Stell‘ Dir vor, Du machst jeden Tag Liegestütze. 1522 Pushups. Jeden. Einzelnen. Tag.
Wenn Du 365 Tage lang dranbleibst, hast Du an Silvester 555.555 Liegestütze im Kasten. Das reicht für Platz 1 auf der Runtastic Pushups Pro Weltrangliste.
Es gibt einen Dranbleiber, der genau das tat. Roman ist 55 Jahre alt und hat diesen Rekord aufgestellt.
555.555 – ja, heute geht es um eine geradezu obszöne Anzahl Liegestütze. Aber wir gehen noch einen Schritt weiter. Was bedeutet es, einen derart starken Willen zu besitzen? Wir decken einige der unsichtbaren Skripte auf, die Roman erfolgreich machen – und wie Du sie für Dich nutzen kannst.
Artikelserie: Erfolgsgeschichten
Im heutigen Interview bekommst Du Antworten auf folgende Fragen:
- Was treibt Roman an? Wie motivierst Du Dich, um jeden Tag etwas für Dein großes Ziel zu tun?
- Welche Rolle spielt das Alter? Bist Du mit 55 nicht schon viel zu alt, um Dir „unrealistische“ Ziele zu setzen?
- Wie schaffst Du es, Deine eigenen Grenzen zu erreichen, ohne den Bogen zu überspannen?
- Welche Rolle spielt die Ernährung und was isst ein Mann, der mit 55 einen Körper so verwandelt hat, dass ihn 18-jährige darum beneiden?
Meine These an dieser Stelle ist: Erfolg hat eine Struktur. Wenn Du weißt, wie Roman es macht – wie er an seinem Ziel dranbleibt – dann kannst Du diese Denkweise für Dich adaptieren. Egal, was genau Dein Ziel ist (es muss noch nicht einmal um Deinen Körper gehen…).
Jeden Tag Liegestütze: Wie Roman (55) mit 555.555 Pushups den Rekord knackt
Mark: Herzlich Willkommen an Bord, Roman! Stell Dich doch kurz vor. Wer bist Du und was machst Du?
Roman: Hallo zusammen! Ich bin Roman Dossenbach und 55 Jahre alt. Ich bin Schweizer, lebe aber in Deutschland – ganz in der Nähe der Schweizer Grenze. Ich arbeite als technischer Gebäudeleiter in Basel.
Bei Dir ging es ja nicht ums Abnehmen, sondern um eine etwas andere Challenge. Was genau war das und wie bist Du vorangekommen?
Meine Challenge beginnt eigentlich schon 1982, damals arbeitete ich in Bahrein. Weil ich eine Herausforderung suche, beginne ich damals, jeden Tag Liegestütze zu machen. Schritt für Schritt schaffe ich es, meinen eigenen Rekord immer wieder zu brechen.
Das geht soweit, dass ich einige Zeit später – beim Militärdienst – 160 Stück in 60 Sekunden bewältige. Nach dieser Episode geraten Liegesütze allerdings erst einmal wieder in Vergessenheit.
Erst vor gut einem Jahr – gut 30 Jahre später – komme ich zufällig wieder darauf zurück.
Kurz vor Weihnachten 2012 zeigt mein Bruder mir die Liegestütz-App Runtastic Pushups Pro. Das Liegestütz Training damit ist wie ein Spiel, Du trainierst in einer eigenen Community. Täglich siehst Du, wer wie viele Liegestütze geschafft hat, dazu gibt es eine Art Highscore-Liste. Der Wettbewerb mit den anderen Menschen dort hat mich unheimlich motiviert. Ich wollte mal sehen, ob ich die damalige Nummer 1, Thomas Hasenpflug, überholen konnte.
Im Jahr 2013 wurde für mich ein Traum wahr, als ich einerseits die magischen 555.555 Liegestütze schaffte und außerdem mein Ziel erreichte: Platz 1 auf der Highscore Liste. Thomas und ich haben uns einige heiße Challenges geliefert – und sind dabei gute Freunde geworden.
Hut ab, ich bin ehrlich beeinduckt! Was hat Dir am meisten geholfen, um weiter Fortschritte zu machen?
Mark, wir kennen uns zwar noch nicht so lange. Nach Deiner Silvester Liegestütz-Challenge dachte ich mir jedoch: „Dem schicke ich jetzt mal eine Mail.“
Was mir wirklich geholfen hat, sind Deine strukturierten Ernährungstipps. Ich mache jeden Tag Liegestütze – da ist es wichtig, dass ich meinem Körper alles gebe, was er benötigt, um belastbar zu bleiben. Meine Energiebalance zu halten – genug Energie ohne Völlegefühl, das ist jeden Tag aufs Neue meine größte Herausforderung. Gute Lebensmittel und Deine Tipps – das ist das A und O für mich.
555.555 Liegestütze im Jahr – das sind gut 1.522 Stück am Tag. Wie kam es dazu, dass Du Dir dieses Ziel gesetzt hast? Gab es einen speziellen Moment, dass Du den Entschluss trafst, etwas in Deinem Leben zu verändern?
Eigentlich gab es keinen speziellen Moment. Jedenfalls war mir nicht bewusst, wie stark sich mein Leben verändern wird. Ich habe einfach angefangen und dann hat sich das Ganze langsam entwickelt.
Wenn ich ans letzte Jahr denke, dann hat sich mein Körper schon sehr verändert. Und nicht nur mein Körper – auch mein Wille ist eisern geworden…
…worin äußert sich das?
Ich würde von einer Transformation des Körpers sprechen. Trainiert war ich mein Leben lang. Aber die Definition, die ich heute habe, konnte ich erst durch mein intensives, hartes Liegestütz-Training entwickeln. Meine Brust ist muskulöser geworden und ich habe jetzt ein Sixpack.
Aber es ist nicht so, dass mir alles einfach zugefallen wäre. 1983 hatte ich im Nordirak einen schweren Autounfall. Seitdem leide ich an einer schmerzhaften Arthrose am rechten Sprunggelenk. 2013 sollte der Fuß eigentlich steif gestellt werden.
Zum Glück kam es nicht soweit: Durch das Training sind die Schmerzen fast vollständig verschwunden. Eine Operation ist nun nicht mehr nötig.
Das gab mir unheimlich viel Rückenwind. Meine ganze Lebenseinstellung wurde positiver.
Was gibt Dir die Kraft, um dranzubleiben?
Das bin ich selbst. Wenn ich etwas will, dann schaffe ich das auch.
Außerdem setze ich mir jeden Tag Ziele. Ich trainiere meine Liegestütze in 2-3 Einheiten über den Tag verteilt. Für jeden Trainingsblock nehme ich mir eine bestimmte Anzahl an Liegestützen vor, die ich schaffen möchte.
Ich kann mich gut selbst motivieren – und die Challenge mit guten Freunden im Internet treibt mich zusätzlich jeden Tag aufs Neue an.
Du sagst, Du warst schon immer trainiert. Heißt das, dass Du schon immer eine so außergewöhnliche Form hattest? Gab es auch Rückschläge?
Nein. Ehrlich gesagt, habe ich schon viel ausprobiert. Mit 18 war ich fast hager – damals konntest Du meine Rippen sehen, bis zum Schlüsselbein.
Dann fing ich mit Krafttraining an und machte auch Ausdauersport. Zwischendurch kamen immer wieder Pausen. Ich bin 1,83 m groß und mein Gewicht pendelte in den Jahren zwischen 70 und 87 Kilo.
Als ich begann, mit der Liegestütz App zu trainieren, wog ich noch 79 Kilo – das war im Dezember 2012. Im Juli waren es nur noch 76 Kilo, inzwischen liege ich ziemlich konstant bei 78 Kilo. Je älter Du wirst, umso schwieriger wird es, in Form zu bleiben. Deshalb will ich nie aufhören mit dem Training.
Wie ernährst Du Dich jetzt und wie sieht Dein Training aus?
Ein typischer Tag sieht bei mir so aus:
- Frühstück: Morgens verzichte ich auf Kohlenhydrate, es gibt nur einen Eiweißshake.
- Mittag: Um die Mittagszeit finden meine Liegestütz-Sessions statt. Dann gibt’s auch Kohlenhydrate wie Reiswaffeln und eine Banane und Protein, zum Beispiel Putenbrust. Dazu trinke ich viel Sprudelwasser. Außerdem experimentiere ich mit BCAAs und Kreatin.
- Abends sehe ich es nicht ganz so streng. Da gibt’s, was auf den Tisch kommt.
Mein Training führe ich tagsüber in einer großen Heizungszentrale durch. Mein Equipment: Handschuhe, Pulsgurt und ein Schweißtuch. Dazu natürlich mein iPad und iPhone, auf denen ich mit Runtastic Pushups Pro mein Training steuere und den Puls aufzeichne.
Ich absolviere mein Training in 40er Sätzen, wie im Video gezeigt.
Die Satzpausen dauern plus-minus 45 Sekunden. Ich versuche immer mindestens 25, an einem guten Tag 60 Sätze hinzubekommen. Mein Rekord liegt bei 77 Sätzen in 1 Stunde 38 Minuten.
Habe ich das richtig verstanden? Du trainierst in einem Heizungskeller…?
Ja, das hast Du richtig verstanden. Es ist der Heizungskeller des Einkaufszentrums, für das ich zuständig bin. Letzte Woche gab es eine wirklich lustige Situation. Du musst wissen, neben dem Heizungskeller hat die Drogerie Müller – einer der Läden im Center – ihr Lager. Und wenn ich hart trainiere, dann kann es schon einmal „laut“ werden…
Jedenfalls hörte mich wohl eine der Verkäuferinnen und lief dann ganz aufgeregt zu ihrem Kollegen hoch in den Laden: „Da unten ist jemand verletzt, da schreit jemand!“ Er beruhigte sie daraufhin: „Nein, nein, das ist nur der Herr Dossenbach – der trainiert wieder.“
(Lacht) Klasse! Roman, welchen Rat würdest Du jemandem mitgeben, der seinen Körper verändern will?
Glaub an Dich. Hab‘ Geduld mit Dir. Und setze Dir jeden Tag zwei kleine, machbare Ziele – und dazu ein großes Ziel, das Dich herausfordert.
Es ist normal, wenn Deine Muskeln brennen. Halte den Schmerz aus, beiß‘ Dich durch, aber hör‘ auch auf Deinen Körper. Lote Deine Grenzen aus, aber sei trotzdem vorsichtig dabei.
Wenn Du Liegestütze richtig trainieren willst, fang‘ zum Beispiel mit einer 15 minütigen Trainingseinheit an, in der Du z.B. je 15 Wiederholungen am Stück und dazwischen 90 Sekunden Pause machst.
Wie geht’s nun für Dich weiter?
Mein Ziel ist es, bis Ende 2014 eine Million Liegestütze zu erreichen. Ich hoffe, dabei noch viele Sportler motivieren zu können.
Ok, kommen wir zu den wichtigen Themen. Wenn Du eine Eigenschaft eines Superhelden haben könntest, welche wäre es?
Der eiserne Wille und die Fähigkeit, Andere zu begeistern.
Hast Du ein Lebensmotto?
Ich habe zwei Lieblingssprüche: „Carpe Diem.“ und „Yes, I can.“
Erzähl uns zum Abschluss eine kurze interessante Anekdote aus Deinem Leben…
Es gibt einige Highlights, die mir besonders in Erinnerung geblieben sind:
- 1988 konnte ich Angela Merkel – sie war damals noch Umweltministerin – in Rendsburg zeigen, wie man eine Erdgastankstelle betankt.
- 1986 hätte ich im Auto beinahe Roger Moore auf einem eisglatten Parkplatz in Gstaad umgenietet.
- Mirja Sachs, der Frau von Gunter Sachs, habe ich einen Staubsauger verkauft.
- In den Wirren des Irakkriegs 1983 arbeitete ich zwischen Irak und Iran, während Bombardements stattfanden.
- Bevor ich meinen PKW-Führerschein hatte, lernte ich in Nairobi in einer Cessna 152 fliegen.
- In Seoul haben wir 1995 eine Gasturbine in Betrieb genommen. Dazu wurde die Turbine feierlich mit Sake und getrockneten Tintenfischen eingeweiht.
Vielen Dank, Roman. Ich drücke die Daumen, dass Du dieses Jahr noch Millionär wirst!
Fazit
Mit 555.555 Liegestützen im Jahr hat Roman etwas geschafft, was nur wenige Menschen schaffen – geschweige denn überhaupt erst versuchen. Was ist das Geheimnis für seinen Erfolg? Genetik? Talent?
Das mag helfen. Aber andere Dinge sind viel wichtiger. Die meisten Menschen, die ihren Körper erfolgreich verändern, haben einige Dinge gemeinsam:
- Sie setzen sich ein Ziel, dass sie begeistert und herausfordert: Für Roman bedeutet das eine bestimmte Anzahl Liegestütze in einem Jahr zu erreichen.
- Sie brechen ihr großes Ziel in kleine, leicht erreichbare Zwischenziele herunter: Roman behält zwar sein Jahresziel im Blickfeld, aber im Fokus stehen kleine, realistische Tagesziele, die selbst dann erreichbar bleiben, wenn ein Tag mal nicht so gut läuft. Diese „leicht verdaulichen“ Portionen addieren sich im Laufe der Tage und Monate.
- Sie glauben an sich und sie lassen keine Ausreden zu: „Das wäre vielleicht früher möglich gewesen, aber mit 55 bin ich erstens zu alt und zweitens lässt meine Arthrose es nicht zu.“ Roman hätte genügend Ausreden gehabt. Aber er hat eine ganz andere Einstellung: „Wenn ich etwas will, dann mache ich das auch.“ Legt einfach los. Probiert es. Bleibt dran. Und macht damit sogar eine drohende Operation überflüssig, weil seine Muskulatur nun die Gelenke entlastet.
- Sie loten ihre Grenzen aus, aber sie hören auch auf ihren Körper: Der Schmerz beim Training gehört dazu, Roman akzeptiert ihn. Und er hat auch gelernt, die Signale seines Körpers richtig zu deuten – an die Grenze zu gehen, aber sie möglichst nicht zu überschreiten.
- Sie suchen sich etwas, das ihnen Spaß macht: Nachdem wir das Interview bereits geführt hatten davon, erzählte Roman davon, dass das Training eine Art Meditation für ihn sei. Ein Glücksgefühl.
Vielleicht fragst Du Dich jetzt, wie jemand jeden Tag Liegestütze macht – in einem Heizungskeller, bis zu 90 Minuten lang – und dabei auch noch Spaß hat?
Bevor meine die Leidenschaft fürs Laufen entdeckte, fragte ich mich oft: „Wie kann jemand über 10 Minuten am Stück laufen gehen, und das auch noch freiwillig?“ Das war für mich fernab jeder Vorstellungskraft.
Seitdem der Sport für mich Gewohnheit geworden ist (und die ersten Wochen waren hart), weiß ich es: Es ist ein Glücksgefühl, ein Gefühl von Power, von Flow von „die Zeit vergessen“. Dieses Gefühl habe ich nicht nur beim Laufen, sondern auch beim Krafttraining.
Ich glaube, dass es für jeden Menschen diese Art der Bewegung gibt, die ihm Spaß macht. Ich glaube es gerade deswegen, weil es mir nicht in die Wiege gelegt wurde und ich jahrelang danach suchen musste. Wenn Du wirklich bereit bist, Deinen Körper zu verändern – dann bin ich fest davon überzeugt, gibt es nur zwei Möglichkeiten für Dich:
- Entweder Du hast diesen Sport bereits gefunden oder
- Du wirst ihn noch finden.
Wenn dieser Punkt gekommen ist, kann Dich nichts mehr aufhalten.
Ich wünsche Dir viel Erfolg und vor allem viel Spaß auf Deinem Weg!
Bleib‘ dran,
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