Kennst Du das 80-20 Prinzip im Sport?
Hand aufs Herz: Was meinst Du wie groß ist der Anteil Deines Trainings, der Dich wirklich näher an Dein Ziel bringt?
Und jetzt halt Dich fest.
Wenn für Dich das gleiche gilt wie für die meisten Sportler, dann könnten nur 20% Deines Trainings 80% Deines Erfolges ausmachen.
Denk an die Möglichkeiten, die sich ergeben würden, wenn Du diese 20% kennen würdest…
Dann könntest Du die verbleibenden 80% einfach weglassen und würdest immer noch sehr viel erreichen.
Hättest vielleicht mehr Zeit für andere Dinge, die Dir neben dem Sport besonders wichtig sind.
Oder Du setzt Dir einfach höhere Ziele und erreichst diese in kürzerer Zeit.
Heute beginnen wir mit einer Gedankenreise – 100 Jahre in die Vergangenheit. Lass uns ein Prinzip entdecken, das die Grundlage für hocheffizientes Training in Deiner Lieblingssportart bedeuten kann.
Paretos Garten
Mein alter Freund Vilfredo ist leider vor fast 100 Jahren gestorben. Es ist eine Schande, aber daher hatte ich nie die Chance ihm einen auszugeben.
Vilfredo Pareto war nicht nur ein Ingenieur und Soziologe, sondern auch ein gerissener Geschäftsmann, der das inzwischen auch als 80-20 Regel bekannte Pareto-Prinzip aufstellte.
Was Vilfredo Pareto feststellte, ist dass Wohlstand innerhalb einer Gesellschaft sehr ungleich verteilt ist:
20 Prozent der Bevölkerung sind im Besitz von 80 Prozent des Geldes.
Interessanterweise lässt sich dieses Prinzip auch auf Bereiche außerhalb der Ökonomie übertragen: z.B. die Verteilung von Einwohnern in Städten, Schadensfälle pro Anzahl Versicherten, Problemstellungen zu denen Fragen gestellt werden, etc.
Die Idee für dieses Prinzip kam Pareto übrigens in seinem eigenen Garten, als er feststellte, dass 20 Prozent seiner Erbsen 80 Prozent des Ertrages abwarfen.
Wenn das Prinzip z.B. in Projekten, Biologie, Risiko- und Bevölkerungsverteilung gilt – warum sollte es dann nicht auch in Sport und Training gelten?
Die minimale effektive Dosis im Sport
In seinem Buch „Der 4-Stunden Körper“ stellt Timothy Ferriss das Prinzip der „minimalen effektiven Dosis“ vor. Schon bevor ich das Buch las, versuchte ich mein Training möglichst kompakt zu halten. Seitdem ich ins Studio gehe, stellte ich mir die Frage:
Wie viel, bzw. wie wenig Training ist genug, um mein Ziel zu erreichen?
Viele von uns sind beeindruckt von der Statur eines Weltklasse-Sprinters oder Turners. Müssen wir so trainieren wie ein Leistungssportler, um wie einer auszusehen?
Nope.
Müssen wir so viel Laufen wie Haile Gebreselassie, um so schlank zu sein wie er?
Njet.
Unser Leben besteht nicht nur aus Sport. Die entscheidende Frage ist also, wie wenig muss ich investieren, um mein Ziel zu erreichen? Und genau diese Dosis nennt Tim Ferriss „minimale effektive Dosis“, kurz MED.
Paretos 80-20 Prinzip
Gehen wir zurück in Paretos Garten. Das 80-20 Prinzip lässt sich also wie folgt zusammenfassen:
80 Prozent des Outputs stammen aus 20 Prozent des Inputs.
Oder anders formuliert:
- 80 Prozent der Konsequenzen resultieren aus 20 Prozent der Ursachen.
- 80 Prozent der Ergebnisse folgen aus 20 Prozent des Gesamtaufwands – auch des Zeitaufwands.
Und auf den Sport übertragen:
- 80 Prozent der Trainingserfolge resultieren aus 20 Prozent der Trainingsinhalte.
Diese 20 Prozent sind das, wonach wir suchen. Um mit Tim Ferriss zu sprechen, die minimale effektive Dosis.
Wie wenig Sport ist genug?
Es erscheint zunächst schockierend: 80 Prozent meiner Trainingserfolge resultieren nur aus 20 Prozent meines Trainings-Inputs?
Ich glaube fest daran, dass dieses Verhältnis prinzipiell stimmt, wenn wir alle möglichen Faktoren die unseren Trainingserfolg ausmachen – oder torpedieren – einbeziehen.
Fakt ist, die Trainingswissenschaft ist bis heute viel von Trail and Error und statistischen Erhebungen geprägt.
Kein Mensch weiß genau, welche Faktoren wirklich in Gänze eine Rolle für unseren Trainingserfolg spielen.
Menschen und Faktoren, die sie beeinflussen sind einfach unglaublich komplex.
Und verstehe mich nicht falsch:
Es ist in jedem Fall besser, ETWAS zu tun um Dein Ziel zu erreichen.
Als es von vornherein bleiben zu lassen, weil Du die entscheidenden 20 Prozent noch nicht identifiziert hast.
Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer begraben: Die Sache ist ja die, wenn ich die entscheidenden 20 Prozent nicht genau kenne und mich auf die falschen Faktoren konzentriere, werde ich mein Ziel nicht erreichen.
Paretos 80-20 Prinzip im Muskelaufbau
Zum Glück brauchen wir nicht alle Faktoren selbst zu bestimmen. Gerade im Kraftsport gibt es ein prominentes Beispiel für die 80/20-Regel.
Wenn wir uns die Trainingsmethoden im Bodybuilding ansehen, so gibt es auf der einen Seite das klassische Volumentraining, das durch Arnold Schwarzenegger berühmt wurde.
Hier werden pro Trainingstag bis zu 100 Wiederholungen je Muskelgruppe durchgeführt – ein ungeheurer Zeitaufwand. Aber eine Möglichkeit, das Ziel „Muskelaufbau“ zu erreichen.
Auf der anderen Seite Arthur Jones‚ High Intensity Training (HIT), bei dem pro Muskelgruppe ein Satz á 10 Wiederholungen ausreicht, um massives Muskelwachstum zu triggern.
Ich habe eine Zeit lang nach dem HIT-Prinzip trainiert und kam mit 3x 10 Minuten Krafttraining pro Woche aus. Obwohl ich zu dem Zeitpunkt bereits über 10 Jahre trainierte, wuchsen die Muskeln trotz des sehr kurzen – aber hochintensiven – Trainingsreizes – zumindest für einen begrenzten Zeitraum.
Demgegenüber steht ein 60 bis 90-minütiges (oder längeres) Volumentraining.
Meinen Klienten empfehle ich das HIT-Training dennoch nicht. Einerseits, weil es nur dann funktioniert, wenn die Grenze des momentanen Muskelversagens in wirklich jeder Trainingseinheit überschreitet. Was auch mir nicht immer gelang.
Und zweitens, weil die meisten Menschen mit herkömmlichem Muskelaufbau Training einfach bessere Ergebnisse erzielen.
Die meiner Meinung nach beste MED-Lösung liegt dazwischen:
Ein minimalistischer 2er Split Trainingsplan erfüllt die 80/20 Regel.
Was bleibt, ist die Frage nach dem eigenen Ziel.
Ich habe mich nach einigen Monaten auch deshalb von diesem Minimaltraining verabschiedet, weil es für mich einfach nicht so erfüllend war, nur 3x 10 Minuten pro Woche Krafttraining zu machen.
Training darf Spaß machen – dann entfällt der Part mit der Selbstdisziplin.
Paretos 80-20 Prinzip im Kardiotraining
Es gibt Menschen, die behaupten, sie können nur mit kurzen, hochintensiven Intervallen fit für einen Marathon werden.
Ich habe diese Trainingspläne zugegebenermaßen selbst noch nicht getestet und bin daher skeptisch.
Vielleicht ist es tatsächlich möglich, den Kreislauf schnell fit für die Langdistanz zu bekommen, vielleicht sogar auch die Muskulatur.
Aber die hohen Umfänge im Marathontraining sorgen auch dafür, dass sich Sehnen und Gelenke an die andauernde Belastung gewöhnen. Ob dies auch bei kurzen Intervallen geschieht, halte ich für fraglich.
Wenn Dein Ziel jedoch nicht der Marathon ist, sondern allgemeines Ausdauertraining oder Fettabbau, dann kann High Intensity Interval Training (HIIT) der 20 Prozent Schlüssel zu Deinem Ziel im Ausdauer und Cardiotraining sein.
Fazit
Paretos 80-20 Prinzip übt in allen sportlichen Bereichen einen ungeheuren Reiz aus.
Im Familienleben, im Beruf, im Freundeskreis und auch im Sport wollen wir unser volles Potenzial ausreizen. Effizienz im Training ist heute also wichtiger als je zuvor.
Hier eine Toolbox zu haben, aus der ich mich bedienen kann wenn es schnell gehen soll – z.B. dem minimalistischen Muskelaufbau Training oder dem HIIT Training im Ausdauersport ist von unschätzbarem Wert.
Und wenn wir wieder mehr Zeit haben, haben wir die Möglichkeit auf andere Trainingsformen wie das Volumentraining oder längere Ausdauereinheiten umzusteigen und so neue Trainingsreize zu setzen.
Diese Auswahl an Trainingformen gibt uns die Freiheit, unsere Freizeit so einzusetzen wie wir es wollen – ohne unser Ziel aus den Augen zu verlieren.
Die 80-20-Regel wird sich in daher wie ein roter Faden direkt oder indirekt durch viele Artikel auf dieser Seite ziehen. Bleib dran!
Bildquellen
Bildnachweis im Artikel “Paretos 80/20 Prinzip im Sport”: © iStock/gregepperson