„Ich will den Kilimandscharo besteigen. Kommst Du mit?“
„Klar“, sage ich.
Es ist eine klassische Antwort aus dem Bauch heraus. Mein Verstand hätte mir vielleicht davon abgeraten.
Gut ein Jahr ist es her, dass mein Freund Eginhard Kieß mir die Frage stellte.
Übrigens direkt im Anschluss an unser Gespräch bei Fitness mit M.A.R.K..
Und jetzt? Stehe ich frierend, mit dröhnendem Kopf, nach Luft schnappend und am Ende meiner Kräfte am Kraterrand des Kilis. Eine Sekunde lang frage ich mich:
„Warum zum Teufel tust Du Dir das an?“
Und dann fällt mein Blick auf die Wolken tief dort unten und die malerische Landschaft Tansanias. Es ist der schönste Sonnenaufgang, den ich je gesehen habe.
Warum also das Ganze…?
Kili-Special: Audio-Reisetagebuch
Zu jeder Etappe der Kilimandscharo-Expedition kannst Du im Verlauf des Artikels ein kurzes Live-Sprachmemo entdecken. Achte einfach auf dieses Kili-Symbol.
Die Tonqualität ist wie das Leben am Berg: Nicht immer perfekt, dafür aber authentisch.
Warum den Kilimandscharo besteigen?
Im ersten Moment ist es zwar nur ein Bauchgefühl. Dafür ein ziemlich starkes:
„Das will ich!“
Um meine Faszination für dieses Abenteuer in Worte zu fassen, muss ich einen Moment nachdenken.
Die Kilimandscharo Besteigung vereint gleich mehrere Dinge, die ich liebe:
- Komfortzonenvergrößerung: Ich kann meine körperliche Grenze ausloten. In punkto Kraft und Ausdauer weiß ich, wie es sich anfühlt. Aber mit extremen Höhen habe ich bisher keine Erfahrungen gemacht.
- Outdoor-Erlebnisse: Wir verbringen viel Zeit in der Natur an einem der schönsten Orte der Welt.
- Fremde Kulturen und Länder: Ich reise gerne, in Tansania war ich noch nie. Und je mehr ich mich mit dem Land beschäftige, desto mehr reizt es mich.
Die Kili-Expedition verspricht all das und noch mehr. Es ist eine neue Erfahrung, ein Once-in-a-lifetime-Abenteuer.
Vor allem ist es eine Lektion in Demut.
Denn eine Garantie, den Gipfel zu erreichen, gibt es für niemanden…
Reisetagebuch: Tag 1 – Mandara Hut (2.700 m)
Wir tauchen in den tropischen Regenwald ein, der uns vom Marangu Gate, dem Tor zum Nationalpark, bis zum ersten Camp auf etwa 2.700 m Höhe führt: der Mandara Hut.
Die Stimmung ist gut, aber ich merke die Höhe schon jetzt. Mein Respekt vor den verbleibenden 3.100 Höhenmetern wächst. „Pole, pole“, sagen unsere tansanischen Guides immer wieder, „geh‘ langsam!“
Die Magie des Kilimandscharo: Was macht den Berg so besonders?
Mit einer Höhe von 5.985 Metern ist der Kilimandscharo der höchste Berg Afrikas. Als größter freistehender Berg der Welt ist er vielleicht auch der prägnanteste.
Wer ihn besteigen will, durchquert fünf verschiedene Klimazonen: vom tropischen Regenwald über alpine Wüstenlandschaft bis hoch zur arktischen Schneekappe.
Die 5.985 Meter zu meistern gehört zu den kraftvollsten Bergsteige-Abenteuern, die man machen kann – ohne alpine Erfahrung mitbringen zu müssen.
Pro Jahr versuchen sich über 20.000 Menschen an der Kilimandscharo Besteigung. Wie viele davon es wirklich schaffen, ist schwer zu sagen.
Den am Kraterrand gelegenen „Gilman’s Point“ (5.685 m) erreichte ¾ unserer Gruppe. Ab hier gilt der Kilimandscharo offiziell als bezwungen.
Das Dach Afrikas, der „Uhuru Peak“ (5.895 m), liegt allerdings nochmals 200 Meter höher. Ein Drittel von uns war dazu noch in der Lage. Laut unserem Expeditionsleiter Steve Kroeger lagen wir damit gut im Schnitt.
Dass ich den Kili überhaupt bezwingen, geschweige denn den Uhuru Peak erreichen würde, war mir – wie im Gespräch mit Steve gesagt – alles andere als klar.
Das größte Problem ist die extreme Höhe, durch die wir alle Symptome der Höhenkrankheit manifestierten.
Es beginnt mit Appetitlosigkeit, bohrenden Kopfschmerzen, Übelkeit und Erschöpfung. Wird es schlimmer, musst Du umkehren. Alles andere wäre lebensgefährlich.
Wie gut Du mit der Höhe klarkommst, ist übrigens keine Frage der körperlichen Fitness:
Sie kann Marathonläufer in die Knie zwingen und übergewichtige Kettenraucher verschmähen.
Natürlich solltest Du Dich gut vorbereiten, geeignete Ausrüstung mitbringen und mit der richtigen Einstellung an den Berg gehen.
Das erhöht Deine Chancen. Und die individuelle Veranlagung spielt eine ebensogroße Rolle. Aber:
Ob Du es wirklich schaffst, siehst Du vor Ort.
Es ist also eine gute Idee, das von vorneherein zu akzeptieren.
Reisetagebuch: Tag 2 – Horombo Hut (3.720 m), Teil 1
Nach einer unruhigen Nacht machen wir uns gegen 8 Uhr morgens auf den Weg zum nächsten Camp, der auf 3.720 m gelegenen Horombo Hut.
Nach etwa einem Drittel der Strecke lassen wir den dichten Regenwald hinter uns und betreten das Moorland, das einer Heidelandschaft ähnelt.
Der felsige Weg geht steil bergauf. Beim Aufstieg empfiehlt sich ein langsames, gleichmäßiges Tempo ohne lange Pausen. Wir halten etwa einmal pro Stunde für 2-3 Minuten an, um etwas zu Trinken oder einen Riegel zu essen. Danach geht es weiter.
Ich empfinde den zweiten Part dieser Etappe durch die Höhe schon als dermaßen anstrengend, dass ich nur ungern an die nächste Etappe denke. Gut, dass wir morgen einen Tag zur Akklimatisierung bleiben …
7 Lektionen, die das Kilimandscharo besteigen mich übers Dranbleiben gelehrt hat
Die Kilimandscharo Besteigung ist auch ein wunderbares Beispiel dafür, worauf es beim Ziele setzen und Ziele erreichen wirklich ankommt.
Hier sind sieben Lektionen meiner Reise, die Dir dabei helfen, noch leichter und erfolgreicher an dem dranzubleiben, was Du Dir aktuell vornimmst – egal, ob es ums nackt gut aussehen oder andere Bereiche geht.
1. Setz Dir ein klares Ziel
Wie genau sieht Dein Ziel aus? Könntest Du ein Bild davon malen?
In den wenigsten Fällen fällt Dir diese Zielklarheit in den Schoß.
Anders beim Kili. Der gigantische Berg dominiert das Bild der Region so stark, dass wir ihn beim Aufstieg praktisch immer im Blickfeld haben.
Der Blick auf den majestätischen Gipfel gibt uns jeden Tag mehr Energie.
Natürlich wünsche ich mir: „Am Donnerstag, den 8.11.2018 erreiche ich den Uhuru Peak und habe den Kilimandscharo bestiegen.“
Aber es ist ein WUNSCH und kein ZIEL.
Denn ich hatte keine Ahnung, ob mein Körper die Höhe verkraften würde.
Ein Ziel ist selbst erreichbar.
Und da ich nicht weiß, wie mein Körper mit der Höhe klarkommen würde, formuliere ich es so: „Spätestens am Donnerstag, den 8.11.2018, erreiche ich im Kilimandscharo Nationalpark mein körperliches Limit und meinen persönlichen Gipfel.“
Das habe ich übers Dranbleiben gelernt
Wenn Du Dein Gehirn mit einem klaren Bild von Deinem Ziel programmierst, hilft es Dir dabei, es zu erreichen. Es funktioniert wie ein autonomes Zielsuchgerät, zeigt Dir Wege, die Du sonst vielleicht übersehen hättest.
Je klarer Du Dein Ziel formulierst, desto eher erreichst Du es auch.
Durch Dein Zielbild und eine klare Formulierung setzt Du den Kurs. Dein „Warum“ ist der Wind in Deinen Segeln: Indem Du es Dir klarmachst, nimmst Du Fahrt auf.
Reisetagebuch: Tag 2 – Horombo Hut (3.720 m), Teil 2
Die Horombo Hut liegt auf einem großzügigen Plateau, meist oberhalb der Wolken. Am Nachmittag zieht Nebel auf, es wird feucht und eisig kalt.
Nach Sonnenuntergang klart die Luft wieder auf und eröffnet den Blick auf die funkelnden Sterne und – ganz unten – die Lichter der Stadt Moshi.
2. Übernimm die Verantwortung über Deine Gedanken
„Wenn Du Deine Sicht auf die Dinge veränderst, verändern sich die Dinge“, sagt der Psychologe Dr. Wayne Dyer.
Die Kilimandscharo Besteigung gehört zu den eindrucksvollsten und schönsten Naturerlebnissen, die ich je erlebt habe. Und sie ist auch harte Arbeit.
Einige Abschnitte des Trails sind entspannt wie eine Wanderung im Taunus. Andere bockschwer und steil wie ein StairMaster auf Stufe 27.
Wenn’s gut läuft, ist es leicht, die Reise zu genießen. Aber wie gehst Du mit den schweren Etappen um?
In den schweren Abschnitten ist mir etwas besonders klar geworden:
Du entscheidest, worauf Du Dich fokussierst.
„Willst Du Dich auf das konzentrieren, was Dir gerade nicht passt – die Anstrengung, die Schmerzen, die Erschöpfung? Oder entscheidest Du Dich, an Dein Ziel zu denken – und das wunderbare Gefühl danach, wenn Du es geschafft hast?“
Der Umgang mit den eigenen Gedanken und der inneren Stimme fühlt sich in solchen Situationen manchmal an, wie ein spielerisches Gerangel zwischen Unterbewusstsein und bewusstem Verstand:
- Unterbewusstsein: „Ich kann nicht mehr!“ → Bewusstsein: „Der Sonnenaufgang dort oben soll unglaublich schön sein.“
- Unterbewusstsein: „Diese Kopfschmerzen!“ → Bewusstsein: „Bald ist alles vorbei und Du fühlst Dich großartig.“
- Unterbewusstsein: „Boa, ist das noch weit!“ → Bewusstsein: „So gibt es unterwegs noch mehr Interessantes zu entdecken.“
Es ist wie im Krafttraining. Einige Gedanken sind schwerer zu heben und beiseite zu schieben, als andere.
Dabei wirst Du mit jeder Wiederholung besser darin, negative in positive Gedanken umzudeuten.
Solche Leichtigkeit ist trainierbar. Das erste „Workout“ fühlt sich noch ungewohnt an, aber mit jeder Trainingseinheit wirst Du besser darin.
Mir hilft dabei ein unsichtbares Skript: „Hinter jedem Problem versteckt sich etwas Positives.“ Indem Du Dich danach auf die Suche begibst, lenkst Du Deine Gedanken bereits in eine andere Richtung.
Reisetagebuch: Tag 3 – Akklimatisierung (4.025 m)
Diesen Tag verbringen wir zur Akklimatisierung auf dieser Höhe.
Um den Körper darauf vorzubereiten, dass es morgen weitergeht, unternehmen wir eine Tageswanderung zu den Zebra Rocks, einer auf ca. 4.000 m Höhe gelegenen Felsformation.
Obwohl ich morgens mit Kopfschmerzen aufwache, fühle ich mich im Verlaufe des Tages immer besser. Offenbar gewöhnt mein Körper sich an die Höhe.
3. Umgib Dich mit den richtigen Menschen
„Du bist der Durchschnitt der Menschen, mit denen Du die meiste Zeit verbringst“, sagt man.
Tatsächlich neigen wir alle dazu, uns den Worten, Verhaltensweisen und Gewohnheiten der Menschen in unserem sozialen Umfeld anzupassen.
Dass ich die Kilimandscharo Besteigung in so großartiger Erinnerung habe und es bis nach oben geschafft habe, hat vor allem mit den wunderbaren Menschen zu tun, die mich dabei unterstützt haben:
- Unseren Guide Steve Kroeger kennst Du bereits durch unseren Podcast: Er wusste jede Situation mit einem Witz zu entschärfen, bereitete uns auf die Herausforderungen am Berg vor und versprühte immer dann Optimismus, wenn es nötig war.
- Bei allen 15 Teilnehmern unserer Gruppe handelt es sich um echte Teamplayer. Es sind Menschen, die Dir im richtigen Moment Rückenwind geben, Dich pushen und so ins Ziel tragen können.
- Die wahren Helden des Berges sind unsere Guides aus dem Stamm der Chaggas: Ohne das großartige Team rund um Livingston (im Foto vorne) wäre die Kilimandscharo Besteigung unmöglich gewesen.
Auf dieser Expedition ist mir wieder einmal bewusst geworden, wie viel Rückenwind ein gutes Team Dir geben kann:
Den Gipfel erreichst Du nur im Team.
Es ist kein Zufall, dass es oben auf dem Kili so gut wie keine Einzelkämpfer gibt. Ich glaube, das gilt für viele Ziele im Leben.
Vielen ist dabei nicht bewusst, dass sie ihr Umfeld selbst gestalten können:
Welche Menschen beeinflussen Dich in Deinem Leben positiv und welche negativ?
Welche Menschen geben Dir Power, welche sind Energievampire? Solche Gedanken sind ein wichtiger erster Schritt, der nicht nur Deinen Körper transformieren kann, sondern Dein gesamtes Leben.
Reisetagebuch: Tag 4 – Kibo Hut (4.703 m)
Gegen Nachmittag erreichen wir nach etwa acht Stunden, die wir für die zurückliegenden knapp 1.000 Höhenmetern gebraucht haben, das letzte Camp, die Kibo Hut.
Die letzte Wasserstelle haben wir bereits vor ca. 300 Metern passiert. Auf dieser Höhe wachsen keine Pflanzen mehr. Dafür ist die Landschaft durch das charakteristische Vulkangestein geprägt.
Mit jedem Schritt fällt das Atmen schwerer…
4. Leg den Fokus (nur) auf den nächsten Schritt
Ich erinnere mich noch gut an das Bild des Kili-Gipfels am ersten Tag – weit, weit weg. Und obwohl er in der Gipfelnacht zum Greifen nah ist, erscheint er mir in dem Moment unendlich fern. Jeder Zentimeter ist eine Eroberung und fühlt sich wie ein 100m-Sprint an.
Wie motivierst Du Dich in einer solchen Situation? Ich habe folgende Erfahrung gemacht:
Denk nur an den nächsten Schritt. Und feiere ihn danach als kleinen Erfolg.
Natürlich darfst Du Deine Route zuvor planen, wie beim Navigationsgerät im Auto.
Sobald die Route steht, bringt jeder noch so kleine Schritt Dich Deinem Ziel näher.
Nicht das Tempo entscheidet, sondern die Richtung.
Wer sich mit Höchstgeschwindigkeit in die falsche Richtung bewegt, kommt niemals an.
Wer pole, pole (langsam) macht UND sich in Richtung Ziel bewegt, kommt an.
Es ist nur eine Frage der Zeit. Am Berg ist die Langsamkeit der Schlüssel, um dranzubleiben.
Auf der Gipfeletappe bewegen wir uns mit etwa 0,5 km/h bergauf.
Zum Vergleich: Einen 10 Kilometer-Lauf meisterst Du mit etwas Training locker in unter einer Stunde. Auf dem Kili brauchte ich dafür 20 Stunden.
Kam mir das auch elend langsam vor? Ja, aber sowas von!
Aber es ist auch die beste, sicherste und angenehmste Weise, ans Ziel zu kommen: Schritt. Für. Schritt.
Reisetagebuch, 6: Tag 4 – Gipfelnacht (4.703 m)
Es ist soweit. Kurz vor Mitternacht treffen wir uns mit gepackten Rucksäcken und dick angezogen bei eisigen Temperaturen am Fuß des Kibo.
Die letzte Etappe führt uns eine steile Rampe aus Geröll und Vulkansand hoch zum Kraterrand, den ich – hoffentlich – gegen Sonnenaufgang erreichen werde.
So ganz sicher bin ich mir da allerdings nicht: Ich spüre die ersten Symptome der Höhenkrankheit.
5. Sei achtsam mit Deiner Energie
Auf allen Etappen der Kilimandscharo Besteigung ist es unglaublich ruhig. Bis auf wenige Ausnahmen gibt es kein Internet, keine Telefone, keine Elektrizität.
In der Natur fällt es Dir automatisch leichter, Dich auf Dich selbst zu fokussieren: Wie fühlst Du Dich? Wie ist der Ladezustand Deiner Akkus?
Den Kilimandscharo besteigen kannst Du nur, wenn Du mit Deinen Reserven haushaltest.
Und zwar vom ersten Tag an. Das heißt, Du solltest Du jede Gelegenheiten nutzen, um die Akkus wieder aufzutanken – indem Du Dich in den Camps ausruhst, viel schläfst und gut isst.
Nur dann kannst Du die Leistung abrufen, wenn es darauf ankommt.
Das gleiche Prinzip gilt auch beim Abnehmen und im Training.
Schlaf und Muskelregeneration sind nicht verhandelbar.
Wenn zu viel Energie abfließt, darfst Du Dich fragen: Wo geht die Energie verloren? Was kannst Du tun, um besser damit zu haushalten? Was gibt Dir verlorene Energie zurück?
Reisetagebuch, 7: Tag 5 – Gilman’s Point (5.681 m)
Die letzten sechs Stunden gehören zu den anstrengendsten Erfahrungen, die ich bisher machen durfte. Die letzten 150 Höhenmeter führten über Haushohe Felsen und verlangten uns allen übermenschliche Kräfte ab. Drei von uns sind bereits umgekehrt.
Meine Lunge pumpt wie beim Sprint, aber ich kann mich nur in Zeitlupe bewegen. Mit jedem Höhenmeter fällt das Atmen schwerer und die Kräfte schwinden. Die Temperaturen sind mit zunehmender Höhe nachts weiter gefallen, es weht ein starker Wind und mir wird klar, dass ich 1-2 Lagen Kleidung mehr gebraucht hätte, um nicht zu frieren.
Mir ist speiübel und mein Kopf scheint zu platzen. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, die verbleibenden 200 Höhenmeter und 1,5 km Strecke zum Uhuru Peak zu schaffen. Ich beschließe umzukehren.
Mein Blick fällt ins Tal, das die aufgehende Sonne erhellt. Sie taucht den Schnee und die Wolken weit, weit unter uns in blutrotes Licht. Ich kann mich nicht erinnern, jemals einen so schönen Sonnenaufgang gesehen zu haben.
6. Akzeptiere Deine Grenzen
Der Kilimandscharo ist vergleichsweise sicher. Im Gegensatz zum Mount Everest, der unberechenbar sein soll, nur wenige Stellen, an denen man ernsthaft abstürzen könnte.
Wer dreimal pro Woche eine Dreiviertelstunde laufen geht, ist körperlich fit genug für den Anstieg.
Das größte Problem ist die extreme Höhe.
Obwohl ich in den Wochen vor der Abreise zwei bis drei Trainingseinheiten pro Woche in der Höhenkammer absolviert habe, hatte ich am Berg mit Kopfschmerzen und Übelkeit zu kämpfen.
In diesem Fall ist es (überlebens-)wichtig, dass Du das eigene Limit im richtigen Moment zu erkennst.
Während die Kopfschmerzen, Übelkeit und Erschöpfung dazugehören (und nach dem Abstieg wieder verschwinden), können fortgeschrittene Symtpome der Höhenkrankheit lebensgefährlich sein.
Gerade, wenn Du in eine neue Situation kommst, ist es manchmal schwer, festzustellen, wo das Limit ist. Mir hilft in solchen Situationen eine simple Regel:
Im Zweifel für die Gesundheit.
Deswegen entschied ich mich am Gilman’s Point umzukehren. Ich wusste einfach nicht, ob ich die letzte Etappe noch packen würde.
Die gleiche Regel hilft mir auch im Training und in anderen Situationen, ernsthafte Verletzungen zu vermeiden.
Reisetagebuch, 8: Tag 5 – Uhuru Peak (5.895 m)
„Was machst Du da?“, sagt Livingston. „Ich kehre um“, sage ich unserem Guide. „Ich bin am Limit.“
Er lässt nicht locker: „Der Pass zum Uhuru Peak ist super-easy. Ich habe Dich beobachtet, das schaffst Du. Umkehren kannst Du immer noch. Komm, ich nehme Deinen Rucksack.“
Wo nimmt der Mann seine Kräfte her, frage ich mich. Er hilft mir beim Anlegen der Steigeisen. „Geh vor, ich bleibe hinter Dir“, sagt er.
Mit drei Atemzügen für jeden Minischritt – und einer kurzen Atempause alle paar Schritte – setze ich mich wieder in Bewegung, in Richtung der Dachspitze Afrikas.
7. Feiere Deine Erfolge
Es gab eine Zeit in meinem Leben, in der ich rastlos von einem Ziel zum nächsten gerannt bin. Hatte was von Fastfood.
Was bringen Dir Deine Erfolge, wenn Du sie nicht genießen kannst?
Erfolg kann doch überhaupt nur dann Spaß machen, wenn Du zwei Dinge berücksichtigst:
- Du freust Dich auf die Etappenziele, die noch vor Dir liegen.
- Du feierst und genießt die Ziele, die Du schon erreicht hast.
Durch die Kilimandscharo Besteigung habe ich etwas verstanden:
Du darfst das Gefühl des Erfolgs ganz bewusst zulassen und genießen.
Oben auf dem Gipfel war ich viel zu erschöpft, um mich darüber zu freuen.
Aber am nächsten Tag war ich ausgeschlafen. Und mit der wiederkehrenden Kraft fühlte ich eine tiefe Zufriedenheit über das Erreichte. Das Schöne ist:
Du kannst die Zufriedenheit über Deine bisherigen Erfolge immer wieder hervorrufen.
Du brauchst nur an die Situation zu denken und sie Dir mit allen Sinnen wieder vor Augen führen – in 3D, mit allen Farben und mit allen Tönen.
Für die Perfektionisten unter uns: Um Dich darüber zu freuen, musst Du Deine Ziele nicht sofort zu 100% erreichen. 70% sind immer noch mehr als 0%.
Reisetagebuch, 9: Tag 6 – Horombo Hut (3720 m)
Eigentlich logisch, dass Du den Weg vom Uhuru Peak auch wieder zurück gehen musst. Dennoch habe ich diesen Part der Kilimandscharo Besteigung aus gutem Grund verdrängt.
Der Abstieg vom Gilman’s Point über die steile Rampe aus Felsen, Sand und Geröll zieht sich ins Unendliche. Meine Oberschenkel scheinen zu platzen. Nach vier Stunden Abstieg erreiche ich gegen Mittag die Kibo Hut.
Da die Höhe den Körper weiter schwächt, bleiben wir nur kurz. Am frühen Nachmittag beginnen wir den Abstieg zur Horombo Hut, wo nach gut 36 Stunden auf den Beinen ein üppiges Abendessen auf uns wartet. Gegen 20 Uhr falle ich endlich in tiefen erholsamen Schlaf.
Buchtipp: 'Die 7-Summits-Strategie' von Steve Kroeger
Steve Kroeger hat die zurückliegende Kili-Expedition als Guide, Coach und Trainer zum 14. (und letzten) Mal geleitet. Er versteht es wie wenige andere, eine Gruppe zusammenzuschweißen, zu führen und mitzureißen.
„Die 7-Summits-Strategie“ ist eine spannende Reise zum Kilimandscharo und den wichtigen Dingen in unserem Leben, die wir oft aus den Augen verlieren.
Steve inspiriert Menschen, weil er ihnen eine neue Sichtweise schenkt: Weg von den Dingen, die uns unnötig Energie kosten hin zu mehr Leichtigkeit.
Ich auf dem Hinflug nach Tansania sowohl das Hörbuch gehört, als auch das Buch gelesen. Das Hörbuch ist gekürzt, enthält dafür aber weitere Inhalte wie ein Gespräch mit Bestsellerautor Frank Schätzing, bei dem Steve von seiner Antarktis-Expedition berichtet.
Fazit
Musst Du den Kilimandscharo besteigen, um nackt gut auszusehen? Was hat das eine mit dem anderen zu tun?
Nein, natürlich musst Du nicht. Genausowenig, wie Du dazu einen Marathon laufen oder Leistungssport treiben musst.
Dennoch sind beide Themen eng miteinander verknüpft. Denn es geht um die gleiche Struktur: Du setzt Dir ein Ziel, das Dich herausfordert, fasziniert und begeistert. Und dann tust Du etwas, um es zu erreichen.
Das, was Dich erfolgreich macht, folgt meiner Erfahrung nach stets den gleichen Prinzipien. Und die basieren vor allem auf Denk- und Verhaltensweisen, nicht auf genetischer Veranlagung.
Erfolg beginnt mit Deinem Ziel. Mit der Art, wie Du Deine Gedanken steuerst. Mit den Menschen, mit denen Du Dich umgibst. Mit Deiner Planung und dem Fokus auf den nächsten Schritt.
Dabei hilft es, achtsam zu bleiben und die eigenen Grenzen zu akzeptieren.
Erfolge sind dazu da, um sie zu genießen. Nicht nur die 100%. Denn 70% sind mehr als 0%.
Frage: Hast Du eine Frage zu meinem Kilimandscharo-Abenteuer? Hast Du in anderen Lebensbereichen ähnliche Erfahrungen gemacht? Vielleicht willst Du gar selbst einmal den Kilimandscharo besteigen? Schreib einen Kommentar.
Bildquellen
Fotos im Artikel „Kilimandscharo besteigen“: © Mark Maslow (Fotos der Kilimandscharo Besteigung), © Shutterstock.com: Alexander Baidin (Kili-Badge im Audiplayer), © Alexander Gerst (Kilimandscharo aus dem All), © Steve Kroeger (Skizze der Marangu-Route).