Aufwärmen vor Krafttraining – ja oder nein?
Ein lästiger Zeitfresser. Das Gefühl haben viele, wenn sie an das Erwärmen vor dem Workout denken.
Also überspringen sie das Aufwärmprogramm galant.
Die Frage ist berechtigt:
Ist die Zeit fürs Aufwärmen nicht viel besser ins richtige Krafttraining investiert?
Den eigentlichen Trainingsreiz setzt Du doch beim Krafttraining – und nicht davor.
Wenn Du Dein Workout möglichst effizient und effektiv gestalten möchtest, solltest Du jetzt weiterlesen. In diesem Artikel erfährst Du die Wahrheit:
- Kommt Aufwärmen vor Krafttraining – oder kannst Du darauf verzichten?
- Was verstehen wir unter “richtigem” Aufwärmen?
- Wie Du das Meiste aus Deinem Workout rausholst, ohne Zeit zu verschwenden.
- Ein hocheffektives 10-Minuten-Aufwärmprogramm
- Was passiert, wenn Du das Warmmachen auslässt.
Als “Warmup” für den heutigen Artikel habe ich eine kleine Studie durchgeführt.
Fallstudie: Aufwärmen vor Krafttraining oder Kaltstart?
Vor einiger Zeit stellte ich mir folgende Frage:
Wie viele Menschen wärmen sich vor dem Krafttraining auf?
In einem der Fitnessstudios, in denen ich trainiere, liegen die Cardiogeräte exakt zwischen Herrenumkleide und Trainingsbereich. Beim Kardiotraining kann ich also wunderbar beobachten, wer sich vor dem Krafttraining aufwärmt – und wer nicht.
Also lege ich mich für eine Stichprobe auf die Lauer. Das Ergebnis hat mich überrascht:
8 von 10 Männern verzichten aufs Warmup und starten direkt durch.
Keine Ahnung, ob dieses Ergebnis repräsentativ ist. Aber es ist ziemlich sicher, dass einige Menschen das Warmup galant umgehen.
Ich frage mich, ob die Herrschaften den Kaltstart auch beim Sex bevorzugen…
Wie dem auch sei: Wer aufs Aufwärmen vor dem Krafttraining verzichtet, riskiert mehr als nur Verletzungen. Gut möglich, dass auch das eigentliche Workout ineffektiv wird.
Warum geht Aufwärmen vor Krafttraining?
Lass uns ein Gedankenexperiment machen.
Du sitzt in Deinem absoluten Traumauto. Betätigst die Zündung. Der Motor fängt an zu musizieren.
Würdest Du jetzt den ersten Gang reinhämmern, das Gaspedal bis zum Anschlag durchdrücken und das kalte Triebwerk zum Brüllen bringen?
Wenn Du noch länger Spaß an Deinem Gefährt haben willst, vermutlich nicht. Und beim Krafttraining?
Viele Sportler glauben Zeit einzusparen, wenn sie das Warm Up auslassen.
“Hey, die 10 Minuten Aufwärmen vor dem Krafttraining spare mir und mache dafür lieber noch ein paar Sätze Bizepscurls extra! Damit baue ich bestimmt noch mehr Muskeln auf!”
Klingt erstmal logisch, ich weiß. Aber das Gegenteil ist der Fall:
Langfristig sparst Du Zeit, indem Du Dich vor dem Krafttraining aufwärmst.
Und zwar aus zwei Gründen:
- Wer das Aufwärmen überspringt, riskiert Verletzungen an Muskeln, Sehnen und Gelenken. Ein paar Wochen Zwangspause können Dich um Monate zurückwerfen.
- Kalte Muskeln sind schwächer als warme Muskeln. Wer kalt durchstartet, trainiert ineffektiv.
Gerade der zweite Punkt ist vielen Sportlern nicht bewusst:
Warme Muskeln sind stärker als kalte Muskeln.
Um einen Trainingsreiz zu setzen, der Dich besser werden lässt, willst Du Deinen Muskel voll auslasten.
Es ist viel leichter (und sicherer), einen warmen Muskel ans Limit zu bringen. Bei einem kalten Muskel wirst Du die Leistung schwerlich abrufen können.
Wenn Du also das Optimum aus Deinem Krafttraining herausholen möchtest, solltest Du ein paar Minuten ins Aufwärmen investieren.
Was ist “richtiges Aufwärmen”?
Mit Deinem Traumkörper verhält es sich genauso wie mit Deinem Traumauto:
Erst, wenn die Betriebstemperatur erreicht ist, gibst Du Gas.
Das Aufwärmen bringt Blut in Deine Muskeln und wärmt sie auf.
Warmes Muskelgewebe ist belastbarer und weniger anfällig für schmerzhafte Zerrungen und Muskelfaserrisse.
Außerdem verbessert sich die so genannte intramuskuläre Koordination: Unter Last aktivierst Du mehr Muskelfasern gleichzeitig. Das Ergebnis:
Du hast mehr Kraft und bewegst mehr Gewicht.
Unter Aufwärmen verstehen wir also das, was wir aktiv tun, um in einer optimalen körperlichen Verfassung ins Training oder einen Wettkampf einzusteigen.
Das Aufwärmen vor dem Krafttraining besteht aus zwei Teilen, die beide im aeroben Bereich mit sehr niedriger Intensität ausgeführt werden:
- Allgemeines Aufwärmen
- Spezifisches Aufwärmen
Im ersten Teil, dem allgemeinen Aufwärmen, bringst Du Deinen Körper auf Temperatur. Mit dem spezifischen Aufwärmen bereitest Du die zu trainierende Muskelgruppe auf die bevorstehende Belastung vor.
Klar soweit? Dann los!
Das 10-Minuten-Aufwärmprogramm: So maximierst Du Deinen Trainingserfolg
Ein effektives Warmup kostet Dich nicht mehr als 10 Minuten und besteht aus zwei Teilen.
Aufwärmen vor Krafttraining #1 – Allgemeines Warmup
Mit leichtem aeroben Training kommst Du am einfachsten auf Betriebstemperatur. Verwende dazu ein Cardiogerät (Fahrrad-, Ruderergometer, Crosstrainer, Laufband, …), geh eine Runde Joggen oder Seilspringen.
Dabei solltest Du folgende Punkte beachten:
- Intensität: Beim Warmup ist leichte Belastung angesagt. Deine Herzfrequenz sollte bei etwa bei 60 % des Maximums liegen. Wenn Du keinen Pulsmesser besitzt, kannst Du Dich auch an der Borg-Skala (Stufe 5-6) orientieren.
- Dauer: Sobald Du anfängst zu schwitzen, bist Du warm. Für die meisten Menschen sind das 5-7 Minuten. Sportler, die die “40” schon überschritten haben, dürfen sich etwa doppelt so viel Zeit nehmen.
Tipp: Ich radele ziemlich genau 10 Minuten zum Fitnessstudio. Dadurch eignet sich die Anfahrt geradezu ideal fürs allgemeine Aufwärmen. Die gewonnene Zeit kannst Du gut ins Training investieren.
Schwitzt Du schon? Prima. Dann bewegen wir uns jetzt in Richtung der Geräte.
Aufwärmen vor Krafttraining #2 – Spezifisches Warmup
Hier sind zwei hervorragende Methoden, mit denen Du die zu trainierenden Muskelgruppen aufwärmst.
- Spezifisches Aufwärmen mit Gewichten: Du beginnst mit dem regulären ersten Trainingssatz, verwendest dabei allerdings nur die Hälfte Deines Workout-Gewichts. Nehmen wir an, Du planst einige Wiederholungen Kniebeugen mit 80 kg. Dann beginnst Du mit einem Warmup-Satz, für den Du nur 40 kg nimmst. Damit erhöhst Du einerseits die Beweglichkeit Deiner Muskeln, Sehnen und Gelenke und bereitest Dein Nervensystem auf die bevorstehende Belastung vor.
- Spezifisches Aufwärmen mit Körpergewicht (ohne Gewichte): Wenn Du willst, kannst Du auch Deinen Körper als Warmup-Werkzeug verwenden. Sagen wir, Du möchtest mit 10 Wiederholungen im Bankdrücken starten und hast keine Lust, die Hantelscheiben für den Warmup-Satz zu wechseln.
Auf, in den Liegestütz mit Dir!
Mach insgesamt 30 Wiederholungen, bevor Du mit vollem Gewicht in Deinen Trainingssatz einsteigst.
Selbst Menschen, die so beschäftigt sind, dass sie den Sex im Terminkalender planen, sollten sich die paar Minuten für ein anständiges Warmup immer nehmen.
Mehr sind es nicht, nur ein paar Minuten.
Und wie Du die Dinge planst, weißt Du dann ja schon.
Musst Du Dich wirklich vor dem Krafttraining Aufwärmen?
Vor einigen Jahren las ich in der englischen Ausgabe des Magazins Outside ein Interview mit dem amerikanischen Fitness-Vater Jack LaLanne, der zum Thema Warmup folgendes sagte:
“Das Warmup ist die gequirlteste Sch****, von der ich je gehört habe. 15 Minuten für ein Warm Up!
Macht ein Löwe sich erst warm, wenn er hungrig wird?
‘Oh-oh, da ist eine Antilope. Ich mach lieber erstmal ein paar Aufwärm-Übungen.’
Nein!
Er startet einfach durch und erlegt die Beute.”
Ich mag Jack LaLanne. Ich mag seinen direkten Stil und die klaren Worte. Und ich mag Tier-Dokus, weil es so viele Parallelen zum menschlichen Verhalten gibt.
Aber ich glaube auch, dass Jack den Löwen etwas länger beobachten sollte: Auch der Löwe wärmt sich auf, wenn er aufwacht, und zwar indem er sich erstmal ausgiebig streckt.
Was der Löwe intuitiv weiß, ist heute Stand in Forschung und Trainingspraxis: Je besser Du Dich aufwärmst, desto mehr kannst Du leisten, ohne Dich dabei zu verletzen.
Fazit
Das perfekte Aufwärmen vor dem Krafttraining dauert gerade einmal 10 Minuten. Wer die 40 schon passiert hat, darf sich 5 Minuten mehr nehmen.
Beginne mit leichtem aeroben Training und bereite danach mit oder ohne Gewichten die spezifischen Muskelgruppen Deines Trainingstages auf die kommende Belastung vor.
Das Aufwärmen ist besonders dann entscheidend, wenn Du im Krafttraining mit hohem Gewicht oder wenigen Wiederholungen arbeitest.
Je höher die Gewichte, die Du bewegst, und je niedriger die Anzahl Wiederholungen, desto höher ist Dein Verletzungsrisiko – wenn Du kalt ins Training startest.
Wie gesagt: Ich möchte, dass Du aus meinen Fehlern lernst, ohne sie selbst zu machen. Den “zeitsparenden” Kaltstart habe ich in meinem jugendlichen Leichtsinn vor vielen Jahren selbstverständlich für Dich ausprobiert.
Ergebnis? Hat nicht funktioniert:
Vier Wiederholungen schweres Kreuzheben. Muskelfaserriss. 3 Monate Zwangspause.
Jaja, der ein oder andere denkt jetzt: Super, Mark! Drei Monate Trainingszeit gespart. So hatte ich es damals allerdings nicht gemeint.
Daher empfehle ich Dir: Nimm Dir die Zeit. Aufwärmen vor Krafttraining.
Frage: Welches ist Dein Aufwärm-Ritual? Welche Erfahrungen hast Du mit dem Warmup oder vielleicht auch mit dem Kaltstart gemacht? Schreib einen Kommentar.
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