Training bei Erkältung, Grippe, Infekt – wann ist Sport noch okay?
Wir Sportler sind oft härter im Nehmen.
Schließlich sind wir es gewohnt, unsere Komfortzone zu verlassen.
Egal ob Regen, Schnee, Erkältung oder Fieber – der Trainingsplan steht!
Dabei sollte jedes Workout Dich Deinem Ziel ein Stück näher bringen.
Aber gilt das auch, wenn Du Dir einen Infekt eingehandelt hast? Ist Sport mit Erkältung schon zu viel des Guten? Oder kannst Du so lange trainieren, wie Du nicht vollends flachliegst?
Mit einigen Infekten ist nicht zu spaßen: Ein Training zuviel und, zack, bist Du doppelt so lang krank. Uncool.
Deshalb lernst Du in diesem Artikel eine ungewöhnliche Methode kennen, mit der Du selbst beurteilen kannst, ob ein Training bei Erkältung und Krankheit noch Sinn macht – oder ob Du lieber eine Pause einlegen solltest.
Außerdem erfährst Du, wie Du – wenn es Dich wirklich mal erwischt hat – sicher wieder ins Training einsteigst, ohne einen Rückfall zu riskieren.
Training bei Erkältung? Entscheide mit dem Nacken!
Andreas Hünerberg, mehrfacher Hamburger Meister im Marathonlauf und derzeit Athletiktrainer der Hockey-Bundesligamannschaft, war jahrelang mein Mentor im Marathontraining.
Als ich vor Jahren einmal verschnupft zum Lauftraining erscheine, frage ich ihn: „Kann ich das Training bei Erkältung durchziehen – oder riskiere ich Schlimmeres?“
Anstelle meine Frage zu beantworten, sagt er: „Wo treten denn die Symptome auf?“ Und schenkt mir damit etwas viel Wertvolleres:
Entscheide mit der Nackenregel, ob Du mit einer Erkältung Sport machen kannst.
Und zwar so:
- Treten die Symptome unterhalb des Nackens auf (Bronchitis, Mandeln, Gliederschmerzen), ist eine Trainingspause angesagt.
- Bei Symptomen oberhalb des Nackens (laufende Nase, Niesen, Hustenreiz im oberen Halsbereich) kannst Du ins Training gehen.
Obwohl mir meine laufende Nase ziemlich zu schaffen macht, ist die Frage damit beantwortet und ich trainiere mit.
Nach dem Training geht es mir übrigens deutlich besser.
Der Kopf ist frei und die Energie zurück.
Offenbar stellt es kein gesundheitliches Risiko dar, mit einer normalen Erkältung zu trainieren.
Aber wie steht’s mit dem Risiko, die Erkältung zu verschleppen? Das haben Wissenschaftler glücklicherweise für uns herausgefunden.
Verzögert bei einer Erkältung Sport die Genesung?
Um diese Frage zu beantworten, führte Dr. Tom Weidner an der Ball State University eine Studie mit insgesamt 60 Läufern durch, die er zunächst mit einer gewöhnlichen Erkältung infizierte.1
Dann teilte er die Probanden in 2 Gruppen ein:
- Gruppe 1 führte eine Woche lang jeden Tag für etwa 30-40 Minuten ein Lauftraining durch.
- Gruppe 2 ruhte sich eine Woche lang aus.
Das Ergebnis der Studie überrascht:
Weder Training noch Ruhe wirkten sich positiv oder negativ auf die Dauer des Schnupfens aus.
Beide Gruppen benötigten die gleiche Zeit, um wieder gesund zu werden.
Training bei Erkältung ist im Normalfall also „wissenschaftlich“ erlaubt und ein probates Mittel, mit dem Du Deine Fitness erhalten kannst und Dich nach dem Training vielleicht sogar besser fühlst.
Allerdings solltest Du nicht an die Belastungsgrenze gehen, wenn Du mit Erkältung Sport machst.
Moderates Training ist angesagt, damit Du Dein Immunsystem nicht weiter schwächst.
Tipp: Wenn Du Deine Erkältung schnell loswerden willst, kannst Du Dir mit einigen bewährten Hausmitteln helfen.
Trainingspause? Wann Du unbedingt zu Hause bleiben solltest
Dennoch solltest Du nicht jeden Infekt leichtfertig als „einfachen Schnupfen“ abtun.
Vor einiger Zeit befragte ich meinen Hausarzt zu diesem Thema. Seine Antwort: „Wenn Du extrem stark erkältet bist und Dich zu stark belastest, kannst Du eine Nebenhöhlenentzündung riskieren.“
In den vergangenen zwei Jahrzehnten habe ich wegen einer Erkältung Sport zwar noch nie ganz unterbrochen – und ich bin bisher gut damit gefahren. Aber:
Im Zweifel solltest Du auf Deinen Körper hören und zu Hause bleiben.
Dann solltest Du das Fieberthermometer zücken und messen:
Wenn Du mehr als 37 °C misst, ist Training definitiv tabu!
Laufen oder Krafttraining mit erhöhter Temperatur oder gar Fieber würden nicht nur die Symptome verschlimmern.
Du könntest sogar Dein Leben riskieren. Und zwar aus folgenden Gründen:
- Dein Herz erbringt bei Fieber bereits eine erhöhte Leistung, um das Blut zur Kühlung in die Nähe der Hautoberfläche zu pumpen. Wenn Du Dich nun zusätzlich belastest, steigt Deine Körpertemperatur weiter und es kann zu Herz-Rythmus-Störungen kommen.
- Eine Virusinfektion geht oft mit Gliederschmerzen einher. Wenn mit auf diese Weise bereits in Mitleidenschaft gezogenen Muskeln ins Training gehst, riskierst Du Verletzungen.
Du bist auf dem Weg der Besserung? Prima!
So steigst Du wieder ins Training ein und vermeidest Rückschläge…
Wann solltest Du wieder ins Training starten?
Du fühlst Dich wieder besser, das Fieberthermometer zeigt „grünes Licht“ und heute ist der erste Tag, an dem Du morgens wieder fit aus dem Bett springst? Großartig.
Dennoch solltest Du nicht am ersten Tag wieder ins Training einsteigen.
Auch, wenn Du Dich danach fühlst.
Denn das bedeutet nicht, dass Dein Immunsystem mit der Krankheit bereits völlig fertig ist.
Sobald Du Dich wieder gut fühlst, solltest Du Dir noch wenigstens einen Tag Ruhe gönnen.
Ich bin bisher gut mit den Empfehlungen meines Hausarztes gefahren: Am 2. Tag nachdem das Fieber abgeklungen ist, beginne ich wieder mit einem leichten Workout. Dann trainiere ich vorsichtig nach Gefühl weiter.
Auch das habe ich vor vielen Jahren mal für Dich ausprobiert: Ich bin zu früh und zu intensiv durchgestartet. Die Quittung kam prompt und die ganze Geschichte ging noch einmal von Vorne los.
Ungeduld lohnt nicht. Ganz im Gegenteil.
Also gönn Dir im Zweifel lieber einen Tag Pause zu viel, als einen zu wenig. Trainiere lieber etwas zu entspannt, als zu intensiv.
Und erwarte nicht zu viel von Dir:
Nach einer Erkrankung mit Fieber dauert es meistens etwa 1-2 Wochen, bis Du wieder mit der alten gewohnten Intensität trainieren kannst.
Es ist also auch hier eine gute Idee, dass Du eher auf Deinen Körper hörst, als auf Deinen Trainingsplan.
Sind Sportler häufiger krank?
Die gute Nachricht ist:
Moderates Training stärkt das Immunsystem.
Zu viel des Guten kann es allerdings auch wieder schwächen.
Wo liegt also die Grenze? Das ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Zum Beispiel:
- Genetik,
- Lebensstil,
- Ernährung,
- Stresslevel,
- Schlaf und eben dem
- Trainingsumfang.
Also lass uns einen Blick auf den Trainingsumfang werfen. Ab wann würdest Du häufigere Infekte riskieren, weil das Training Dein Immunsystem eher schwächt als stärkt?
Dr. David Nieman von der Appalachian State University führte Ende der 1980er Jahre eine Studie mit 2.300 Läufern durch, die am Los Angeles Marathon teilnahmen.2 Er beobachtete, dass die Grenze für die meisten Menschen bei etwa 100 Trainingskilometern pro Woche liegt.
Läufer, die über 100 km pro Woche liefen, hatten ein etwa doppelt so hohes Infekt-Risiko, wie diejenigen, die unter 100 km liefen.
100 Kilometer pro Woche sind schon ein anständiges Pensum, das selbst 90% der Marathonläufer nicht übersteigen werden.
Auch wenn mir keine Forschungsergebnisse zum Krafttraining vorliegen, sehe ich das Risiko, das Immunsystem mit Krafttraining zu überfordern, als eher gering an.
Fazit
Du fühlst Dich krank und bist nicht sicher, ob Du trainieren solltest? Die Nackenregel hilft Dir dabei, Dich schnell richtig zu entscheiden. Zusätzlich kannst Du das Fieberthermometer zücken: Training mit erhöhter Temperatur oder gar Fieber ist ein absolutes No-Go!
Das letzte Wort sollte im Zweifel immer Deinen Körper haben – nicht der Trainingsplan.
Übrigens kannst Du einiges dafür tun, in Zukunft gar nicht erst krank zu werden: Hier sind drei Wege, wie Du Dein Immunsystem natürlich stärken kannst.
Frage: Welche Sport-Erfahrungen hast Du gemacht, als Du Dich krank fühltest? Gehst Du zum Training bei Erkältung? Was hat funktioniert, was nicht? Schreib einen Kommentar.
Bildquellen
Bildnachweis im Artikel “Solltest Du trainieren, wenn Du krank bist”: „el miedo se observa“ von Sir Sabbhat (CC BY-SA 2.0) via Flickr, „Swine Flu Anyone?“ von Ben Chau (CC0) via Flickr