mit dem größten Einfluss tun es gerade mal um zwei Prozent. Und das geht wieder in die Richtung, dass an einem Merkmal wie Übergewicht Tausende Gene zugleich beteiligt sind. Und Susanne hat wahrscheinlich auch ähnlich viele Genvarianten von ihren Eltern geerbt, die ihr Übergewichtsrisiko erhöhen, so, wie sie Genvarianten geerbt hat, die ihr Übergewichtsrisiko senken.
Das heißt, so, wie die meisten Menschen durchschnittlich groß sind, ist sie wahrscheinlich durchschnittlich genetisch veranlagt zu Übergewicht. Vielleicht ein bisschen überdurchschnittlich, aber das ist nicht ihr Problem, sondern ihr Problem ist viel eher, dass sie vielleicht in früher Kindheit in diese Richtung epigenetisch geprägt worden ist, worüber wir bereits sprachen. Und das wiederum kann man natürlich umprogrammieren, weil hier sind epigenetische Strukturen wie Schalter und Dimmer betroffen, und nicht die Gene selbst.
Was der Arzt macht, ist extrem demotivierend, weil er ihr sagt, „das ist dein Schicksal, Du kannst es nicht ändern, vergiss es!“ Wenn man aber sieht, dass es geprägt ist, dann ist es für sie vielleicht ein bisschen schwieriger, das zu ändern, aber sie kann es tun, und das ist natürlich extrem motivierend. Und über die Dinge haben wir in der Tat die ganze Zeit schon gesprochen. Sie muss schauen, wo in ihrem Leben kann sie Dinge verändern, was kann sie tun? Es ist kein unabwendbares Schicksal, dass sie übergewichtig ist, aber sie muss vielleicht dann ein bisschen etwas investieren. Aber die Motivation sollte da sein.
Und das vielleicht noch dazu, wenn sie es dann geschafft und diese Lebensumstellung verinnerlicht hat, dann bleibt das so, dann wird sie eben, bis sie alt ist, nicht mehr dieses erhöhte Übergewichtsrisiko haben, wenn sie nicht in die alten Verhaltensmuster zurückfällt.
Lässt sich die richtige Ernährung an den Genen ablesen?
Mark: Dann fragt Michaela:
„Wie siehst Du den Gentest von ‚Metacheck‘ in Bezug auf die vier unterschiedlichen Typen von Menschen?“
Sie beschreibt, dass sich der Alpha Typ am besten hauptsächlich von Eiweiß ernähren soll, während der Delta Typ am besten Kohlenhydrate verwenden kann und von zu viel Eiweiß eher ansetzt. Ich höre das gerade zum ersten Mal, aber vielleicht kannst Du etwas dazu sagen?
Peter: Dieses konkrete Beispiel kenne ich auch nicht. Ganz allgemein gibt es natürlich Gentests, genetische Untersuchungen, die tatsächlich schauen, welche Genvarianten ein Mensch geerbt hat und daraus Rückschlüsse ziehen kann, in welche Richtung dieser Mensch aufgrund seines Stoffwechsels veranlagt ist. Aber es geht hier immer nur um minimale Tendenzen, und das ist überhaupt noch nicht gut genug untersucht.
Ich habe es eben beim Beispiel Übergewicht schon angesprochen, selbst bei so einem extrem breit angelegten Merkmal wie dem Risiko für Übergewicht hat man es noch nicht wirklich im Griff. Das liegt auch daran, dass wir hier über Dinge reden, die man mit einzelnen Genvarianten einfach nicht erklären kann, weil sie viel zu komplex dafür sind.
Viel wichtiger ist in dem Fall auch wieder die Prägung, der Lebensstil, seit der Kindheit, vielleicht auch der Lebensstil der Eltern und der Großeltern, und das kann man nicht mit Gentests messen.
Mit Gentests wird nur der Gentext gelesen, es werden jedoch nicht die epigenetischen Schalter und Dimmer gelesen. Das wird man vielleicht in zwei, drei Jahrzehnten können, da wird es solche Tests womöglich tatsächlich geben, die auch die Epigenetik mit einbeziehen, und die einem konkret sagen können, was man bevorzugt essen soll.
Ich glaube, es stimmt in der Tat, dass nicht für jeden Menschen die gleiche Art von Ernährung gleich gut ist. Das ist inzwischen sehr gut untersucht, aber der Gentest ist nicht das richtige Mittel, um dafür heute Menschen bereits konkrete Ratschläge zu geben. Davon würde ich abraten, das ist rausgeschmissenes Geld.
Ich würde lieber selbst versuchen, das auszuprobieren, wie reagiere ich denn selbst, ich als Individuum, auf diese oder jene Ernährung? Und da würde ich versuchen, ganz offen und ehrlich mit mir zu sein, weil da bin ich wesentlich näher daran, ein vernünftiges Resultat zu finden.
Welche Rolle spielen Telomere im Alterungsprozess?
Mark: Dann bringt Daniela noch den Begriff „Telomere“ mit ins Spiel. Vielleicht kannst Du zuvor noch erklären, was das ist.
„Wie sehr kann ich die ‚Schändung‘ meiner Telomere zurückdrehen? Dr. Strunz behauptet dies ja im Buch ‚Forever Young‘. Aber ist dieser Grad überhaupt messbar? Zum Beispiel zehn Jahre schlechter Lebensstil durch ein Jahr Wellness ausgleichen?“
Peter: Ja, die Telomere, die waren sehr in Mode, so ungefähr vor zehn Jahren, als sie erforscht worden sind und man dachte, man hätte eine Art Altersuhr gefunden. Telomere sind eine Art Schutzkappen, sie sitzen an den Enden unserer Chromosomen, und wenn sich Zellen in unserem Körper teilen, das betrifft natürlich vor allem die Stammzellen, aus denen sich unser Körper immer wieder erneuert, wenn sich diese Zellen teilen, dann wird von diesen Telomeren immer ein Stück abgeschnitten, bei jeder Zellteilung. Und diese Stammzellen haben ein Enzym, das heißt Telomerase, das kann diese Telomere wieder anbauen und verlängern. Und je mehr Stress ich habe und je ungesünder ich lebe, desto schlechter funktioniert dieses Telomerase-Enzym.
Das heißt, Menschen, die extrem viel Stress haben, deren Telomere in den Stammzellen verkürzen sich viel schneller. Und das kann man ganz grob, Pi mal Daumen auch abschätzen, was das heißt bezogen auf ihre Lebenserwartung. Aber ganz viele Studien zeigen, dass das oft gar nicht so genau funktioniert, und dass es nicht die gute Lebensuhr ist, mit der man das Altern eines Menschen sehr gut bestimmen kann. Letztlich geht es hier darum, wie bestimme ich das biologische Alter? Nicht das tatsächliche Alter, sondern das biologische Alter eines Menschen, und kann ich das vielleicht auch wieder zurückdrehen?
Was hier mit „Schändung“ gemeint ist, denke ich, das ist einfach ein ungesunder Lebensstil, viel geraucht, viel gesoffen, keine Ahnung, keinen Sport gemacht, nur Chips gegessen und vor dem Fernseher gesessen. Oder, was wissenschaftlich sehr gut untersucht ist, extremer Dauerstress, Traumatisierungen, das verkürzt die Telomere, und die Hoffnung ist jetzt, durch einen gesunden Lebensstil diese Telomere wieder zu verlängern. Das funktioniert allerdings nicht. Aber das heißt noch lange nicht, dass man das biologische Alter nicht doch stark verzögern kann, also wieder etwas Positives auf das Konto setzen kann.
Hier ist tatsächlich die neueste Erkenntnis, dass die Telomere da eher ein schlechtes Werkzeug zur Messung des biologischen Alters sind und dass dies viel besser tatsächlich epigenetische Markierungen an den Zellen können. Es gibt da die so genannte Horvath’sche Uhr, benannt nach dem Forscher Steve Horvath, der tatsächlich über das Messen der epigenetischen Markierungen in den Zellen ganz genau, bis auf drei Jahre genau, das biologische Alter von Menschen messen kann. Er hat das erst vor drei, vier Jahren herausgefunden, und das scheint sehr, sehr viel genauer zu sein als die Telomere. Daran wird im Moment ganz viel geforscht, wie man diese Horvath’sche Uhr beeinflussen kann.
Es gibt zum Beispiel Studien, die zeigen, dass der Dauerstress, den ich habe, in die negative Richtung geht. Und Stress heißt in dem Fall auch Giftkonsum, also Nikotinkonsum zum Beispiel, das ist für den Körper und für die Zellen einfach auch Stress. All diese Sachen machen uns schneller alt, aber es gibt auch Hinweise darauf, dass ich diese Effekte umkehren kann, wenn ich versuche, besonders gesund zu leben. Das ist ein extrem spannendes Forschungsgebiet, das wesentlich aussagekräftiger ist als die Telomerforschung.
Mark: Das heißt, wenn jemand einige Jahre lang, ich sage mal, seinen Alterungsprozess beschleunigt hat, durch rauchen, saufen, Party machen, wenig Schlaf, was auch immer, dann ist es schon möglich, sozusagen wieder rückwärts zu altern durch einen veränderten Lebensstil? Es lässt sich sozusagen nicht unbedingt an den Telomeren ablesen.
Peter: Genau. Wobei „rückwärts altern“, das muss erst noch bewiesen werden.
Mark: (Lacht)
Peter: Aber man kann natürlich das Altern extrem verzögern. Wirklich rückwärts altern, das geht noch nicht, das kann man tatsächlich nur mit Gentechnik. Man kann Zellen nehmen, Hautzellen zum Beispiel, und epigenetisch zu Stammzellen zurückprogrammieren, aber da muss man tatsächlich auch tricksen und von außen eingreifen.
Wie seriös ist die Blutgruppendiät?
Mark: Hier ist noch eine spannende Frage. Susi fragt:
„Ich würde gerne wissen, was hältst Du denn davon, sein Essen auf die Blutgruppe auszurichten?“
Da gibt es ja die sogenannte „Blutgruppendiät“.
Peter: Davon halte ich gar nichts. Das ist wissenschaftlich absolut nicht belegt, und es macht auch keinen Sinn. Auch mit ein bisschen biologischem Grundverständnis sieht man nicht, wo der Grund sein soll, wieso eine Blutgruppe etwas damit zu tun hat, wie man sich ernähren soll. Also auch hier wieder: mehr der Intuition trauen. Das ist in meinen Augen Geldmacherei.
Ist ein Sixpack Veranlagung?
Mark: Martin fragt:
„Wie stark ist die Sichtbarkeit beziehungsweise das deutliche Hervortreten der Bauchmuskeln, also des Sixpacks, von der Genetik abhängig? Bei einem ist das Sixpack schon bei zwölf Prozent Körperfettanteil sichtbar, bei dem anderen ist es selbst bei acht Prozent schwer zu sehen. Irgendwann ist doch auch das letzte Bauchfett weg, so dass das Sixpack sichtbar sein müsste. Oder? Gibt es Personen, die nahezu unmöglich sichtbare Bauchmuskeln bekommen können?“
Peter: Auf dem Gebiet kenne ich mich nicht hundertprozentig aus, aber es ist im Grunde wie das, worüber wir heute schon viel gesprochen haben, dass eben auch ein solches Merkmal natürlich ein komplexes Merkmal ist. Ich sage mal, darauf hat natürlich Einfluss, wie ich Testosteron verarbeite, und wie reagiert meine Muskulatur auf Trainingsreize? Wie viel Unterhautfettgewebe habe ich? Wo wird Fett bei mir im Körper abgelagert und an welchen Stellen? Das sind so viele Faktoren, die das beeinflussen, dass es sicher keine einfache Antwort auf diese Frage gibt.
Es gibt eben nicht das Sixpack-Gen. Und wenn ich das richtige geerbt habe, dann muss ich nichts für mein Sixpack tun. Und wenn ich das falsche geerbt habe, dann kann ich noch so viel trainieren, ich bekomme es trotzdem nicht. Sondern die Wahrheit liegt sicherlich woanders. Es gibt natürlich gewisse genetische Voraussetzungen, die vielleicht meine Chancen, ein gutes, schönes Sixpack zu haben, minimal erhöhen oder senken, aber das ist nicht alles. Sondern es ist eben wieder die frühkindliche Phase, die wichtig ist, es sind die Erfahrungen von Eltern und Großeltern, die da vielleicht eine Rolle spielen.
Und ich würde sagen, grundsätzlich müsste es eigentlich jedem möglich sein, so ein schönes Sixpack zu entwickeln, aber dem einen fällt es vielleicht leichter als dem anderen. Und es ist immer eine Frage der Motivation und der Konsequenz, und das sind dann die Fragen, mit denen Du dich als Coach tagtäglich beschäftigst. Und wenn man es auf die Gene schiebt, ist es meist nur eine Ausrede, das muss man ganz ehrlich sagen.
Mark: Meine Erfahrung ist, jeder Mensch ist ein bisschen anders veranlagt, wenn es darum geht, wo das Fett als erstes eingelagert oder eben als letztes abgebaut wird.
Ich habe mal durch einen sogenannten DEXA-Scan nachmessen lassen, wo sich das Fett bei mir am hartnäckigsten hält, und zwar ist das bei mir am unteren Rücken. Was eigentlich ganz gut ist, denn dort sieht man es nicht so sehr. Bei mir kommen die Bauchmuskeln ein bisschen früher zum Vorschein, und ich habe dann an den Beinen noch ein bisschen mehr. Bei anderen ist das anders, aber das bestimmt eigentlich nur die Reihenfolge beim Abnehmen.
Das ist meiner Erfahrung nach etwas, was man akzeptieren sollte. Mir ist bisher keine Methode bekannt, um diese Reihenfolge zu verändern, also, in welcher Reihenfolge ich wo zuerst abnehme. Ich weiß nicht, ob dir etwas Anderes bekannt ist?
Peter: Nein, aber an diesem Punkt muss man schon sagen, das sind letztlich morphologische Merkmale, wie Menschen äußerlich aussehen. Und da spielen die Gene natürlich schon eine ganz, ganz große Rolle.
Man kann sich zum Beispiel eineiige Zwillinge anschauen, die sind genetisch nahezu identisch. Und da sieht man, sie sehen sich äußerlich meist sehr, sehr ähnlich, sie sind auch oft sehr ähnlich dick. Aber wo sie sich sehr unterscheiden, das ist in ihrer Persönlichkeit, in der Art, wie sie mit Stress umgehen, natürlich auch in der Art, wie sie motiviert sind, zu trainieren. Und dann kriegt der eine ein Sixpack, und der andere nicht.
Das sind Faktoren, die man beeinflussen kann, aber das äußere Gesamtbild, das ist teilweise schon genetisch festgelegt. Und wenn ich nun mal die Gene habe, die mir sagen, dass Fett immer zuerst am Bauch angelagert wird, dann ist es natürlich sehr, sehr schwierig.
Schlafdauer und Einschlafzeitpunkt
Mark: Es sind einige interessante Fragen zum Thema „Schlaf“ gekommen, auf das ich ohnehin nochmal eingehen wollte, insofern passt das jetzt gut. Sina fragt:
„Wie finde ich die für mich perfekte Schlafdauer? Ich bin zum Beispiel oft nach fünf Stunden Schlaf fitter als nach acht Stunden, aber auf Dauer reichen mir fünf Stunden eben auch nicht. Welchen Einfluss hat auch die Uhrzeit des Zubettgehens darauf?“
Peter: Die perfekte Schlafdauer ist im Grunde die, wenn man ganz erholt aufwacht, ohne dass einen der Wecker weckt, denn dann ist man für den Moment ausgeschlafen. Nur ist es so, dass Schlaf nicht nur von der Schlafdauer bestimmt wird. Unser Schlafbedürfnis ist nicht nur von der Schlafdauer abhängig, sondern auch von der Uhrzeit, zu der wir schlafen möchten. Das klingt auch in der Frage an nach dem Zeitpunkt, wann man zubettgeht.
Es ist tatsächlich so, wenn man nach fünf Stunden aufwacht, dass man unter Umständen, je nachdem, wann man zubettgegangen ist, zu einem günstigeren Zeitpunkt aufwacht, zu dem der ganze Kreislauf des Körpers im Grunde schon eher auf Wachsein eingestellt ist, als wenn man noch drei Stunden weiterschläft, sozusagen über das erste Tageshoch hinaus und wieder in eine Art Tief hineingeschlafen hat.
Dann heißt das aber nicht, dass man zu viel geschlafen hat, sondern das heißt zunächst erstmal, dass es für den Körper wichtig war, noch drei Stunden Schlaf zu bekommen. Und dann muss man sich fragen, ob es vielleicht sinnvoller ist, früher zubettzugehen, und dass man diese drei Stunden, die man mehr Schlaf benötigt, so bekommt, dass man zu einem früheren Zeitpunkt schlafen geht, wo es besser in den Tag passt, in den biologischen Ablauf des Tages, so dass man dann von sich aus wach wird.
Das ist auch wieder individuell sehr verschieden, und jeder muss für sich das Richtige herausbekommen.
Grundsätzlich ist es so, dass wir in unserer Gesellschaft fast alle eher zu wenig schlafen. Wir bauen einen chronischen Schlafmangel auf, für den wir kein Sinnesorgan haben.
Wir haben nur ein Sinnesorgan für den akuten Schlafmangel, denn wenn ich die ganze Nacht durchgemacht habe, dann merke ich das natürlich. Aber ich merke es nicht, wenn ich jede Nacht nur eine oder zwei Stunden zu wenig schlafe, denn daran kann ich mich gewöhnen. Und das führt dazu, dass viele Menschen notorisch zu wenig schlafen.
Das macht sie reizbar, das macht sie anfällig für Krankheiten, es macht sie übrigens auch eher dick, denn es erhöht das Risiko, Übergewicht zu bekommen.
Ganz vielen Menschen, die sagen, sie nehmen nicht ab, könnte man zunächst raten, mehr zu schlafen, denn dann purzeln die Pfunde möglicherweise von ganz alleine. Das hat man sehr oft.
Insofern würde ich in diesem konkreten Fall sagen: überprüfen, abends früher ins Bett zu gehen. Das Zeichen, dass man nach acht Stunden Schlaf immer noch gerädert aufwacht ist eher ein Indiz dafür, dass man insgesamt zu wenig Schlaf hat.
Das heißt, der Körper würde gerne noch zwei, drei Stunden länger schlafen, um ein Schlafdefizit auszugleichen, kann es aber nicht, weil die innere Uhr einen bereits weckt. Das heißt, ich muss einen Weg finden, mehr zu schlafen, ohne dass ich morgens zu lange schlafe, indem ich abends früher ins Bett gehe. Das wäre jetzt in diesem konkreten Fall ein Tipp.
Vielleicht noch eine Sache, nur als Ergänzung.
Die individuelle Schlafdauer, die für einen Menschen gut ist, die kann auch wieder sehr verschieden sein. Alles zwischen fünf und zehn Stunden gilt als normal. Die allermeisten Menschen brauchen um die acht Stunden Schlaf. Zwischen sieben und neun Stunden Schlaf brauchen zwei Drittel bis fast drei Viertel der Menschen.
Die meisten schlafen jedoch weniger. Die, die neun Stunden Schlaf brauchen, die schaffen vielleicht acht, und die, die acht Stunden Schlaf brauchen, schaffen vielleicht sieben jede Nacht. Und das ist eigentlich verkehrt, und deshalb sollten wir wirklich alle versuchen, wieder mehr zu schlafen.
Wir sollten es einfach mal ausprobieren, im Urlaub zum Beispiel. Wenn man im Urlaub sehr viel länger schläft als im Alltag, dann zeigt das einfach, dass man im Alltag zu wenig schläft. Dann sollte man gucken, dass man auch im Alltag so viel Schlaf bekommt wie sonst im Urlaub.
Und plötzlich wird man auch merken, dass man in der Tat besser drauf ist und weniger wiegt.
Mark: Viele stellen fest, dass sie in Urlaub fahren, dort entspannt haben, ausgeschlafen haben ohne Wecker und so weiter, sie kommen zurück, steigen auf die Waage und merken, „huch, ich habe ein, zwei Kilo abgenommen! Dabei habe ich gar nicht so sehr darauf geachtet, was ich esse.“ Vermutlich ist das ein Grund, dass sie mehr entspannt haben und natürlich weniger Stress hatten. Und vielleicht haben sie einfach genug geschlafen.
Peter: Genau. Tagsüber waren sie vielleicht auch mehr draußen, haben mehr Tageslicht bekommen, haben dadurch auch tiefer geschlafen, haben sich natürlich auch intuitiv mehr bewegt. Ich glaube, das unterschätzen wir auch immer. Im Urlaub sitze ich eben nicht den ganzen Tag am Schreibtisch, auch das macht natürlich unheimlich viel aus.
Was hilft bei Schichtarbeit?
Mark: Olivia stellt eine Frage, bei der mich deine Antwort auch brennend interessiert. Es geht um Schichtarbeit. Die Frage höre ich häufiger. Sie fragt:
„Ist es möglich, genauso effizient seine Ziele zu erreichen“, also im Zusammenhang mit abnehmen oder mit dem Muskelaufbau, „wenn man im Drei-Schicht-System arbeitet, wie jemand, der keine Schicht arbeitet?“
Peter: Da sage ich ganz klar „nein“. Drei-Schicht-System heißt wahrscheinlich rotierende Wechselschichten in dem klassischen Drei-Schicht-System. Das ist eine absolut unnatürliche Art, zu leben. Sie erhöht statistisch gesehen das Risiko für jede Krankheit, die man sich vorstellen kann. Sie senkt auf Dauer die Lebenserwartung.
Das ist natürlich alles nur statistisch gesehen, ich möchte niemandem Angst machen. Aber es zeigt, dass es eigentlich eine zutiefst unnatürliche Art ist, zu leben. Und man darf sich nicht der Illusion hingeben, dass man irgendeinen Weg finden würde, wie man eine solche unnatürliche Lebensweise gleichzeitig verbinden kann, ohne, dass sie irgendwelche Effekte hat. Das geht im Grunde nicht.
Nun sind wir Menschen natürlich biologische Wesen und anpassungsfähig. Und wenn wir das nicht wären, dann wären wir schon längst ausgestorben. Wir können uns sehr wohl an viele, teilweise vielleicht auch belastende Umweltsituationen anpassen. Wir müssen uns aber klarmachen, dass, wenn wir auf der einen Seite eine extrem belastende Lebensform leben oder leben müssen – niemand will freiwillig Schichtarbeit machen –, also leben müssen, dass wir dann auf der anderen Seite irgendwo anders mehr investieren müssen, um das auszugleichen.
Und das heißt, wenn man Pausen hat, zwischen den Wechselschichten, dass man versuchen muss, sein Schlafkontingent wieder aufzufüllen, denn während der wechselnden Schichten schläft jeder weniger, das geht gar nicht anders. Man muss einen Weg finden, um sein Schlafkonto möglichst stabil zu halten. Zum Beispiel, indem man einen Mittagsschlaf macht, dass man tagsüber Powernapping macht, das geht alles. Da muss man einfach schauen, was das individuell Richtige ist.
Man muss vielleicht auch ein bisschen mehr trainieren als andere, aber man darf es auch nicht übertreiben, denn wenn der Schlaf auf der Strecke bleibt, dann ist es wieder kontraproduktiv. Ich denke, man muss sich vor allem bewusstmachen, dass es eben eine Situation ist, eine Lebensweise, gegen die man aktiv etwas tun muss.
Auch hier gilt wieder, jemand, der in Wechselschichten arbeitet, der muss ganz besonders darauf achten, dass er ausreichend schläft, dass er sich viel bewegt und gesund ernährt, weil er im Bereich Arbeit schon so viel Raubbau mit seiner Gesundheit betreibt. Leider gibt es da keine einfachen Rezepte.
Ich habe politische Forderungen. In meinem Buch „Wake up!“ geht es unter anderem um den Aufbruch in eine ausgeschlafene Gesellschaft, und da habe ich auch ein Kapitel über Schichtarbeit geschrieben, wo ich ganz konkrete politische Forderungen gestellt habe, weil ich denke, das ist ein Problem, was die Schichtarbeiter nicht alleine ausbaden können, sondern hier ist die Gesellschaft gefragt.
Das heißt, jemand, der in wechselnden Schichten arbeitet, der auch nachts arbeitet, der sollte nicht mehr als 30 Wochenstunden arbeiten, bei vollem Lohnausgleich. Dann wären schon viele der Probleme gelöst, denn dann würden die Menschen das gleiche Geld verdienen, aber sie hätten sehr viel mehr Freizeit und Pausen, um diese Zeit zu nutzen, um die negativen Effekte zu kompensieren, um sowohl mehr zu schlafen als auch mehr Sport zu machen.
Wann ist die Einnahme von Melatonin sinnvoll?
Mark: Dazu passt gut die Frage von Carmen:
„Was hältst Du davon, Melatonin zu supplementieren, also das Schlafhormon, um besser und erholsamer zu schlafen?“
Und außerdem:
„Was hältst Du von Bluelight-Blocker-Brillen, um abends müde zu werden und dadurch früher und erholsamer zu schlafen?“
Das Thema „Melatonin“ wird manchmal auch im Kontext von Jetlag empfohlen, um seine innere Uhr sozusagen schneller neu zu eichen. Wäre das auch eine Möglichkeit, die Schichtarbeiter als Notlösung nutzen zu können?
Peter: Mit Melatonin muss man sehr vorsichtig sein. Zunächst erstmal, Melatonin ist kein Schlafhormon. Melatonin ist auch kein Schlafmittel, sondern es ist ein Hormon, das dem Körper, der inneren Uhr des Körpers sagt, dass er in den Nachtmodus umzustellen hat. Es ist ein Nachthormon, aber kein Schlafhormon.
Das heißt, das Melatonin an sich macht uns auch gar nicht müde, sondern es sagt unserem Körper, „jetzt ist es Nacht“. Wenn man damit anfängt, Melatonin zur falschen Zeit zu geben, dann kann man damit ganz, ganz viel Unfug anrichten.
Wenn ich einen Mittagsschlaf machen möchte und vorher eine Melatoninpille nehme, weil ich meine, ich würde dann besser schlafen, dann bringe ich meine inneren Uhren vollkommen aus dem Rhythmus. Und das ist ganz gefährlich, das sollte man auf keinen Fall tun.
Melatonin kann man nehmen, wenn man zum Beispiel seine inneren Rhythmen schneller an eine neue Zeitzone anpassen will, beim Jetlag, Du hast gerade davon gesprochen, Mark. Dann nehme ich es aber immer ein, zwei Stunden vor dem Schlafengehen, denn dann lernt meine innere Uhr schneller als ohne das Melatonin, dass es Zeit ist, in den Nachtmodus umzustellen. Und dann fällt mir irgendwann auch das Einschlafen leichter zu diesem Zeitpunkt.
Das ist übrigens die gleiche Wirkung, die ich erreiche, wenn ich morgens ans Tageslicht gehe. Das empfehle ich sogar eher, nehmt nicht abends das Melatonin, sondern geht morgens früh raus ans Tageslicht, das wirkt noch viel, viel besser als ein so genannter „Zeitgeber“ für die inneren Uhr. Das ist noch viel besser als das Melatonin.
Schichtarbeiter haben eigentlich ein anderes Problem. Die wollen ihren Rhythmus gar nicht immer umstellen, sondern sie wollen eigentlich weiterarbeiten. Sie müssen auch nachts arbeiten, aber möglichst, ohne ihren Rhythmus dabei umzustellen, denn dann könnten sie ihren sozialen Verpflichtungen gar nicht mehr nachkommen.
Und das ganze System ist auch zu träge, um einem Schichtarbeiter immer mit Melatonin helfen zu können. Davon wird auf jeden Fall abgeraten. Da helfen schon eher Lichtduschen, gezielte Lichtduschen. Dass man sich zum Beispiel nachts, wenn man sich für die Nachtarbeit länger wachhält, wenn man sich ganz gezielt hellem, kalt-weißem, manche sagen auch „blauem“ Licht aussetzt, also einem Licht mit einem hohen Blaulichtanteil, dann hält einen das länger wach.
Das verstellt auch die innere Uhr. Und das ist im Zweifel für Menschen, die nachts arbeiten, die Schichtarbeit machen, sinnvoller, als Melatoninpillen einzuschmeißen. Davon würde ich auf jeden Fall abraten. Melatonin kann Menschen helfen, die Probleme haben, einen konstanten Rhythmus beizubehalten. Blinde Menschen haben zum Beispiel oft dieses Problem, weil sie keinen Zugang zu Tageslicht haben. Denen helfen Melatonintabletten, die sie immer abends, zum Beispiel um 22:00 Uhr, nehmen. Die sagen dem Körper dann, dass es Zeit ist, in den Nachtmodus umzustellen.
Was ich eben beim Licht ansprach, mit diesem hellen, kalten, blauen Licht, darauf zielt die andere Frage ab nach diesen Brillen, die das blaue Licht herausfiltern.
Das ist eine ganz spannende Angelegenheit, denn man weiß inzwischen, dass es Rezeptoren in der Netzhaut des Auges gibt, die ganz gezielt auf dieses helle, kalt-weiße Licht ansprechen, weil das auch von der Sonne, vom Tageslicht besonders intensiv abgestrahlt wird. Und nach diesem stellt sich die innere Uhr noch viel besser ein als nach dem Melatonin. Man kann also sagen, Melatonin ist das Nachtsignal, und Tageslicht ist das Tagessignal. Und was wir in unserer modernen Lebensweise haben, das ist ein Riesenproblem, wir haben abends sehr viel Kunstlicht.
Wir haben natürlich die normalen Beleuchtungen, aber wir haben jetzt auch vermehrt in der neuen Zeit die Smartphone-Monitore, die Laptop-Monitore, und die senden über diese LED-Lampen besonders viel von diesem kalt-weißen Licht aus. Und ich kann gezielt versuchen, das aus meiner Umgebung herauszufiltern.
Monitore kann ich abdimmen, es gibt inzwischen sogar Apps und Programme, die das tun, und dann brauchen wir diese Brillen nicht. Aber wenn man zum Beispiel abends rausgehen will, gleichzeitig aber abends früher müde werden möchte, gerade jetzt im Sommer, wenn es abends lange hell ist, das verzögert natürlich das Müdewerden. Und da kann man tatsächlich diese Brillen aufsetzen. Es ist meines Wissens noch nicht belegt, dass sie einen Effekt haben, aber es würde sehr, sehr viel Sinn machen.
Wo fängst Du an, wenn Du Deinen Körperbau verbessern willst?
Mark: Peter, wir haben jetzt ganz viel Details besprochen, diese spannenden Themen, über Epigenetik, über Schlaf, über Gesundheit, zum Teil auch das angerissen, was in Deinem neuen Buch erwähnt ist. Hast Du vielleicht nochmal zusammenfassend einen konkreten Tipp, wenn jetzt jemand gerade am Anfang des Weges steht und sich selbst sagt, dass er nackt gut aussehen will, er will seinen Körper verändern, was würdest Du ihm mit auf den Weg geben?
Peter: Zu allererst vertrauen, dass Veränderung möglich ist. Das ist das ganz Entscheidende. Wir sind genetisch nicht auf irgendein Schicksal geprägt, also auf ein vorgegebenes Schicksal, sondern wir sind vielleicht höchstens in die eine oder andere Richtung geprägt, und das können wir auch wieder umprägen.
Veränderung ist also möglich, aber sie ist nicht so leicht, wie wir uns das vorstellen, man muss schon etwas investieren. Man muss Prioritäten setzen. Ich kann mein Leben nicht in groben Zügen beibehalten und weiter alles genießen, aber gleichzeitig trotzdem völlig anders aussehen. Das geht nicht. Ich muss etwas investieren, ich muss etwas tun, ich muss daran arbeiten, und da muss ich mich fragen, welche Art von Arbeit das sein kann.
Ich würde Gesundheit in diesem Sinne auch wirklich als „Arbeit“ bezeichnen, als Arbeit an mir selbst. Welche macht mir denn Spaß, und welche macht mir keinen Spaß? Und dann soll ich mir das herauspicken, was mir Spaß macht. Da gibt es sicherlich genug, und das, was mir keinen Spaß macht, das muss ich auch nicht machen.
Mark: Was bringt dir denn Spaß, wie hältst Du dich fit?
Peter: Mein Sport ist Hockey, Feldhockey. Das habe ich von klein an gespielt, zeitweise auch auf Leistungsniveau. Insofern, für mich sind Sport und Bewegung unheimlich wichtig. Ich habe von klein an Sport gemacht, und heute mache ich das vor allem, indem ich laufe, weil ich einfach meinem Bewegungsdrang nachgehen muss, laufen, laufen, laufen! Und noch lieber spiele ich in der Tat in einer Freizeithockeymannschaft, im Seniorenbereich, für Über-Fünfzigjährige Hockey, und das macht großen Spaß. Das mache ich einmal die Woche.
Wie definierst Du Erfolg?
Mark: Wie würdest Du für dich „Erfolg“ definieren? Vielleicht gibt es auch ein, zwei Erfolge aus deiner Vergangenheit, auf die Du stolz bist? Vielleicht magst Du die mit uns teilen?
Peter: Erfolg definiere ich wahrscheinlich wie alle. Erfolg ist zunächst einfach, glücklich zu sein, denke ich. Das geht weniger über das Gehaltskonto als tatsächlich darüber, dass ich abends gut einschlafen kann. Das ist, glaube ich, ein ganz guter Gradmesser, und auch, dass ich noch Pläne habe.
Was sind für mich Erfolge gewesen? Ein Erfolg war ohne Frage damals das Buch „Der zweite Code“, das auch tatsächlich auf den Bestsellerlisten war, und das das erste Buch weltweit zur Epigenetik war. Seitdem bin ich bekannt, und das war ein großer beruflicher Erfolg.
Neue große berufliche Erfolge sind, dass meine Vorträge sehr gut besucht sind, dass in Freiburg neulich 500 Leute den Saal gestürmt haben. Also, dass die Säle voll sind und sich die Leute von mir erklären lassen wollen, was Epigenetik ist. Das tut gut, und es lässt einen abends auch besser einschlafen, wenn man etwas erlebt hat.
Und der dritte Punkt, der mir sehr, sehr wichtig ist und den ich immer sofort als Erfolg sehen würde, das ist, dass es mir immer gelungen ist, meine Familie und den Beruf in Einklang zu bringen. Als Freiberufler habe ich meine Kinder mit großgezogen, ich habe mir diese Arbeiten mit meiner Frau immer geteilt. Und ich kümmere mich auch um den Haushalt, ich kümmere mich auch um die Kinder. Die sind inzwischen groß. Und das ist auch ein ganz, ganz großer Erfolg gewesen, dass ich diese Chance hatte, meine Kinder mit zu prägen, sozusagen.
Da wären wir auch wieder bei dem Buch, „Gesundheit ist kein Zufall“, das ist eben auch wichtig, Einfluss zu nehmen auf die folgenden Generationen. Das rechne ich mir als ganz großen Erfolg an.
Vorbilder?
Mark: Hast Du Vorbilder?
Peter: Ja, es gibt auf jeden Fall im Bereich der Wissenschaftsautoren Vorbilder, aber überwiegend aus dem englischsprachigen Raum, weil das im deutschen Raum nicht so verbreitet ist. Im Grunde bin ich mit dem Wissenschaftsjournalismus dieser Art fast selber groß geworden. Als ich noch Biologie studiert habe, gab es kaum Wissenschaftsjournalisten, so wie ich es heute mache. Deshalb ist es da ein bisschen schwierig, Vorbilder zu haben.
Mark: Und wer wäre das im englischsprachigen Raum?
Peter: Siddhartha Mukherjee schreibt einfach ganz toll und hat eine sehr angenehme Art, die Sachen zusammenzubringen. Er hat gerade ein neues Buch herausgebracht, was ich sehr empfehlen kann, „Das Gen: Eine sehr persönliche Geschichte„. Ich habe es auf Englisch gelesen, schon vor einem halben Jahr.
Ich würde gar nicht so sehr konkrete Namen nennen, ich würde in dem Fall tatsächlich sagen, es ist die Art, wie amerikanische Wissenschaftler immer versuchen, ihre Inhalte populär rüberzubringen. Wir haben vorhin über Telomere gesprochen, Elizabeth Blackburn, die hat auch gerade ein spannendes Buch herausgebracht über Telomere, was mir jedoch zu sehr Ratgeberliteratur ist, muss ich ehrlich sagen. Und sie versucht, alles auf Telomere zurückzuführen, darüber sprachen wir aber schon. Aber wenn man einen Vortrag von Elizabeth Blackburn gehört hat, wie sie ihre Begeisterung für die Wissenschaft an die Menschen rüberbringt, und die Frau ist Nobelpreisträgerin, das ist einfach toll.
Das findet man im deutschen Bereich weniger. Deutsche Autoren, die ich ein bisschen bewundere, das sind Leute wie Joachim Bauer oder Gerald Hüther, die tatsächlich diesen Schritt wagen in die Öffentlichkeit, die populäre Bücher schreiben, die Menschen für ihre Themen begeistern und dafür teilweise von ihren Kollegen ein bisschen schräg angeguckt werden. Das finde ich auch sehr bewundernswert.
Was glaubst Du?
Mark: Gibt es etwas, das Du glaubst, was nur wenige Menschen glauben?
Peter: Ja. Ich sage mal so, ich glaube an Gott, und zumindest im Bereich der Wissenschaften tun das, glaube ich, sehr wenige Menschen. Wobei ich natürlich nicht an Gott glaube, wie man ihn sich vielleicht so vorstellt. Obwohl ich ein extrem nüchterner, naturwissenschaftlich orientierter Mensch bin, glaube ich daran, dass das Leben in irgendeiner Form einen Sinn ergibt. Und dieser Sinn ist in irgendeiner Form Gott, oder soll man es „Liebe“ nennen? Vielleicht ist es auch die Kraft, die hinter der Evolution steckt in irgendeiner Form.
Ich habe dazu einen sehr naturwissenschaftlichen Zugang, aber wenn man unter Naturwissenschaftlern sagt, dass man an Gott glaubt, dann stößt man erst einmal auf Befremden. Insofern trifft es das, glaube ich, schon ganz gut.
Mark: Peter, vielen Dank, dass Du dir die Zeit genommen und die vielen Fragen beantwortet hast. Mir bleibt eigentlich nur zu sagen, ich habe dein Buch gelesen, „Gesundheit ist kein Zufall„, so sind wir auch auf das Gespräch heute gekommen, und ich fand das so interessant, dass ich dich einfach eingeladen habe. Wer jetzt zuhört und sagt, „hey, in das Thema der Epigenetik möchte ich noch tiefer einsteigen, ich möchte vor allen Dingen wissen, wie ich meine Gene an- und ausschalten kann“, dem gibst Du auch konkrete Tipps, sowohl für die Gesundheit als auch vielleicht für Menschen, die gerne Kinder in die Welt setzen wollen.
Letzte Frage: Wo kann man Dich online finden? Du sagtest, Du gibst auch Vorträge? Wo finden die Menschen Dich oder können mit dir Kontakt aufnehmen?D
Peter: Am leichtesten über meine Webseite, einfach „Peter Spork“ googeln, dann hat man sie sofort, www.peter-spork.de, da gibt es auch einen Link zu meiner Facebookseite. Dort gibt es Terminhinweise für meine Vorträge, da gibt es Hinweise zu meinen Büchern, da gibt es auch Videos mit mir, Podcasts, teilweise Links zu Fernsehauftritten. Also alles, was man über mich wissen möchte, findet man auf meiner Webseite.
Mark: Vielen Dank, Peter.
Peter: Ich danke auch, hat Spaß gemacht!
- Spork, Peter(Autor)
Frage: Was nimmst Du aus dem Gespräch mit Dr. Peter Spork für Dich mit? Was war Dein Lieblingszitat oder Aha-Moment? Schreib einen Kommentar.
Bildquellen
Fotos im Artikel „Epigenetik Ernährung“: © Thomas Duffé / Dr. Peter Spork.