„Eine der Hauptursachen für Übergewicht ist – neben Diäten – emotionales Essen. Menschen essen oft aus Langeweile, Einsamkeit, Müdigkeit, Frust oder hundert anderen Gründen – von denen keiner etwas mit physischem Hunger zu tun hat.“
– Paul McKenna, Hypnotherapeut
In diesem Artikel erfährst Du:
Lass uns mit der ersten Frage starten.
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Warum essen wir?
Essen ist Treibstoff. Nahrung. Baustoff für Muskeln, Zellen und Gewebe.
Vielleicht auch aus Gründen, die über das, was Du brauchst, hinausgehen.
Es ist sicher kein Zufall, dass das Essen oft im Mittelpunkt steht, wenn Menschen für Geburtstage, Familienfeste, Jubiläen, Grillabende oder Dates zusammenkommen.
Für viele sind Lebensmittel ein einfacher Weg, um mit schlechten Gefühlen umzugehen.
Sie verbinden Essen unterbewusst mit Liebe, Wärme, Kümmern und Familie.
Ich glaube nicht, dass Du diese positiven „Nebeneffekte“ des Essens vollständig ausgrenzen solltest.
Ich vermute, dass Du nackt gut aussehen und GLÜCKLICH sein willst. Nicht nackt gut aussehen und dabei UNGLÜCKLICH sein.
Das ist einer der Gründe, warum ich kein Freund von Totalverboten bin und im Coaching einen 90/10-Ansatz vertrete.1
Daher gibt es bei mich auch keine Regeln dieser Art:
- „Entweder Du erfüllst meine Vorgaben zu 100% – oder gar nicht.“
- „Eiscreme? Sorry, die musst Du ab jetzt aus Deinem Leben streichen.“
Die Wahrheit ist nicht schwarz oder weiß:
Du willst eine Lösung finden, die Dir einerseits genügend Spielraum zum „Leben“ lässt und die Du andererseits so gut befolgen kannst, dass Du trotzdem Fortschritte machst.
Essen aus emotionalen Gründen ist okay.
Emotionales Essen wird erst dann zum Thema, wenn Du es wie ein „Medikament“ gegen Stress oder schlechte Gefühle einsetzt.
Und zwar regelmäßig oder unbewusst.
Was ist emotionales Essen?
Einige Experten machen eine wahre Wissenschaft daraus. Es gibt genügend Bücher dazu, um eine kleine Privatbibliothek zu füllen. Beispiel gefällig? Such‘ auf Amazon.de nach dem Begriff „emotionales Essen“ und Du bekommst über 400 Treffer.
Einige denken, Du würdest einen Psychotherapeuten brauchen, wenn Du ein Thema mit emotionalem Essen hättest.
Ich glaube das nicht.
Ich bin an der Stelle ziemlich simpel gestrickt:
Ich glaube, emotionales Essen ist ein (meist unbewusst) erlerntes Verhalten.
Emotionales Essen äußert sich auf eine dieser drei Arten:
- Du isst aus einem Impuls heraus, ohne bewusst darüber nachzudenken.
- Du isst aus einem anderen Grund, als Deine körperlichen Bedürfnisse zu decken.
- Du folgst beim Essen unsichtbaren Skripten, die Dich Deinem Ziel nicht näherbringen.
Dabei ist das Essen gar nicht mal der Knackpunkt.
Das Hauptproblem dabei ist der unbewusste Part.
Also, dass Du aus den falschen Gründen gegessen hättest – ohne, dass es einen „Ping“ auf Deinem Radar auslöst.
Warum essen wir, obwohl wir keinen Hunger haben?
Wer glaubt, emotionales Essen würde nur mit Stress oder schlechten Gefühlen wie Einsamkeit, Trauer, Enttäuschung, Wut oder Frust im Zusammenhang stehen, übersieht etwas.
Es gibt viele andere Motive zu essen, ohne physischen Hunger zu fühlen.
Zum Beispiel:
- aus Langeweile,
- in Gesellschaft,
- wegen der schönen Erinnerungen,
- weil es was zu Feiern gibt,
- weil etwas fehlt (etwas anderes als Essen),
- um sich gut zu fühlen,
- um sich sicher zu fühlen,
- um sich geborgen zu fühlen,
- um sich zu belohnen,
- aus Gewohnheit (z.B. vor dem Fernseher, vor dem Zubettgehen, usw.)
Manchmal sind diese Gründe völlig legitim.
Stell Dir vor, Du bist zu einer Hochzeit eingeladen.
Das Essen wird serviert und weil Du jetzt noch keinen Hunger hast, lehnst Du dankend ab: „Vielleicht in einer Stunde, ich habe gerade noch keinen Hunger.“
Das hätte schon etwas Situationskomik. Würdest Du nicht tun – oder?
Hochzeiten, Geburtstage, Feste, … – auf gesellschaftliche Events und das damit verbundene Essen zu verzichten, ist in meinen Augen weder angebracht, noch nötig (es sei denn, Du bist Hochzeitsfotograf und jede Woche auf 5 Festen unterwegs…aber das ist ein anderes Thema).
Du hast einen Anlass, etwas zu ändern, wenn Du Dir nach einem stressigen Tag den Magen vollgeschlagen hättest, um „runterzukommen“.
Und zwar ohne dass physischer Hunger dahintersteht.
Emotionales Essen gehört für viele Menschen zum Alltag
Essen als „Medikament“ ist keineswegs ungewöhnlich.
Laut einer aktuellen Umfrage essen 40% der Frauen und 21 % der Männer in Deutschland „schon mal aus Stress oder Frust“.2
Und die anderen Motive sind hier nicht berücksichtigt…
Die Ironie an der Sache ist folgende:
Du kannst „emotionalen Hunger“ nicht mit Lebensmitteln stillen.
Da ist diese Frau. Als ich das erste Mal von ihr höre, ist sie ziemlich übergewichtig.
Ich bin erstaunt, wie gut sie sich schon mit gesunder Ernährung auskennt. Außerdem trainiert sie regelmäßig – nach einem ordentlichen Trainingsprogramm.
Fehlendes Wissen ist also nicht ihr Thema. Ihr Thema ist, dass sie manchmal „einfach nicht aufhören konnte zu essen“.
Es wäre völlig sinnlos, wenn ich ihr erklären würde, was sie wann essen sollte, um abzunehmen.
Stattdessen sprechen wir darüber, worauf sie eigentlich aus ist, wenn sie in diese Situation kommt. Ihr eigentliches Bedürfnis ist, dass sie sich einfach besser fühlen will, wenn sie traurig oder alleine ist.
Essen kann diese Probleme nicht lösen.
Etwas anderes hilft:
- Wir identifizierten Situationen, für die Essen tatsächlich eine Lösung ist. Essen als Energiequelle, um gesund zu bleiben, um Muskeln aufzubauen – und so weiter.
- Wir brainstormen alternative Verhaltensweisen für Situationen, in denen sie früher versucht hatte, schlechte Gefühle durch Essen zu kompensieren. Tätigkeiten, mit denen sie die guten Gefühle, die sie sich wünscht, tatsächlich bekommen kann. Natürlich gehört auch Ausprobieren dazu. Aber es ist erstaunlich, wieviele Ideen sie hat: Zum Beispiel will sie mehr unter Leute zu kommen – auch außerhalb des Trainings. Und wenn sie sich einmal einsam oder traurig fühlt, gibt es andere Dinge, die ihr gut tun.
Die Lösung für sie ist also weder eine neue Diät, noch ein bestimmtes Ernährungsprogramm.
Die Lösung ist ein neues Denkverhalten. Neue unsichtbare Skripte.
Für sie war das ein ziemlicher Durchbruch.
Natürlich gab es sie, die Tage, an denen sie ihre alten Gewohnheiten nochmal „austestete“. Nur um dann festzustellen: „Nein, es hilft mir noch immer nicht.“
Sie akzeptiert, was andere „Rückschläge“ nennen würden. Sie bleibt dran, trainiert weiter.
Und bald tut sich wieder was. Endlich.
Sie nimmt Körperfett ab und schafft es, ihren Körper nachhaltig zu transformieren.
Wie Du den ersten Schritt gehst…
Wenn Stressessen für Dich auch mal ein Thema gewesen wäre, beginnt die Lösung immer an der gleichen Stelle.
Ich rede von Achtsamkeit.
Du wirst Dir der Situationen bewusst, in denen Du aus emotionalen Gründen gegessen hättest.
Du findest und „trainierst“ alternative Verhaltensweisen.
In Situationen, in denen Du früher gedacht hättest, dass Du „Hunger“ hattest, weißt Du nun: „Ich bin nicht hungrig, ich fühle mich frustriert.“
Wenn Du weißt, dass Du viel bessere Handlungsalternativen hast, und Essen Dein Thema nicht löst, nimmst Du das Heft wieder in die Hand.
Das darf ruhig etwas Energie kosten. Es ist Training.
Du trainierst Deine Gedanken wie einen Muskel.
Das Ergebnis ist Stück für Stück … mehr … Freiheit.
Wenn Du in der Lage bist, emotionalen und physischen Hunger eindeutig voneinander zu trennen, erkennst Du Situationen, in denen Du früher impulsiv zu Lebensmitteln gegriffen hättest.
Was ist Hunger? Wie Du emotionalen und physischen Hunger unterscheidest
Physischer und emotionaler Hunger unterscheiden sich grundlegend.
- Physischer Hunger entsteht allmählich. Vielleicht grummelt der Magen als erstes, bis das Hungergefühl irgendwann stechend stark ist. Emotionaler Hunger entsteht plötzlich.
- Physischen Hunger kannst Du eine Zeit lang ertragen, wenn es sein muss – und mit dem Essen warten. Bei emotionalem Hunger hast Du das starke Bedürfnis, ihn sofort zu stillen.
- Physischer Hunger entwickelt sich normalerweise 3-4 Stunden nach Deiner letzten größeren Mahlzeit. Emotionaler Hunger kann jederzeit eintreten.
- Bei physischem Hunger reicht es, wenn Du erstmal „irgendetwas Essbares“ bekommst. Emotionaler Hunger richtet sich auf ein bestimmtes Lebensmittel (ohne stechendes Hungergefühl).
- Physischer Hunger wird durch Essen gestillt. Bei emotionalem Essen bleibt der Hunger.
- Wenn Du aus physischen Gründen isst, befriedigt Dich das Essen. Ein schlechtes Gewissen kann ein Zeichen für emotionales Essen sein.
Wie so oft, gilt auch hier: Ausnahmen bestätigen die Regel. Aber diese Prinzipien helfen Dir in den meisten Situationen, psychischen und physischen Hunger voneinander zu unterscheiden.
Sie schärfen Deine Achtsamkeit. Und Du weißt, warum Du gegessen hast, obwohl Du keinen Hunger hattest.
Physischer Hunger | Psychischer Hunger |
---|---|
entsteht allmählich | entsteht plötzlich |
ist eine zeitlang erträglich | will sofort gestillt werden |
ca. 3-4 h nach der letzten Mahlzeit | kann jederzeit eintreten |
"irgendwas" Essbares genügt | spezielle Lebensmittel |
durch Essen stillbar | Hunger bleibt |
Essen befriedigt | kann Gewissensbisse auslösen |
Fazit
Emotionales Essen ist ein gesunder Teil unseres Lebens. Nackt gut aussehen und ein „ausgefülltes“ Leben – mit Geburtstagen, Hochzeiten, Familienfeiern – schließen sich nicht aus. Ganz im Gegenteil.
Emotionales Essen wird dann zum Thema, wenn Lebensmittel zum „Medikament“ werden. Vielleicht liefern sie sogar ein kurzes emotionales „High“. Aber emotionaler Hunger ist das Bedürfnis nach etwas Anderem. Nach einem Gefühl, das Essen nicht bedienen kann.
Ich glaube, dass es einen simplen Ausweg gibt.
Simpel heißt nicht leicht – so, wie Krafttraining mit schweren Gewichten auch nicht leicht ist. Aber jeder Mensch kann Fortschritte machen und immer stärker werden. Wenn Du bereit bist, Deine Komfortzone zu verlassen.
Neugierig auf den nächsten Schritt? Dann lass‘ uns das Thema emotionales Essen in diesem Artikel fortsetzen.
Doch zuvor bist Du an der Reihe: In welchen Situationen war emotionales Essen für Dich ein Thema? Welches Bedürfnis stand wirklich dahinter? Schreib einen Kommentar. Wenn Du bereits eine Lösung für Dich gefunden hast, schreib sie mit auf. Wenn Du willst, kannst Du anonym posten – das ist okay.
- 90/10 Regel: Versuche, Dein Trainings- und Ernährungsprogramm zu 90% einzuhalten, und erlaube Dir 10% Ausnahmen. [↩]
- Ernährungsverhalten in Deutschland nach Geschlecht 2013, Forsa-Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse, Statista 2013 [↩]