Dann hab‘ ich Stress auf Weihnachten und andere Feiertage.
Nicht wegen „zu viel gegessen“ an Weihnachten. Ich liebe Weihnachten!
Womit ich ein Thema habe, sind die vielen Fitness-Feiertagsdiät-Vorschriften,
mit denen wir alle Jahre wieder bombardiert werden.
Die Empfehlungen reichen vom …
- Totalverzicht auf alle leckeren Lebensmittel bis hin zur
- völligen Völlerei, kombiniert mit Fasten vor- und nach den Feiertagen.
Dabei bleibt die vielleicht wichtigste Frage außen vor:
Was würde diesen Tag für Dich zu einem ganz besonderen machen?
Möglicherweise sind viele Diäten auch deswegen zum Scheitern verurteilt, weil sie elementare Fragen wie diese ausklammern.
Die Fettlogiken der Fitness-Industrie
Es geht mir gar nicht um die Feierlichkeiten selbst. Sondern darum, wie die Fitness- und Diätenindustrie mit einer Tradition umgeht, bei der für die meisten von uns etwas ganz anderes im Vordergrund steht:
Zeit mit der Familie. Entspannung. Wichtigen Menschen eine Freude machen.
Stattdessen lesen wir Artikel darüber, wie Du zu Weihnachten oder Ostern Kalorien einsparst und auf welche Lebensmittel Du besser verzichtest. Jedes Jahr aufs Neue.
Dazu gibt’s fixe Fettabbau-Tricks, die oft nur eines bewirken:
Sie nehmen Dir die Freude an einem Feiertag, bei dem es darum geht, den Alltag zu durchbrechen.
Ein besonderes Festmahl, auch etwas Völlerei – all das gehörte schon für unsere Großeltern dazu. Vielleicht auch, weil das Loslassen vom Gewohnten auch etwas Entspannendes und Befreiendes hat.
„Aber man soll sich doch nicht mit Essen belohnen“, mag der eine oder andere jetzt einwenden. Stimmt, soll man nicht. Und hier steht etwas anderes im Mittelpunkt:
Es geht um besondere Momente, in denen gutes Essen Teil unserer Kultur und Tradition ist.
Ich finde, es ist ganz und gar nichts Verkehrtes daran, bei besonderen Anlässen auch mal aus emotionalen Gründen zu essen.
Willst Du wissen, was ich für absoluten Blödsinn halte?
Uns vorzuschreiben, wir sollten EINEN TAG im Ernährungs-Zölibat leben, anstelle an ALLEN ANDEREN TAGEN gesunde Gewohnheiten aufzubauen.
Denn bei den meisten Menschen erzeugen solche Vorschriften kein Sixpack, sondern eine Zwangsjacke. Sie schüren unnötig ein schlechtes Gewissen, Ängste und Mangelgefühle.
Es ist ein Trend, der die Motivation untergräbt, langfristigen Fettabbau unmöglich macht – und sich dennoch jedes Jahr wiederholt.
Leider.
Eine ausgewogene Ernährung, die auf Verboten beruht, funktioniert in meiner Welt nicht. Was funktioniert, ist die Freiheit, selbst zu entscheiden.
Und Du KANNST entscheiden: Willst Du für den Rest Deines Lebens auf Kohlenhydrate und Festtagsdesserts verzichten – oder das ultimative Ernährungsgeheimis entschlüsseln?
Zu viel gegessen? Was jeder Dranbleiber über Feiertags-Völlerei wissen sollte
Statistisch gesehen, nimmt der durchschnittliche Deutsche zwischen erstem Advent und Neujahr etwa 1 Kilo zu.1
Dreimal darfst Du raten:
Das passiert nicht an einem oder zwei Tagen.
Sondern in vier bis fünf Wochen!
Meine Meinung? An Weihnachten, Ostern oder Silvester brauchst Du Dir keine Gedanken über Kalorien machen.
Iss, worauf Du Lust hast.
Gut möglich, dass die Waage am nächsten Tag sogar ein paar Kilo mehr anzeigt. Aber das meiste davon ist nur Bodennebel, der sich in den nächsten 24 bis 48 Stunden wieder verzieht.
Also Wasser, Verdauungsinhalt und einige andere lustige Effekte Deines Stoffwechsels, die die Weihnachtsgans viel schlimmer erscheinen lassen, als sie es tatsächlich ist.
Denn die Wahrheit ist folgende:
Es macht keinen Unterschied, ob Du an einem einzigen Tag zu viel gegessen oder „ungesund“ gegessen hättest.
Genauso wenig wie ein Tag Völlerei die Figur ruiniert, führt ein Tag Fasten zur Traumfigur. Abnehmen funktioniert so nicht, Zunehmen übrigens auch nicht.
Das wird deutlich, sobald wir uns die Fakten vor Augen führen.
Die Mathematik des Fettabbaus: Warum Weihnachten nicht dick macht
Nehmen wir an, Du hättest Angst gehabt, an nur einem Tag von fit und fest zu fett und flauschig zu mutieren.
Geht das überhaupt? Komm, wir werfen einen Blick auf die harten Zahlen.
Die Wissenschaft hat die Faustregel inzwischen weitestgehend bestätigt:2345
1 Kilo Körperfett enthält etwa 7.000 Kalorien.
Für die Detailfreaks unter uns: Ja, der tatsächliche Kaloriengehalt kann je nach Aufbau des Fettgewebes etwas schwanken, aber die Größenordnung stimmt.
Vermutlich müsstest Du sogar mehr als 7.000 kcal zu viel essen, um 1 Kilo Fett anzusetzen.
Vor allem dann, wenn Du einer eiweißreichen Ernährung frönst. Denn beim Verdauen von Eiweiß gehen bis zu 20-35% der enthaltenen Kalorien in Form von Wärme verloren. Bei Fett und Kohlenhydraten sind es immerhin 5-15%.
Angenommen, Dein täglicher Kalorienbedarf läge nun bei 2.500 kcal. Um ein Kilogramm Fett zuzunehmen, müsstest Du:
- 9.500 kcal an einem Tag schaffen oder
- je 6.000 kcal an zwei Tagen.
Na – dann mal guten Appetit! Außerdem kommt noch etwas hinzu:
Wer richtiges Krafttraining betreibt, würde einen Teil des Zusatz-Kilos nicht mal als Fett, sondern in Form von Muskeln aufbauen.
Dabei ist es doch so:
Wenn überhaupt, würdest Du langfristig vermutlich wenig Veränderungen sehen.
Denn mit dem Körpergewicht steigt auch der Energiebedarf, um dieses Gewicht zu halten. Das heißt, dazu müsstest Du fortan täglich noch etwas mehr essen.
Das beweist doch:
Langfristige Veränderungen im Körpergewicht sind NIE eine Sache von einem oder zwei Tagen.
Sie sind die Summe vieler Tage – und eines konstanten Anstiegs der Kalorienzufuhr, die (meist) unbemerkt bleibt.
Viele Faktoren spielen eine Rolle – allen voran langfristige Gewohnheiten.
Weihnachten, Silvester, Ostern oder andere einzelne Tage sollten da nicht mal zur Debatte stehen.
Immer noch skeptisch? Okay, hier ist noch ein Argument. Lass uns den Völlerei-Gedanken einfach mal aufs Training übertragen.
Angenommen, Du würdest einen ganzen Tag nur Sport treiben, Kalorien verbrennen und zur menschengewordenen Ausgabe des Duracell Häschens werden (also weiter dranbleiben, während „herkömmliche“ Hasen schon längst aufgegeben hätten).
Und den Rest der Woche – oder des Monats – machst Du … nichts!
Würdest Du ernsthaft sichtbare Veränderungen Deines Körpers erwarten?
Natürlich nicht. Ein einzelner Hardcore-Trainings-und-Kalorienverbrennungs-Tag beeinflusst die langfristige Kalorienbilanz so gut wie gar nicht.
Wenn wir über Abnehmen und Zunehmen reden, müssen wir uns das gesamte Bild anschauen.
Nicht einzelne Pixel. Ein Satz Bizepscurls macht keine dickeren Oberarme, die Summe regelmäßiger Trainingssätze über Wochen und Monate macht den Unterschied!
Das führt uns direkt zurück zur 90/10-Regel: Wenn Du zu 90% des Jahres dranbleibst, machen die verbleibenden 10% nicht fett – selbst, wenn Du Dich noch so verrückt ernährt hättest.
Das Geheimnis eines gesunden Festessens (Kuchen inklusive)
Ist das nun der Freifahrtschein, alle Vorsicht in den Wind zu schlagen, alles in Sichtweite zu inhalieren und einer gesunden Ernährung den Mittelfinger zu zeigen?
Nicht wirklich.
Denn das fühlt sich ebenso wenig nach Gelassenheit und Genuss an, wie zwanghafter Verzicht.
Dabei geht es doch um Folgendes:
Genussvolles, bewusstes Essen im Kreise Deiner Lieben, das Dir Freude bereitet.
Wenn Du es übertreibst, so dass es sich wirklich nicht mehr gut für Dich anfühlt, dann war es ganz offensichtlich zu viel des Guten.
Oder falls in der Vergangenheit ein einziges Festmahl zu einem ganzen Monat schlechter Entscheidungen geführt hätte, dann wäre es tatsächlich eine gute Idee, vorauszuplanen und Rahmenbedingungen zu finden, die das verhindern.
Aber wenn Du eigentlich schon satt bist und dann doch noch ein Dessert genießt, das Du sonst eher stehen gelassen hättest, dann ist das völlig okay. Ich finde, es gehört zu solchen Tagen auch irgendwie dazu.
Totalverzicht und eine gesunde Ernährungsweise, an der Du langfristig dranbleiben willst, passen nicht zusammen.
Askese war noch nie die Idee einer ausgewogenen „Nackt-Gut-Aussehen“-Ernährung.
Schließlich ist Fitness ja kein Selbstzweck.
Ich weiß nicht, welche Werte in Deinem Leben eine Rolle spielen. Für mich stehen Freiheit und Spaß ziemlich weit oben. Und so wichtig Gesundheit und Fitness mir auch sind – ich wäre nicht bereit, sie gegen ein spaßbefreites, zwanghaftes Leben einzutauschen.
Dies ist Dein Leben. Du bist hier, um es genießen und es zu leben – im hier und jetzt.
Schließlich ist nicht jeder Tag Deines Lebens ein Fest- oder Feiertag. Aber wenn es ein solch besonderer Tag ist, solltest Du ihn nutzen – und Dich nicht mit Kalorienzielen oder Ernährungsvorschriften stressen.
Klar, wer nackt gut aussehen will, darf dafür etwas tun – so gesehen sind 90 Prozent Deines Lebens „Schaffenstage“. Also Tage, an denen Du gesunde Gewohnheiten lebst (oder etablierst), bewusst isst, schläfst und trainierst. Das ist normal.
Und Tage wie Weihnachten, Silvester oder Ostern sind eine wunderbare Gelegenheit, um eine Pause einzulegen, loszulassen und einen Moment durchzuatmen.
Auf den ersten Blick mag das ungesund erscheinen. Aber einen, zwei oder drei Tage, an dem Du die Regeln Regeln sein lässt, gegen 300 Tage einzutauschen, an denen Du sie befolgst, ist ein legitimes Tauschgeschäft.
Und wenn das Fest vorbei ist, gehst Du wieder zu Deinen gesunden Routinen über. Also die Lebensmittel genießen, die Du liebst UND die Dich voranbringen.
Nackt Gut Aussehen funktioniert nur dann langfristig, wenn Du einen Weg findest, mit dem Du Dich gut fühlst
Und nicht eine Last, die besondere Momente im Leben kaputt macht.
Ich bin fest davon überzeugt, dass es diesen Weg für jeden von uns gibt.
Also lass es Dir schmecken, genieße den Tag und lebe den Moment.
Frohe Weihnachten!
P.S. Wusstest Du, dass Kalorien an Feiertagen anders wirken? Hier mehr dazu.
Bildquellen
Bildquelle im Artikel „zu viel gegessen“: © Shutterstock.com: lassedesignen.
- Helander, et al.: Weight Gain over the Holidays in Three Countries, N Engl J Med 2016; 375:1200-1202 [↩]
- Pope, et al.: The impact of high-calorie-expenditure exercise on quality of life in older adults with coronary heart disease. J Aging Phys Act. 2011 Apr;19(2):99-116. [↩]
- Byrne, et al.: Does metabolic compensation explain the majority of less-than-expected weight loss in obese adults during a short-term severe diet and exercise intervention? Int J Obes (Lond). 2012 Nov;36(11):1472-8. doi: 10.1038/ijo.2012.109. Epub 2012 Jul 24. [↩]
- Devenny, et al.: Weight loss induced by chronic dapagliflozin treatment is attenuated by compensatory hyperphagia in diet-induced obese (DIO) rats. Obesity (Silver Spring). 2012 Aug;20(8):1645-52. doi: 10.1038/oby.2012.59. Epub 2012 Mar 8. [↩]
- Byrne, et al.: Weight loss strategies for obese adults: personalized weight management program vs. standard care. Obesity (Silver Spring). 2006 Oct;14(10):1777-88. [↩]