„Ich wollte es nie den anderen beweisen, sondern immer mir selbst. Das ist es, was mich antreibt.“
– Patrick Esume
Patrick Esume (@coachesume) gehört zu den erfolgreichsten American Football Coaches Europas. Er der einzige Deutsche, der in der NFL gecoacht hat.
Mit seinen Teams hat er alles gewonnen: German Bowl, Eurobowl, Worldbowl, EFL-Bowl und die World Games. 2010 wurde er GFL-Coach of the Year. Seit 2015 kommentiert er die NFL-Spiele für ranFootball und 2018 will er als Coach des französischen Nationalteams die EM gewinnen.
Coach Esume versteht es wie kein anderer, Menschen selbst dann zu motivieren, wenn die Situation ausweglos erscheint. Er hat ein Talent dafür, die Chance in jeder Niederlage zu sehen und Rückschläge in Erfolge umzuwandeln.
Wir sprechen über Erfolg, Motivation und Dranbleiben, nicht nur im Sport. Wie Du mit Rückschlägen umgehst und Deine Ziele erreichst.
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Dieser Artikel ist die überarbeitete Niederschrift unseres Podcasts.
Viel Spaß beim Lesen!
Was wir von Patrick Esume übers Dranbleiben lernen können
Mark Maslow: Für alle, die Dich noch nicht kennen, wer bist Du, und was machst Du?
Patrick Esume: Ich bin professioneller American Football Trainer und TV Experte für die NFL bei ProSieben-Sat.1 und bei „ran“.
Mark: Du hast eine ziemlich steile Karriere hingelegt. Was begeistert Dich an Deinem Beruf als Trainer und als Kommentator fürs Fernsehen?
Patrick: Mich begeistert der Sport, die Arbeit mit dem Athleten und die gemeinsame Vorbereitung der Mannschaft auf wichtige Turniere wie beispielsweise die Weltmeisterschaft.
Das Drumherum ist nur Makulatur.
Wie wird man American Football Nationaltrainer?
Mark: Du hast früher bei verschiedenen Vereinen gespielt und bist dann American Football Trainer geworden. Unter anderem warst Du der einzige deutsche Trainer in der amerikanischen NFL. Jetzt kommentierst Du bei ran. Wie kam das?
Patrick: Es war eine Anreihung von Zufällen.
Ich habe zehn Saisons in der Bundesliga gespielt, bevor ich anfing, bei den Hamburg Wild Huskies als Trainer mitzuhelfen.
Ich hatte Spaß daran, anderen weiterzugeben, was ich selbst von guten Trainern gelernt hatte.
Dann wurde ich Defense Coordinator in der zweiten Bundesliga, und im nächsten Schritt konnte ich in den Profibereich der NFL Europe wechseln.
Mit 27 Jahren hatte ich das Glück, als erster Deutscher in einer amerikanischen Profiliga zu arbeiten.
In den ersten drei Jahren in Frankfurt wurde ich erstklassig ausgebildet. Danach kam ich zurück nach Hamburg und bin zum Special Teams Coordinator aufgestiegen.
Irgendwann war ich Offense Coordinator, also die Nummer 2 hinter dem Head Coach.
Das hatte noch kein Deutscher vor mir geschafft.
Und im letzten Jahr der NFL Europe haben wir tatsächlich den World Bowl gewonnen. Das war mein größter Erfolg in der NFL Europe.
Danach bin ich zu den Cleveland Browns nach Amerika gegangen, und später wurde ich in Frankreich Cheftrainer für die Mannschaft in Paris. Wir sind französischer Meister geworden.
Zurück in Deutschland wurde ich Cheftrainer bei den Baltic Hurricanes in Kiel und dann Deutscher Meister.
Das war eine sehr erfolgreiche Zeit.
2014 hatte ich mit der Amateur-Footballmannschaft in Kiel alle Titel gewonnen, die man in Europa gewinnen kann.
Ich suchte deshalb nach einer neuen Herausforderung.
Und plötzlich kam das Angebot des französischen Verbands, die Nationalmannschaft zu übernehmen.
Außerdem habe ich mich zusammen mit meinem Businesspartner Mario mit einer Sportvermarktungsfirma selbständig gemacht.
Parallel dazu habe ich Athleten aus anderen Sportarten betreut.
Vom Weltmeister-Coach zum ranFootball Kommentator
Mark: Welche waren das?
Patrick: 2008 habe ich Brian Al Amin für die Weltmeisterschaft im Thai Boxen vorbereitet. Er wurde Weltmeister und hat inzwischen sein eigenes Kampfsport Gym in Hamburg.
Er rief mich 2014 an, weil einer seiner Athleten meine Hilfe brauchte: Ruslan Chagayev.
Ich sollte den ehemaligen Box-Weltmeister im Schwergewicht als Athletiktrainer wieder in Form bringen.
Mit Erfolg: Ruslan wurde erneut Weltmeister.
Ins Fernsehen bin ich mehr oder weniger durch einen Zufall gekommen. Als wir die deutschen Fernsehrechte für Ruslan verhandelten, kam ich in mit der „ran“ in Kontakt.
Irgendwann sprach mich Alex Rösner, der ran-Sportchef, an:
„Wir zeigen die NFL im Free TV und brauchen noch einen Experten. Wie wär‘ es, wenn Du das machst?“
So fing alles an.
Anfangs fand ich diese Idee nicht so gut. Ich dachte, der Fernsehauftritt könnte meiner Glaubwürdigkeit als Profitrainer schaden.
Aber meine Frau meinte, ich würde doch immer darüber meckern, dass die deutschen Übertragungen nicht gut genug seien. Und da wäre es doch nur konsequent, es selbst zu machen.
Tja, der Rest ist Geschichte.
Die Motivation der Symbolik im American Football
Mark: Deine Karriere fing vor 20 Jahren an. Welche Ziele hattest Du damals?
Patrick: Als ich mit dem Footballspielen angefangen habe, war es mein größtes Ziel, einmal einen Championship Ring zu gewinnen. 1996 wurde ich Deutscher Meister und Champions League Sieger, und da gab es gleich zwei Ringe.
Als ich Trainer werden wollte, sagten sie mir: „Du als Deutscher? Das wird doch nichts!“
Aber wer seiner Leidenschaft folgt, wird auch irgendwann Erfolg haben.
Mark: Wenn ein Team eine Meisterschaft gewinnt, bekommen alle Spieler und Trainer einen Ring. Nur im American Football?
Patrick: Inzwischen haben sich auch andere Sportarten diesen Brauch abgeschaut, zum Beispiel die NBA-Basketballer. Auch der FC Bayern München fängt an, Ringe zu verteilen.
Für die einzelnen Athleten ist es viel schöner, einen Ring zu Hause zu haben, als nach dem Sieg nur die Schale hochhalten zu dürfen.
Der Ring erinnert Dich immer wieder an diesen Erfolg. Und so verbindet er das gesamte Team.
Diese Verbundenheit fühle auch ich bis heute. Zum Beispiel mit den Blue Devils, mit denen ich den ersten deutschen Meisterschaftsring nach Hamburg geholt habe.
Das wird für uns immer etwas Besonderes bleiben.
Mark: Ein schönes Symbol für Erfolg. Wie feierst Du Deine Erfolge?
Patrick: (lacht) Ich bin da vermutlich nicht das beste Beispiel. Ich kann mich nicht lange über meine Erfolge freuen, was eigentlich etwas schade ist.
Wenn ich ein Ziel erreicht habe, beginne ich sofort wieder darüber nachzudenken, was ich mache, um den Ring im nächsten Jahr wieder zu verteidigen.
Stillstand ist für mich Rückschritt.
Aber vielleicht macht mich genau das auch erfolgreich.
Worin liegt die Faszination des American Football?
Mark: Was macht American Football so einzigartig?
Patrick: Als Kind spielte ich zunächst Fußball. Aber mit 18 nahm mein Kumpel Frank Fischer mich zu einem Training des Bundesligisten Hamburg Eagles mit.
Ich hatte keine Ahnung von den Regeln. Aber als ich dem ersten Ball fing, war das Feuer entfacht.
Der Sport faszinierte mich vom ersten Moment an – die Shoulder Pads, der Helm, der Geruch, die Stimme des Trainers. Vor allem der Team Spirit ist etwas Besonderes:
Beim Football funktionierst Du nur als Einheit. Du musst im Rudel jagen!
Es ist nicht wie im Fußball, wo Messie den Ball am eigenen Sechzehner nimmt, sich durchdribbelt und ein Tor schießt.
Vielleicht klingt das ein bisschen wild, aber so ist es. Das hat mich fasziniert, diese Kameradschaft unter den Spielern, und auch die Härte und die Taktik des Spiels.
American Football ist wie Schach mit echten Figuren.
Ich mag das.
Worum geht es beim American Football?
Mark: Vor ein paar Monaten habe ich in den USA ein Heimspiel der Texas Longhorns besucht. American Football ist dort so etwas wie ein Nationalsport. Worum geht es dabei?
Patrick: Die Grundzüge des Sports sind einfach.
Du hast vier Versuche, um den Ball 10 Yards – das sind knapp 10 Meter – nach vorne zu bringen.
Das kannst Du auf zwei Arten erreichen:
- Entweder Du läufst die Strecke mit dem Ball.
- Oder der Quarterback, der Spielmacher, wirft ihn einem Spieler zu.
Sobald Du die 10 Meter überbrückt hast, bekommst Du vier neue Versuche.
So bewegst Du Dich Schritt für Schritt über das Feld, bis Du die Endzone des Gegners erreicht hast.
Dahinter stecken viele, fast wissenschaftliche Spieltechniken, die sich mit Fragen beschäftigen wie:
- Welche Spielzüge sind möglich?
- In welcher Formation können wir (oder der Gegner) angreifen?
- Wie verteidigen wir mögliche Angriffsformationen?
Und etwas Weiteres kommt hinzu:
Keine Sportart vereinigt so viele unterschiedliche Athletentypen wie American Football.
Es gibt Spieler verschiedenster Statur, Größe und Gewichtsklasse.
Ich bin überzeugt, dass die Sportart – ähnlich wie Rugby – einen Teil unserer Natur abbildet:
American Football bedient die natürlichen Bedürfnisse des Mannes: jagen und erlegen oder beschützen und weglaufen.
Jedes Team besteht aus „Offense“ und „Defense“, also Angreifern und Verteidigern.
- Wenn Du im Angriff spielst, bis Du entweder Beschützer, ein großer kräftiger Kerl, der die Kleineren hinter sich beschützt. Oder Du bist einer von den kleinen Flinken, die weglaufen und den Ball fangen.
- Als Verteidiger bist Du eher ein aggressiverer Typ, der jagen und erlegen will.
Das sind die Gründe, warum American Football genau mein Sport ist.
Was macht einen guten Football-Coach aus?
Mark: Dein Buch „Believe the Hype“ eröffnet einen Blick hinter die Kulissen eines überraschend tiefgründigen Sports. Als Coach hast Du es mit einer Gruppe von Alphamännchen zu tun, die Du auf Kurs bringen darfst. Was macht einen erfolgreichen Football-Trainer aus?
Patrick: Du musst selbst auch ein Alphatier sein und ausstrahlen, dass Du die gesamte Mannschaft jederzeit im Griff hast – unabhängig von Deiner sportlichen Qualifikation.
Ein Team besteht aus 60, 70 Spielern. Dazu kommen weitere Coaches, Helfer und das Medical Staff – in Summe sind das gut 100 Leute.
Das heißt, als Cheftrainer ist es mein Job, stets das große Ganze zu überschauen und am Laufen zu halten.
Ein guter Football-Coach schafft es, aus einer Gruppe dominanter Individuen etwas Gemeinsames zu machen. Das ist die größte Herausforderung.
Authentisch zu sein, ist dabei eine Grundvoraussetzung.
Gerade sehr selbstbewusste junge Männer riechen es buchstäblich, wenn Du nicht Du selbst bist.
Als Coach bin ich auch nicht der Freund der Spieler. Ich bin derjenige, der sie leiten soll.
Nicht alle müssen meine Entscheidung lieben. Aber sie müssen sie respektieren.
Die Kunst dabei ist es, Disziplin und unpopuläre Entscheidungen auf der einen Seite und Menschlichkeit auf der anderen Seite in Einklang zu bringen.
Erfolgreiche Trainer schaffen es, die Spieler so zu packen, dass sie ihr eigenes Ego in die Tasche stecken und anfangen, das große Ganze zu sehen.
Mark: In Europa sind viele American-Football-Spieler Amateure, die „nebenher“ eine Familie haben und einem festen Beruf nachgehen. Wie motivierst Du Spieler, wenn sie mal einen schlechten Tag haben?
Patrick: Als Trainer einer Amateurmannschaft musst Du eine persönliche Beziehung zu den Spielern aufbauen und erkennen, wenn etwas schiefläuft.
Oft muss man gar nicht viel reden. Meist reicht es, wenn ich einem Spieler in so einer Situation die Hand auf die Schulter lege und ihm sage:
„Ich weiß, das war ein harter Tag heute, aber Du kriegst das hin!“
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass wir Männer da ziemlich einfach gestrickt sind.
Du willst als Trainer so etwas wie ein großer Bruder sein.
Wenn die Spieler wissen, dass sie mehr als nur ein Symbol auf dem Zettel sind, dann haben sie eine ganz andere Motivation, sich für den Trainer und das Team den Allerwertesten aufzureißen.
Wie funktioniert Motivation?
Mark: In Deinem Buch erzählst Du eine ziemlich abgefahrene Geschichte, wie Du ein französisches Champions League Team motiviert hast, den Favoriten zu besiegen …
Patrick: … ja, wir haben gegen den amtierenden Champion Berlin Adler gespielt und meine Jungs hatten die Hosen voll. Bis dato hatte kein französisches Team ein deutsches Team geschlagen.
Da musste ich tief in die Trickkiste greifen. Ich habe ihnen erzählt, dass ich als Deutscher schließlich wüsste, was in einer deutschen Kabine los ist, wenn man gegen Franzosen spielt.
Ich packte sie einfach an der Ehre und sagte ihnen: „Wenn der Feind in Dein Lager kommt, dann kannst Du nicht ohne Gegenwehr aufgeben und ihm Grund, Boden, Deine Frau und Deine Schwester zur Verfügung stellen!“
Das saß!
Mein Line Backer sprang auf, zog einen Säbel (keine Ahnung, wo er den herhatte), fing an zu schreien und die ganze Kabine rannte aufs Feld.
Sie waren einfach nicht mehr zu bremsen. So haben dann tatsächlich den amtierenden Champions League Sieger in letzter Minute heroisch geschlagen.
Das war ein absurdes Spiel, aber ein einschneidendes Erlebnis.
Es fühlte sich an, als hätten wir gerade den Super Bowl gewonnen.
Zu Anfang war ich mit meinem Latein fast am Ende. Ich musste ganz, ganz tief in die Kiste der Motivationstricks greifen.
Mark: Du hast Emotionen geweckt.
Patrick: Ohne Emotionen ist American Football schwer zu spielen.
Die Kunst besteht darin, emotional zu sein, ohne den Kopf zu verlieren.
Mark: Welchen Anteil hat die Motivation am Sieg?
Patrick: Sie ist die Grundlage. Motivation ist alles, ohne sie kannst Du kein Ziel erreichen. Es gibt zwei Arten von Motivation:
- Die von außen gesteuerte, extrinsische Motivation und
- die von innen kommende, intrinsische Motivation.
Als Trainer musst Du das eine nutzen, um das andere zu erreichen:
Die Athleten müssen davon überzeugt sein, dass alles, was im Training passiert, auch gut für sie selbst ist.
Die Motivation, die von innen kommt, sorgt dafür, dass sich die Spieler noch mehr für den Sport und für die Mannschaft einsetzen.
Wie motivierst Du Dich?
Mark: Was ist mit Dir? Wie motivierst Du Dich?
Patrick: Der Gewinn treibt mich an, ich bin sehr eigenmotiviert. Mein Motor ist die Leidenschaft, gut zu sein.
Ich will der ganzen Welt zeigen, dass ich schaffe, was ich mir vornehme.
Damals haben Freunde gesagt, „DU willst Football spielen? Du wiegst 75 Kilo, Du kannst doch nie einen Ring gewinnen.“ Und ich habe so lange gekämpft, bis ich den Ring hatte.
Als ich Trainer werden wollte, musste ich mir anhören, „Du hast doch gar keine Ahnung! Das wird nie etwas.“ Aber ich wollte ihnen einfach das Gegenteil beweisen!
Heute weiß ich, dass es dabei gar nicht um „die anderen“ ging.
Ich wollte es nicht den anderen, sondern mir selbst beweisen.
Und dieser Wille färbt ab.
Die Spieler spüren, dass das Feuer, das in mir brennt, echt ist. Das beflügelt sie.
Diese Leidenschaft fühle ich bei allem, was ich mir vornehme – nicht nur im Sport.
Auf welche Erfolge bist Du besonders stolz?
Mark: Worauf bist Du besonders stolz?
Patrick: Mein größter Erfolg sind ganz eindeutig meine beiden Töchter.
Sportlich gesehen war es der Sieg der NFL Europe World Bowl mit dem Hamburger Team als Offense Coordinator. Die NFL Europe wollte keinen Deutschen in der Position haben, aber mein Cheftrainer Vince Martino hat sich für mich eingesetzt.
Ich habe Tag und Nacht wie ein Pferd auf dieses Ziel hingearbeitet, und schließlich haben wir den World Bowl gewonnen. Ich kann mich noch erinnern, als wir in der ausverkauften Commerzbank Arena das Finale gewonnen haben. Das war unbeschreiblich und eine der ganz großen Errungenschaften meiner Trainerlaufbahn.
Gerne erinnere ich mich auch an meine erste Meisterschaft 1996 mit den Blue Devils im Hamburger Volksparkstadion.
Und der dritte sportliche Erfolg, auf den ich besonders stolz bin, war die Goldmedaille, die ich mit der französischen Nationalmannschaft bei den World Games gegen den Erzrivalen und amtierenden Europameister Deutschland gewonnen habe.
Wie findest Du die Chance in jedem Misserfolg?
Mark: Als Trainer der Baltic Hurricanes hast Du ausgerechnet Dein erstes Spiel verloren. Später seid ihr Deutscher Meister geworden. Was lässt Dich solche Rückschläge überwinden?
Patrick: Natürlich zweifle ich nach einem solchen Verlust, ob der eingeschlagene Weg der richtige ist. Die deutsche Footballgemeinde ist ein Dorf, und da hieß es dann prompt: „Mit Kiel ist wohl dieses Jahr nicht zu rechnen.“
Ich hatte mir im Kopf natürlich schon die Deutsche Meisterschaft zurechtgelegt, und als wir das erste Spiel verloren hatten, war das ganz schön hart.
In dieser Situation war mein damaliger Mentor Bob Valesente ganz wichtig für mich. Er sagte:
„Es geht nicht immer geradeaus, manchmal muss man links und rechts abbiegen. Aber bleib auf Deinem Weg!“
Gott sei Dank sind wir auf dem Weg geblieben und Deutscher Meister geworden.
Ich bin ein schlechter Verlierer. Ich habe zweimal in Folge die Deutsche Meisterschaft gegen Schwäbisch Hall verloren. Das war hart.
Gleichzeitig war es aber eine Motivation, die Herausforderung im nächsten Jahr wieder anzunehmen. Niederlagen sind immer auch Chancen!
Das Athletik-Training eines Box-Weltmeisters
Mark: Du warst Athletik-Trainer des Box-Champions Ruslan Chagayev. Wie hast Du ihn fit für die WM gemacht?
Patrick: Ich habe nach Parallelen der Bewegungsabläufe beim Boxen und beim Football gesucht und darauf eine Strategie aufgebaut.
Hier sind zwei Beispiele:
- Beide Sportarten arbeiten mit „lateral movements“, also seitlichen Bewegungen. Ruslan zurrte ich die Füße und Fäuste mit Therabändern fest, damit er bei Rechts-Links-Bewegungen gegen einen Widerstand arbeiten musste.
- Ich habe auch seine Kondition verbessert, und er hat sein Gewicht reduziert. Dadurch konnte er seine Schlagkraft enorm steigern.
In Grosny hat er dann gegen Franceso Pianeta gekämpft und konnte seinen Titel verteidigen.
Krafttraining im American Football
Mark: Wie gestaltest Du das Training einer internationalen Footballmannschaft? Welche Rolle spielt das Krafttraining?
Patrick: Das kommt darauf an, in welcher Phase man gerade steckt und welche Position man spielt.
Während der Saison trainiert man anders als außerhalb der Saison.
Und große, schwere Jungs trainieren anders als kleine, schlanke Sprinter.
Mark: Welche Position hast Du gespielt?
Patrick: Ich war Corner Back und Safety in der Passverteidigung.
Wir sind die Sprintertypen, die gegen die Passempfänger spielen. Das ist ein verdammt schwerer Job, denn die laufen vorwärts, und wir laufen erstmal rückwärts.
Und da siehst Du schon, dass die Anforderungen an die verschiedenen Positionen sehr unterschiedlich sind. Du kannst keinen zwei Meter großen 150-Kilo-Mann das gleiche Trainingspensum absolvieren lassen wie einen Mann mit 90 Kilo.
Die schweren Typen trainieren wie Gewichtheber, wie Kraftdreikämpfer.
Sie müssen maximale Kraft auf kurzem Raum umsetzen, um ein ideales Verhältnis von Kraft zu Masse aufzubauen.
Bei diesen Spielern sind 20 % Körperfettanteil kein Problem.
Die Schwungmasse ist für das Spiel sogar positiv.
Unter dem Fett steckt ein verdammt großer, schneller und explosiver Athlet.
Auf meiner Positionsgruppe ist das anders. Wir versuchen, so schnell wie olympische Sprinter zu laufen, aber gleichzeitig die Kraft zu haben, uns mit 120-Kilo-Menschen messen zu können.
Und je schlanker Du bist, desto schwerer wird es.
Auf meiner Position ist die Geschwindigkeit das A und O, denn Kraft ist Masse mal Beschleunigung.
Um in einer Kollision gegen jemandem, der 120 Kilo wiegt, eine Chance zu haben, musst Du schneller beschleunigen können.
Das Footballtraining kennt Grundübungen wie Kreuzheben, Kniebeugen, Bankdrücken, Power Cleans und Overhead Squats.
Wir nennen diese Übungen „Compound Movements“, Verbundübungen.
Dabei öffnen und schließen sich mehrere Körperwinkel. Das führt zur Kraftübertragung und die ist bei einem Kollisionssport extrem wichtig.
Ernährung im American Football
Mark: Wie sehr achten Footballspieler auf die Ernährung?
Patrick: Die Ernährung ist ein entscheidender Faktor. Und auch der hängt davon ab, auf welcher Position man spielt.
Die großen schweren Jungs müssen aufpassen, dass sie außerhalb der Saison nicht zu viel zunehmen, sonst werden sie langsam und träge.
Bei mir war es das Gegenteil, ich habe versucht, außerhalb der Saison zuzunehmen, weil ich während der Spielsaison an Gewicht verloren habe.
Ich bin teilweise mit 91 Kilo in die Saison gestartet und wog am Ende nur 83 Kilo.
Wie hält Patrick Esume sich in Form?
Mark: Du bist jetzt mit Mitte 40 sehr gut in Form. Wie hältst Du Dich fit?
Patrick: Mit Mitte 40 ist man zwar keine 20 mehr. Aber ich versuche, meinen Körperfettanteil gering zu halten. Ich achte auf meine Ernährung und trainiere gerne und regelmäßig.
Ich gehe sehr gerne ins Gym. Wenn ich es einrichten kann, fünf- oder sechsmal pro Woche.
Dranbleiber fragen, Patrick Esume antwortet…
Mark: Dave fragt via Facebook: „Wie steuerst Du im Training die unterschiedlichen Anforderungen an die einzelnen Positionen?“
Patrick: Das schaffe ich nur durch die Unterstützung meiner Assistenztrainer. Die setzen um, was in der jeweiligen Positionsgruppe gefordert ist.
Außerdem haben wir bereits darüber gesprochen, dass unterschiedliche Körpertypen andere Trainingsmethoden benötigen.
Dazu brauchen wir gar nicht so viel Equipment: Wenn Du ein einfach ausgestattetes Gym mit Squat-Rack, Langhantelstange und mehreren Gewichten hast, dann hast Du alles, was Du brauchst.
Mark: Christine sagt: „Alles, was ich über Schmerzmittel weiß, habe ich von einem Kerl aus der Defense Line gelernt.“ Was ist da dran?
Patrick: Football ist ein Kollisionssport.
Überall, wo es Kollision oder Kontakt gibt, entstehen Schmerzen.
Das lässt sich nicht vermeiden.
Es ist jedoch sehr wichtig, den Unterschied zwischen Schmerz und einer Verletzung zu kennen.
Schmerz kannst Du tolerieren, aber eine Verletzung nicht.
Gerade im Amateurbereich ist das schwer, weil es keine professionelle medizinische Versorgung gibt und man am nächsten Tag wahrscheinlich wieder im Job funktionieren muss.
Beim Profisportler ordnet der Physiotherapeut an, dass man nicht weiterspielen darf, um wieder fit zu werden. Man erhält Anwendungen und Therapien.
Das gibt es beim Amateursportler nicht. Deswegen zieht er sich eine „Ibu 800“ rein und kneift die Backen zusammen.
Das ist auch in anderen Sportarten so.
Alles, was Du übertreibst, fordert seinen Tribut. Und Leistungssport ist Übertreibung.
Die Sportler suchen sich oft nicht die nötige Hilfe. Stattdessen gehen sie den vermeintlich einfacheren Weg.
Ich selbst bin ein totaler Angsthase, was Medizin und Tabletten betrifft.
Tabletten nehme ich nur, wenn wirklich nötig ist, weil ich Angst vor den Nebenwirkungen habe.
Das gilt auch für das Doping.
Bei Steroiden hätte ich Angst, dass meine Eier schrumpfen (lacht) oder, dass ich einen Nierenschaden bekomme.
Das, was Du rausbekommst, steht in keinem Verhältnis zu der Gefahr, die Du eingehst.
Zum Glück habe ich sowas nie gebraucht.
Mark: Die letzte Frage kommt von Moni, einer befreundeten Personal Trainerin. Sie ist ein großer Baseball Fan und fragt: „Was hältst Du von Baseball?“
Patrick: Hallo Moni! Sorry, dass ich das jetzt sagen muss, aber Baseball und ich, wir werden nie Freunde werden. Beim Baseball fehlt mir einfach die Action, die man beim Football hat.
Patrick Esume über Vorbilder und Glauben
Mark: Wenn Du das Wort „Erfolg“ hörst, welche Menschen kommen Dir in den Sinn?
Patrick: Wenn ich „Erfolg“ höre, kommen mir Nelson Mandela, Martin Luther King und der Dalai-Lama in den Sinn.
Die hatten Erfolg, weil sie den gesamten Globus verändert haben.
Das ist der ultimative Erfolg. Alles, was im Sport oder im Showbusiness passiert, ist irrelevant verglichen mit dem, was diese Personen erreicht haben.
Mark: Gibt es etwas, was Du glaubst, was aber nur wenige andere Menschen glauben?
Patrick: Ich weiß nicht, wer das sonst noch so glaubt, aber ich glaube ans Karma.
Wer Schlechtes in die Welt bringt, bekommt Schlechtes zurück. Und umgekehrt:
Wenn Du Gutes gibst, kommt früher oder später Gutes zu Dir zurück. Das ist „The Story of my Life“.
Ich dachte früher, ich sei zu gutmütig sei und hätte öfter „nein“ sagen sollen.
Aber rückblickend sehe ich, wie viel zurückgekommen ist. Beispielsweise hat mir jemand, der aufgrund meiner Hilfe heute in einer guten Position ist, ein schönes Auto zur Verfügung gestellt. Einfach so.
Viele sagen: „Der Esume, der hat wieder Glück gehabt!“ Nein, der Esume hat kein Glück gehabt.
Er war jahrelang nett zu jemanden, ohne Hintergedanken zu haben. Und viele Jahre später hat mir derjenige etwas zurückgegeben.
Gerade in unserer schnelllebigen, digitalen Welt ist es wichtig, dass man inmitten des ganzen Glamours von Twitter, Facebook und Instagram nicht das vergisst, worauf es im Leben wirklich ankommt: Echte, zwischenmenschliche Beziehungen und ein gutes Miteinander.
Wenn Du Vater wirst und zwei kleine Menschen ins Leben geschickt hast, dann gewinnt das nochmal eine ganz andere Bedeutung.
Was würdest Du an Dir ändern?
Mark: Gibt es etwas, das Du gerne an Dir ändern würdest?
Patrick: Ich wünsche mir manchmal, nicht so dickköpfig zu sein. Obwohl ich weiß, dass vermutlich genau das eine der Qualitäten ist, die mich erfolgreich machen.
Mit dem Streben nach dem Gewinnen stand ich mir bisher manchmal selbst im Weg. Wenn ich vergessen habe, schöne Momente zu genießen.
Ich bin immer gleich zum nächsten Ziel gerannt, und das verursachte Stress. Das beschreibe ich ja auch in meinem Buch.
Mark: Das Buch empfehle ich wirklich jedem, der sich für Sport interessiert. Vermutlich planst Du schon die nächsten Projekte?
Patrick: Aktuell arbeite ich an „Showdown“, einem Projekt für RTL. Es ist eine ziemlich abgefahrene Fitness Competition, die ab Herbst 2018 jeden Freitag Abend bei RTL läuft.
Dafür habe ich mich auch wieder in Form gebracht, ich hoffe, man sieht das! (lacht)
Mark: Das sieht man jetzt schon! Worum geht’s bei „Showdown“ genau?
Patrick: Es ist ein Mann-gegen-Mann- bzw. Frau-gegen-Frau-Wettkampf“ in der Wüste. Es wird eine sehr ursprüngliche Challenge:
„Du gegen mich in der Wüste – schauen wir, wer besser ist.“
Es gibt einige Parallelen zum American Football, das finde ich natürlich spannend.
Außerdem bereite ich die französische Nationalmannschaft auf die Europameisterschaft vor, die von Juli bis August 2018 in Finnland stattfindet. Das ist auch nochmal ein Riesending:
Wir sind World Games Champion und wollen die Europameisterschaft zusätzlich gewinnen.
Ab Ende August geht dann meine Buchtour los. Der Sommer ist also gut gefüllt.
Mark: Wird die Europameisterschaft im Fernsehen übertragen?
Patrick: Sie wird in Finnland übertragen. Ich hoffe, dass sie auch hier in Deutschland zu sehen sein wird – wenigstens das Finale.
Patricks Message für die Welt
Mark: Was würdest Du auf eine große Plakatwand schreiben, die jeder lesen kann?
Patrick: Ich würde zwei Kinder unterschiedlicher Hautfarbe abbilden und „Liebe“ darüberschreiben. Das ist alles.
Ich habe das Gefühl, dass unsere Welt gerade aus den Fugen gerät und dass uns das Essentielle verlorengeht.
Wenn ich eine Chance hätte, eine Message in die Welt zu bringen, dann wäre es folgende:
Kinder sind unsere Zukunft und wir brauchen ein bisschen mehr Liebe in dieser Welt.
So abgedroschen es auch klingen mag.
Mark: Wo findet man Dich online?
Patrick: Über die Webseite patrickesume.com und natürlich über Facebook, Twitter und Instagram. Einfach oben „Coach Esume“ eingeben, dann findet man mich. Ich bin auf allen drei Portalen mit Videos und Geschichten sehr aktiv.
Mark: Vielen Dank für Deine Zeit, Patrick!
Patrick: Ich danke, dass ich hier sein durfte!
- Marke: EDEL
- Believe the Hype!: American Football: Mehr als nur ein Spiel
- Esume, Patrick(Autor)
Frage: Welche “Aha-Momente” nimmst Du aus unserem Gespräch für Dich mit? Was veränderst Du als nächstes? Was nimmst Du Dir vor? Schreib’ einen Kommentar.
Bildquellen
Fotos im Artikel: © Patrick Esume.