Mobility Training wirkt manchmal wie ein Fass ohne Boden. Tatsächlich kannst Du Dir viele Mobility Übungen – und damit viel Zeit – sparen, indem Du beim richtigen Krafttraining ein paar Dinge beachtest.
Themenübersicht
- Was bringt Mobility Training?
- Was bedeutet Mobility Training?
- Warum Mobilitätstraining nicht vor Verletzungen schützt (und was Du stattdessen tun solltest)
- Wie Du weniger Zeit mit Mobility Training verbringst (und stattdessen mehr mit Deinem eigentlichen Training)
- Top 5: Die effektivsten Mobility Übungen der Welt
Beweglichkeitsmangel ist eine Volkskrankheit. Wer seine Gelenke nicht bewegt, verliert sie:
Gelenke, die nicht (vollständig) bewegt werden, reagieren mit Arthrose.
Krafttraining hilft dagegen. Aber auch Kraftsportlern wird häufig eine ganze Armada an Mobility Übungen empfohlen, die viel Zeit fressen. Zeit, die Dir dann für das eigentliche Training fehlt, für eine gesunde Ernährung, Schlaf oder andere wichtige Dinge.
Die spannende Frage ist doch: Wie viel Mobility Training benötigst Du? Oder besser:
Mit WIE WENIG Mobilitätstraining erzielst Du die besten Ergebnisse?
In vielen Fällen lautet die Antwort:
Weniger, als Du dachtest.
Solange Du die richtige Strategie verfolgst, heißt das.
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Und diese Strategie stellt Dir der Mobilitätsexperte und Personal Trainer Aljoscha Liebe vor, der u. a. die Parkour-Abteilung in Hamburgs größtem Sportverein, dem ETV, leitet.
Aljoscha, Du hast das Wort.
Was bringt Mobility Training?
Eigentlich liegt’s ja auf der Hand: Wer eine gute Mobilität besitzt, dem steht die Welt der Bewegung offen. Übrigens hat sich der englische Begriff „Mobility“ eingebürgert, weshalb wir ihn hier auch verwenden.
Für tiefe Kniebeugen benötigst Du Mobility.
Und für hohe Kicks.
Und wenn Du einen Handstand lernen möchtest.
Das Gleiche gilt fürs Training mit dem eigenen Körpergewicht — z. B. bei tiefen Dips oder Einbein-Kniebeugen.
Deine Mobility entscheidet, ob Du bestimmte Übungen und Bewegungen sicher und korrekt ausführen kannst … oder eben nicht. Das heißt:
Die richtige Mobilität maximiert die Effektivität Deines Trainings.
Und umgekehrt: Wenn eine Lücke zwischen den Anforderungen an Deine Beweglichkeit und Deinen Fähigkeiten existiert, benötigst Du mehr Mobilität.
Und die kannst Du entwickeln. Mit systematischem Mobility Training.
Wenn Du nicht weißt, was Du tust, kannst Du unnötig viel Zeit in Mobility Training versenken.
Erstens, weil Du es vielleicht in der Form gar nicht benötigst. Oder zweitens, weil es vielleicht einfach ineffektiv ist. Mein Ansatz dabei ist folgender:
Mach‘ so wenig Mobility Training wie möglich, und so viel wie nötig.
Wie Du genau das erreichst, erfährst Du in diesem Artikel.
Bevor wir ins Handeln kommen, lass uns zunächst den Begriff klären und abgrenzen.
Was bedeutet Mobility Training?
Unter Mobility versteht man die Amplitude, die ein Gelenk aus eigener Muskelkraft einnehmen kann. Also den Bereich aller Winkel, in die Du ein bestimmtes Gelenk ohne Unterstützung von außen bringen kannst.
Mobility lässt sich am besten mit „aktive Beweglichkeit“ übersetzen.
In der deutschen Sport- und Fitnesswelt wird Mobility häufig auch einfach synonym mit dem Wort Mobilität benutzt.1
Wusstest Du, dass Mobilität und Flexibilität unterschiedliche Bedeutungen haben?
Von der Mobility lässt sich die Flexibilität („passive Beweglichkeit“) abgrenzen.
Mit Flexibilität meinen wir die Amplitude, die ein Gelenk erreichen kann, wenn Du es von außen unterstützt.
MOBILITÄT | FLEXIBILITÄT |
---|---|
aktive Beweglichkeit | passive Beweglichkeit |
aus eigener Muskelkraft mögliche Bewegungsamplitude eines Gelenks | mit äußerer Unterstützung mögliche Bewegungsamplitude eines Gelenks |
Lass uns den Unterschied zwischen Mobility und Flexibilität an einem Beispiel festmachen: Deinem Hüftgelenk. Schau Dir das Video an.
Du siehst, wenn ich mit den Händen nachhelfe, ist eine größere Bewegungsamplitude möglich:
Deine Flexibilität ist größer als Deine Mobility.
Das gilt für praktisch alle Gelenke Deines Körpers.
Die überraschende Wahrheit, was beim beweglicher werden passiert
Die meisten Menschen denken beim Beweglichkeitstraining an Dehnübungen, die in der Tat helfen können. Relativ unbekannt ist hingegen folgender Zusammenhang:
Eine größere Beweglichkeit entsteht vorwiegend durch Anpassungen im NERVENSYSTEM.
Eine Dehnübung verändert das Gewebe meist nur wenig. Vielmehr stellt sich mit der Zeit eine Gewöhnung an den Dehnungsschmerz ein, was wiederum zur Toleranz einer tieferen Dehnung führt.
Muskeln und andere Arten von Gewebe werden nicht bedeutend länger durch Dehnen.
Sie lassen es nur zu, dass Du sie weiter streckst.2)
Im nächsten Abschnitt siehst Du, wie wichtig diese Erkenntnis ist, wenn wir den Zusammenhang zwischen Beweglichkeit und Schmerzen diskutieren.
Hilft Mobilitätstraining bei Schmerz, Verletzung und schlechter Haltung?
Kelly Starrett’s „Werde ein geschmeidiger Leopard“ zeigt, was man alles für seine Beweglichkeit tun kann. Allerdings fragt sich der geneigte Leser auch, ob Training dann zum Vollzeit-Job wird …
… Fakt ist:
Mobilitätstraining kann extrem zeitaufwendig sein.
Insofern drängt sich die Frage förmlich auf:
Lohnt sich das?
Lohnt der Zeitaufwand für Mobility Training:
- zur Vermeidung von Verletzungen,
- zur Linderung von Schmerzen oder
- zur Verbesserung der Körperhaltung?
Lass uns die drei Fragen nacheinander diskutieren.
Schützt Beweglichkeit vor Verletzungen?
Der Bewegungswissenschaftler James L. Nuzzo diskutiert diese Fragen im Fachblatt „Sports Medicine” in der Mai-Ausgabe 2020. Auf Basis der Studienlage nennt er folgende Zusammenhänge:3
- Häufige Bein- und Rückenverletzungen lassen sich durch die Beweglichkeit eines Menschen offenbar nicht vorhersagen.
- Nur Menschen mit extrem geringer und extrem hoher Beweglichkeit besitzen ein erhöhtes Verletzungsrisiko.
Es gibt keinen wissenschaftlichen Beleg für den Zusammenhang zwischen Mobilität und Gesundheit.
Mobility scheint die Verletzungshäufigkeit nicht zu beeinflussen.
Nur extreme (Un-)Beweglichkeit erhöht das Risiko von Verletzungen. Wenn Du Dich vor Verletzungen schützen willst, setzt Du am besten auf richtiges Krafttraining.
Krafttraining halbiert das Verletzungsrisiko in vielen Sportarten.4)
Ganz generell empfehle ich daher, seine Zeit eher ins Krafttraining zu investieren, als ins Mobility Training.
Mobilitätstraining gegen Schmerzen?
Bei Schmerzen hört man oft die folgende Empfehlung: „Mach’ Mobility Training mithilfe von Faszienrollen (und ähnlichen Hilfsmitteln). Das hilft!“
Dieses Vorgehen kann man gut so zusammenfassen: „Drücke hier drauf und dehne/stärke diesen Muskel.“
Verkürzungen und Verklebungen der Faszien werden oft als Ursache der Schmerzen genannt.
Dieses Modell suggeriert, ein Beweglichkeitsverlust gehe mit unnormalen strukturellen Veränderungen im Gewebe einher. Und diese Gewebeveränderungen führten dann zu Schmerzen.
Dabei lässt sich mangelnde Beweglichkeit bei gesunden Menschen meist am besten durch zwei Faktoren begründen:
Eine bestimmte Körperhaltung und damit Gelenkstellung ist bisher einfach ungewohnt.
↓↓↓
Daher gibt das Nervensystem nicht die volle Länge des Muskels frei.
Und noch etwas kommt hinzu:
Faszien sind widerstandsfähig.
Sie sind sogar so widerstandsfähig, dass Du sie selbst mit der aggressivsten Faszienrolle strukturell nicht verändern kannst. Zu dem Ergebnis kommt eine Studie, an der unter anderem der Faszien-Forscher Robert Schleip beteiligt war.5
Woran liegt’s, dass die Faszienrolle Dich dennoch – zumindest kurzfristig – flexibler werden lässt? Forscher führen das auf eine veränderte Schmerzwahrnehmung zurück, und eben nicht auf eine Veränderung des Gewebes.6
Bei Schmerzen löst Mobility-Training zur Behandlung von Verkürzungen und Verklebungen das Thema daher oft nicht, zumindest nicht langfristig.
Indirekt kann Mobilitätstraining bei Schmerzen dennoch helfen. Nämlich dann, wenn es Dir zusätzliche Optionen gibt, um ein Gelenk bei Schmerzen zu entlasten.
Angenommen, Du hättest akute Knieschmerzen, wenn Du in die Hocke gehst, um etwas vom Fußboden aufzuheben.
Bist Du beweglich genug in der Hüfte, ist das kein Problem: Dann kannst Du auch mit gestreckten Knien den Fußboden erreichen, indem Du Dich einfach weiter nach vorne beugst – und Dein Knie damit entlasten.
Was ich damit sagen möchte, ist Folgendes:
Mobility ist kein Allheilmittel.
Aber sie gibt Dir mehr Möglichkeiten.
Wärest Du in einer Überlastungssituation (wie beim Knie-Beispiel eben), kann sie verhindern, dass Du in einer Trainings-Sackgasse landest.
Sie erlaubt es Dir, empfindliche Stellen zeitweise zu umschiffen oder anders und angenehmer zu belasten. So bleibst Du beim Training leichter dran.
Verbessert Mobility die Körperhaltung?
Zum Ende dieses Abschnitts möchte ich noch kurz auf das Thema Haltung eingehen.
Die meisten Menschen sind beweglich genug für eine aufrechte Körperhaltung.
Sie können gerade sitzen, sie können auch gerade stehen. Dass sie es nicht tun, hängt mit ihren Gewohnheiten oder ihrem Stresslevel zusammen.
Wer seine Körperhaltung verbessern will, braucht daher kein Mobilitätstraining.
Was hilft, sind mehr Achtsamkeit, neue Gewohnheiten und – Überraschung! – Krafttraining.
💡 Weiterlesen: In diesem Artikel lernst Du die 10 besten Methoden kennen, um Deine Körperhaltung zu verbessern.
Wie Du weniger Zeit mit Mobility Training verbringst (und stattdessen mehr mit Deinem eigentlichen Training)
Bevor Du Dich ins Mobilitätstraining stürzt, solltest Du zwei limitierende Faktoren für fehlende Beweglichkeit ausschließen:
- Technik: Führst Du die Übung technisch sauber durch?
- Knochenbau: Limitiert Dich Deine individuelle Anatomie?
Es liegt auf der Hand, dass Mobility Training in keinem der beiden Fälle die eigentliche Ursache löst.
Lass uns ein Beispiel nehmen …
Bei einer tiefen Kniebeuge ist der Stand entscheidend.
Und er ist individuell.
Dennoch werden immer noch Empfehlungen wie „Füße hüftbreit und parallel“ gegeben, die so pauschal einfach falsch sind.
Das führt dazu, dass viele Menschen bei der Kniebeuge einen für ihr Hüftgelenk suboptimalen Stand einnehmen. Wenn die knöchernen Strukturen an der Hüftgelenkspfanne die Bewegung blockieren, können sie nie die nötige Tiefe erreichen.
Diese Blockade am Hüftknochen ist in diesem Artikel übers „Kniebeugen richtig machen“ wunderbar illustriert.
Generell spürst Du eine Knochenblockade stets auf der sich schließenden Seite des Gelenks. Bei den Kniebeugen würdest Du sie also im vorderen Hüftgelenk spüren.
In diesem Fall kommst Du mit Mobility Training natürlich nicht weiter.
Was hilft, ist, die Technik anzupassen.
Beim Kniebeugen änderst Du den Stand so, dass der Druck vorne verschwindet und Du eine Dehnung an der sich öffnenden Seite des Hüftgelenks (=Rückseite) spürst.
Auch fehlende Beweglichkeit im Handgelenk ist häufig ein Thema. Im Foto siehst Du, wie ich mein Handgelenk dehne. Richtig ausgeführt, solltest Du auf der sich öffnenden Seite eine Dehnung und gegenüber, auf der sich schließenden Seite, kein Druckgefühl spüren.
Diese Unterscheidung kannst Du Dir auch so merken:
- schließende Seite: Gelenkwinkel wird bei Dehnung kleiner.
- öffnenden Seite: Gelenkwinkel wird bei Dehnung größer.
Die Form Deiner Gelenke ist – so wie Dein Knochenbau – angeboren. Deswegen ist es bei vielen Übungen wichtig, dass Du Deine individuellen Voraussetzungen berücksichtigst, wenn Du eine Übung durchführst.
Deswegen ist richtig Kniebeugen individuell.
Selbst die beste Beweglichkeit hilft nicht, wenn die (angeborenen) Hebelverhältnisse vergleichsweise suboptimal sind.
Schau Dir das Video an, das die Biomechanik hervorragend zeigt.
Falls Du Dir nicht sicher bist, welche Ausführung für DICH optimal ist, solltest Du Dir Unterstützung suchen.
Ein*e erfahrene*r Trainer*in kann Dir helfen, die für Deine individuelle Anatomie optimale Technik einer Übung zu finden.
Oft stellt sich nämlich heraus, dass Du mit Deiner bereits vorhandenen Beweglichkeit mühelos ans Ziel kommst, wenn Du die für Dich ideale Ausführung findest.
Erst, wenn Du alle diese Möglichkeiten ohne Ergebnis ausprobiert hast, solltest Du ins Eingemachte gehen, das heißt natürlich: ans Mobilitätstraining.
Mobility Training: So optimierst Du Deine Beweglichkeit (ohne es zu übertreiben)
Okay, es ist so weit.
Du hast also die beiden oben beschriebenen limitierenden Faktoren ausgeschlossen?
Und Du kannst dennoch eine bestimmte Übung nicht so vollständig ausführen, wie Du gerne möchtest? Vielleicht hapert’s an der Beweglichkeit für tiefe Kniebeugen, einen Handstand oder gar Spagat?
Dann starte mit dieser supersimplen Mobility Training Methode.
Du führst die gewünschte Bewegung – so gut es geht – durch. Es ist okay, wenn Du – wo nötig – von der „perfekten“ Bewegung abweichst.
Vielleicht fühlst Du dabei direkt, worum es geht:
Du verwandelst die Bewegung selbst zu einer Art dynamischen Dehnung.
Dadurch trainierst Du Dein Nervensystem und gewöhnst Dich mehr und mehr an die neuen Gelenkwinkel.
Im Ergebnis vergrößerst Du Deine Beweglichkeit und verbesserst Deine Technik.
Dabei solltest Du den folgenden Gedanken im Hinterkopf behalten:
Es gibt keine schlechte Körperhaltung.
Richtig gelesen!
Es gibt keine schlechte Haltung. Es gibt nur schlechte Vorbereitung.
Solange Du locker und leicht anfängst, solange Du Dir genug Zeit für die Steigerung von Last und Umfang nimmst, ist alles gut. Du verkraftest Trainingsreize auch dann, wenn die Technik noch nicht ideal ist.
Durch das richtige Maß an Belastung – und Dehnung ist nichts anderes als das – stärkst Du Deinen kompletten Bewegungsapparat: Muskeln, Bindegewebe, Knochen, Sehnen, Bänder und Knorpel.7 Hier ist also nichts tabu, solange es sich beim Training und danach gut anfühlt und Du Dich verbesserst.
Richtiges Krafttraining und Stretching können sich ähnlich auf Deine Beweglichkeit auswirken.
In vielen Fällen schlägst Du damit also zwei Fliegen mit einer Klappe – zu dem Ergebnis kommt eine 2021 veröffentlichte Meta-Studie, die sich im Übrigen mit meinen Erfahrungen im Personal Training deckt.8
Gleichzeitig kommst Du in den Genuss aller anderen Trainingseffekte, wenn Du „schwer“ trainierst: Muskelaufbau, Kraftaufbau und Fettabbau (entsprechende Ernährung natürlich vorausgesetzt).
Krafttraining kann Dir viel Zeit beim Mobility Training ersparen.
Dabei hast Du den größten Effekt, wenn Du Übungen wählst, bei denen Du einen möglichst großen Bewegungsumfang in den Gelenken hast, in denen Du mehr Mobility benötigst.
So ist Krafttraining gleichzeitig Mobility Training.
Die Top 5 Übungen fürs Mobility Training
Im Folgenden lernst Du zunächst drei Bewegungsmuster aus dem Krafttraining kennen, die gleichzeitig hervorragende Mobility Übungen sind:
- Goblet Squat
- Klimmzüge (und Konsorten)
- Rumänisches Kreuzheben
Dazu kommen zwei simple, aber hocheffektive Mobility Übungen für Hüfte und Sprunggelenk, die in keiner Trainingsroutine fehlen sollten:
Lass uns die Übungen nacheinander durchgehen.
1. Goblet Squat
Für die meisten Menschen fühlt sich der Bewegungsablauf des Goblet Squat „natürlicher“ an als Kniebeugen mit einer Langhantel.
Dadurch kommst Du in den Genuss mehrerer Vorteile:
- Es fällt Dir leichter, Dich auf eine größtmögliche Tiefe zu konzentrieren.
- Du forderst Sprunggelenke, Knie und Hüfte in ihrer Beweglichkeit heraus und verbesserst sie.
Ich würde sogar so weit gehen und Folgendes behaupten:
Goblet Squats sind ein Mobility Workout für den ganzen Unterkörper.
Du kannst den Goblet Squat mit einer Kettlebell oder Kurzhantel trainieren. Um dadurch beweglicher zu werden, brauchst Du allerdings kein besonderes Equipment und Du musst auch nicht besonders schwer trainieren.
Für das Training in den eigenen vier Wänden reicht auch ein gut bepackter Rucksack.
2. Klimmzüge (und Konsorten)
Du willst im Schultergelenk beweglicher werden und mehr Spielraum mit den Armen über dem Kopf erlangen? Ich mag den Gedanken.
Klimmzüge sind ein großartiges Mobility Workout für die Schultern.
Und nicht nur Klimmzüge, sondern alle vertikalen Zug- und Halteübungen, z. B. auch der Latzug.
Du trainierst Deine Beweglichkeit bei Klimmzügen und Co. zusätzlich, indem Du Dich nach einer Wiederholung (d. h. während des Trainingssatzes) komplett aushängst. Am Latzug lässt Du Dich entsprechend umgekehrt von der Stange lang ziehen.
Wähle dabei die Griffart, die Dir am meisten Bewegung in den Schulterblättern erlaubt.
So verbesserst Du Deine Schulter Mobility, ohne dass Du extra Mobilitätsübungen in Dein Training einbauen musst.
3. Rumänisches Kreuzheben
Rumänisches Kreuzheben ist eine großartige Kraftübung, die Dir zudem mehr Beweglichkeit in der Hüftbeugung beschert.
Um Deine Beweglichkeit zu verbessern, kannst Du z. B. reguläres Kreuzheben durch die rumänische Variante ersetzen.
Denn je mehr Du Deine Knie beim Kreuzheben streckst, desto stärker dehnst Du Deine Oberschenkelrückseite unter Last. Dadurch beugst Du auch Deine Hüfte stärker.
Rumänisches Kreuzheben ist nicht nur eine hervorragende Muskelaufbau-Übung für Oberschenkelrückseite, Gesäß und unteren Rücken. Es ist auch eine großartige Mobilitätsübung für die Hüfte.
Typischerweise trainierst Du das rumänische Kreuzheben mit einer (recht schweren) Langhantel.
Du hast nur leichte Gewichte, Kurzhanteln oder Kettlebells zur Verfügung? Kein Problem: Beim einbeinigen rumänischen Kreuzheben benötigst Du deutlich weniger Gewicht.
Wann brauchst Du überhaupt Mobility Training (zusätzlich zum Krafttraining)?
Erst, wenn Du mit Krafttraining über den maximal möglichen Bewegungsumfang nicht die gewünschten Ergebnisse erreichst – oder wenn Du Dir schnellere Ergebnisse wünschst –, empfehle ich zusätzliches „klassisches“ Dehnen einzelner Gelenke.
Meiner Erfahrung nach ist „pures“ Mobility Training für die meisten Einsteiger ins Krafttraining nicht nötig.
Dabei hast Du mehrere Möglichkeiten. Du kannst:
- eine Dehnposition statisch halten oder
- die Dehnung mit isometrischen Anspannungen paaren (Beispiele in diesem Artikel).
Da beides effektiv ist, überlasse ich die Wahl Dir. Am besten führst Du die Art von Mobilitätstraining durch, mit der Du Dich am wohlsten fühlst.
Die Ergebnisse beider Methoden sind ähnlich.9
Einige Mobility-Experten argumentieren zwar, dass eine zusätzliche Muskelanspannung in der Dehnposition nicht nur mehr Flexibilität bringt. Sie soll Dir auch dabei helfen, diese Flexibilität aktiv in der Bewegung nutzen zu können.
Mich überzeugt dieses Argument allerdings nicht. Denn wenn Du in Deinem regulären Training mit voller Bewegungsamplitude trainierst, kommst Du genauso in den Genuss dieses Effekts.
Eine Sache solltest Du beim Dehnen noch beachten:
Gehe beim Dehnen nur so weit, bis Du einen leichten Dehnschmerz fühlst. Nicht weiter!
Spätestens, wenn Du die Zähne mit schmerzverzerrtem Gesicht zusammenbeißt, wittert Dein Nervensystem Gefahr – und will Dich beschützen. Dann hütet es sich, Dir mehr Beweglichkeit zu ermöglichen.
4. 90/90
Bei dieser Mobility Übung ist der Name Programm: 90-Grad-Winkel.
Du beugst beide Knie im 90-Grad-Winkel UND positionierst Deine Oberschenkel im 90-Grad-Winkel zueinander.
Am einfachsten ist es, wenn Du Dir an dieser Stelle das Video anschaust. Das Schöne an der Übung ist, dass Du je nach Ausrichtung zwei Bewegungsmuster trainierst:
- Hüftaußenrotation: Dein Oberkörper weist in Richtung des Fußes, dessen großer Zeh nach OBEN weist. → Du fühlst eine Dehnung im Gesäß.
- Hüftinnenrotation: Dein Oberkörper weist in Richtung des Fußes, dessen großer Zeh UNTEN liegt. → Du fühlst eine Dehnung seitlich an der Hüfte.
Die Hüftrotation ist ein wichtiger Baustein vieler Bewegungen im Alltag und Training – vom Laufen und Springen bis zur Kniebeuge. Eine gute Flexibilität bringt Dir also viele Vorteile.
💡 TIPP: Bei einem Druckgefühl oder Schmerzen an der Vorderseite der Hüfte solltest Du aufhören. Das gleiche gilt bei Druck an der Innenseite Deiner Hüfte (im Bereich Deines Schritts). Das wäre ein Signal für eine knöcherne Blockade und an der kommst Du, wie oben erwähnt, nicht vorbei.
5. Half Open Seiza
Seiza ist japanisch und bedeutet „Fersensitz“.
Der Seiza ist die traditionelle japanische Sitzhaltung
Er erfordert eine hervorragende Beweglichkeit im Knie und Fußgelenk.
Beim Half Open Seiza stellst Du ein Bein auf.
Von hier aus nutzt Du das Gewicht Deines Oberkörpers und schiebst das Knie des aufgestellten Beins über die Fußspitze.
So sorgst Du für eine Dehnung in der Unterschenkelrückseite.
Die Dehnung sollte an der Achillessehne oder in der Wade zu spüren sein. Vermeide Druckgefühl und Schmerzen an der Vorderseite des Sprunggelenks am Spann.
So erarbeitest Du Dir die für tiefe Kniebeugen (und ähnliche Bewegungen) nötige Flexibilität.
Die Flexibilität verbessert sich in den Fußgelenken meiner Erfahrung nach verhältnismäßig langsam.
Vieles ist anatomisch bedingt. Das heißt, bevor überhaupt eine Dehnung auftritt, drückt es manchmal schon vorne am Spann.
Fazit
Du musst kein Mobilitätstraining machen, solange es keinen tatsächlichen Bedarf dafür in Deinem Training oder Alltag gibt.
Viele Menschen glauben, es fehle ihnen an Beweglichkeit, um eine bestimmte Übung – zum Beispiel die Kniebeuge – zu trainieren. Tatsächlich haben sie aber oft einfach noch nicht die richtige Ausführung für ihren individuellen Körperbau gefunden.
Bevor Du Extra-Zeit ins Mobilitätstraining investierst, solltest Du daher zunächst an der Technik selbst arbeiten, mit verschiedenen Techniken experimentieren und die Übung, so simpel es geht, durchführen und trainieren.
Wenn Du nicht allzu weit von Deiner Wunschausführung entfernt bist, reicht das häufig schon.
Krafttraining über den größtmöglichen Bewegungsumfang ist Mobility Training.
Es macht Dich nicht nur stärker und muskulöser, sondern auch beweglicher. Meine Top drei Mobilitätsübungen aus dem Krafttraining hast Du oben kennengelernt.
Wer also regelmäßig an die Hanteln geht, benötigt generell deutlich weniger Zeit ins Mobilitätstraining zu investieren als andere Sportler.
Erst wenn Du mit „einfach machen“ und Krafttraining nicht weiterkommst, darfst Du Extrazeit in Mobilitätsübungen investieren.
Dann ist es eine gute Idee, wenn Du Dir die Gelenke, die beweglicher werden sollen, einzeln vornimmst und mit Dehnübungen arbeitest.
Auch hier kennst Du mit 90/90 und dem Half Open Seiza nun zwei hocheffektive Übungen für ein Extra an Flexibilität.
Nun bist Du dran: Welche Erfahrungen hast Du mit Mobility Training gemacht? Wie sieht Deine aktuelle Mobilitätsroutine aus und welches sind Deine Top-Übungen? Schreib einen Kommentar.
Über den Gastautor
Aljoscha Liebe, Personal Trainer
Aljoscha ist Mobility- und Trainingsspezialist. Er hilft Sportlern dabei, komplexe Übungen wie Kniebeugen schmerzfrei auszuführen. Schmerzen, Verletzungen und Zwangspausen können die Folge von falschem Training sein. Meist lassen simple Korrekturen Schmerzen schnell verschwinden und Muskeln wachsen. Oft bewegst Du sogar sofort mehr Gewicht.
Brauchst Du Hilfe bei Deinem Training? Dann besuch‘ ihn auf www.aljoschaliebe.de. Er bietet Personal Training vor Ort in Hamburg sowie Online Coaching an.
Bildquellen
Fotos im Artikel „Mobility Training“: © Aljoscha Liebe, © Unsplash, © Mark Maslow.
- Anmerkung von Mark: Ich bin auch kein Freund von Anglizismen, aber ich sehe meine Mission auch nicht darin, den Wandel unserer Sprache aufzuhalten. Daher verwenden wir in diesem Artikel beide Begriffe synonym. [↩]
- Freitas SR, Mendes B, Le Sant G, Andrade RJ, Nordez A, Milanovic Z. Can chronic stretching change the muscle-tendon mechanical properties? A review. Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sports 28 (3), 794-806 (2018 [↩]
- Nuzzo JL. The Case for Retiring Flexibility as a Major Component of Physical Fitness. Sports Med. 2020 May;50(5):853-870. doi: 10.1007/s40279-019-01248-w. PMID: 31845202. [↩]
- Lauersen JB, Bertelsen DM, Andersen LB. The effectiveness of exercise interventions to prevent sports injuries: a systematic review and meta-analysis of randomised controlled trials. British Journal of Sports Medicine 48, 871-877 (2014 [↩]
- Chaudhry H, Schleip R, Ji Z, Bukiet B, Maney M, Findley T. Three-dimensional mathematical model for deformation of human fasciae in manual therapy. J Am Osteopath Assoc.108(8), 379-390 (2008 [↩]
- Wiewelhove T, Döweling A, Schneider C, et al. A Meta-Analysis of the Effects of Foam Rolling on Performance and Recovery. Front Physiol.10, 376 (2019 [↩]
- Yu H-S, Kim J-J, Kim H-W, Lewis MP, Wall I. Impact of mechanical stretch on the cell behaviors of bone and surrounding tissues. Journal of Tissue Engineering (2016 [↩]
- Afonso J, Ramirez-Campillo R, Moscão J, Rocha T, Zacca R, et al. Strength training is as effective as stretching for improving range of motion: A systematic review and meta-analysis (2021 [↩]
- Borges MO, Medeiros DM, Minotto BB, Lima CS. Comparison between static stretching and proprioceptive neuromuscular facilitation on hamstring flexibility: systematic review and meta-analysis. European Journal of Physiotherapy. 1-8. 2017 [↩]