Dies ist ein Gastbeitrag von Jon Goodman, Personal Trainer, Autor und Gründer von thePTDC.
Ich habe einen Freund. Nennen wir ihn Dirk.
Dirk war ein begeisterter Sportler, der an der Uni viel im Fitnessstudio war.
Er hatte zwar kein Sixpack, aber muskulös war er schon.
Dirk ist clever. So clever, dass sein erster Job nach dem Studium ihm direkt ein 6-stelliges Einkommen bescherte. 5 Jahre später wird er bereits 500.000+ Euro pro Jahr verdienen.
Dirk ist jetzt übergewichtig.Er ist ständig krank und raucht eine Schachtel Zigaretten am Tag. Sein Leben endet Minute für Minute.
Mit allem, was er tut, verkürzt er die Minuten, die ihm noch bleiben.
Dirk ist ein Wrack.
Mein Freund war dabei sich umzubringen.
Ihm sollte die Welt gehören, aber eigentlich hatte er gar nichts.
Er hat sogar sein Selbstvertrauen verloren Frauen anzusprechen. Das letzte Date ist Monate her. Dabei könnte er sich den besten Ernährungsberater oder Personal Trainer leisten. Verdammt, er könnte sich sogar jemanden leisten, der alle seine Mahlzeiten für ihn kocht.
Also unterhalten wir uns, bei einem Scotch.
Ich empfehle ihm, mit einem der besten Trainer der Stadt zusammenzuarbeiten.
Dieser Trainer nimmt eigentlich keine neuen Kunden mehr an, aber er ist mir noch einen Gefallen schuldig und sagt „okay“. Seine Augen fangen an zu leuchten, als ich ihm davon berichte.
Dann wird er ernst:
„Nein, ich bin noch nicht bereit fürs Fitnessstudio. Ich muss erst fit genug werden, um dort aufkreuzen zu können.“
Ich sitze wie gelähmt. „Was?“, denke ich, „Du warst bereit – vor 4 Jahren!“
Dirk fährt fort, er fühle sich momentan noch nicht wohl im Fitnessstudio. Er habe Angst, ein Außenseiter zu sein, wenn er sich dort in seinem jetzigen Zustand sehen ließe. Außerdem wolle er erst in guter Form sein, bevor er mit einem Personal Trainer zusammenarbeite.
Ich muss an eine Szene aus Pumping Iron denken. Arnold trainiert mit seinen Jungs im Gold’s Gym – alle in Bühnenform mit perfektem Sixpack. Im Hintergrund steht ein ziemlich aus der Form gekommener Typ mit einem weißen Tank-Top, der Trizeps-Pulldowns macht.
Im Bodybuilding-Mekka von damals waren alle willkommen – was soll sich heute geändert haben?
Leben wir wirklich in einer so elitären Zeit, dass Menschen das Gefühl haben, sie müssten erst fit fürs Fitnessstudio werden?
Wodurch entstehen solche Gedanken?
Ich glaube, diese Hemmungen haben ihre Ursache in drei realen Problemen unserer Zeit, auf die ich eingehen und für die ich Lösungen liefern möchte.
Anschließend möchte ich, dass Du mich unterstützt. Vielleicht schaffen wir es gemeinsam, das Fitnessstudio für Menschen wir Dirk zu einem angenehmeren Ort werden zu lassen.
1. Motivierend oder abschreckend? Sexualisierte Bilder suggerieren eine Fitness Elite
Fitness Magazine haben schon immer Bodybuilder und Models abgebildet. Das war für die meisten Menschen kein Thema, weil nur die die Zeitschriften kauften, die sich dafür interessierten.
Dann kam Facebook. Und Instagram.
In jedem Newsfeed finden wir heute sexy Fotos von männlichen und weiblichen Fitness Models. Diese Fotos motivieren Menschen, die schon länger trainieren – aber sie können diejenigen abschrecken, die erst anfangen wollen.
Solche Fotos vergrößern die Schere zwischen extrem fitten und noch unfitten Menschen immer weiter.
Fast, als wollten sie sagen: „Wenn Du nicht so aussiehst, gehörst Du nicht in unser Fitnessstudio.“
Damit möchte ich nicht sagen, hör auf diese Bilder zu posten. Ich möchte ein Bewusstsein dafür schaffen, welchen Effekt diese Fotos auf viele Menschen haben und warum sie geteilt werden.
Niemand sollte das Gefühl haben, sich erst ins Fitnessstudio empor arbeiten zu müssen.
Es sollte ein Ort sein, an dem Menschen sich weiterentwickeln. Eine Art Zufluchtsort, an dem jeder willkommen ist.
Wer gerade erst mit dem Krafttraining beginnt, ist vielleicht noch nicht reif für diese Bilder.
Sie erwecken den Eindruck, es gäbe eine Fitness Elite. Das Problem wird dann real, wenn es Menschen zögern lässt, den ersten Schritt zu ihrem neuen Körper zu gehen.
Diese Fotos sind ein ziemlich mächtiges Marketinginstrument. Noch vor Jahren haben die großen Labels Millionen investiert, um ihre Marketing-Botschaften übers Fernsehen und Printmedien zu verbreiten.
Heute benötigen sie nur ein Foto eines schwitzigen Models, auf dem sie ihr Logo und einen Motivationsspruch platzieren.
Die Botschaft verbreitet sich viral über die sozialen Medien.
Unternehmen haben das verstanden und nutzen die Bedürfnisse der Nutzer, um sich selbst im Gespräch zu halten und ihre Message unters Volk zu bringen.
Eine sehr effektive Möglichkeit, das eigene Selbstvertrauen zu steigern, nennt sich soziales Modellieren.
Je ähnlicher das Modell der Person ist, die Du motivieren willst, desto besser funktioniert die Methode.1
Wenn ein Mensch wie Du und ich seinen Erfolg mit anderen teilt, wenn er von Rückschlägen berichtet und von Hürden die er überwinden musste – dann motiviert das die meisten Menschen viel mehr als das Foto eines Fitnessmodels.
Ich glaube, der Mittelweg ist der richtige – wir sollten die Bilder von Models mit realen Geschichten aus unserer Mitte ergänzen.
Wen die Fotos von Models stören, dem empfehle ich, einen Blick hinter die Fassade zu werfen.
Fitness Models gehen dann zu einem Fotoshooting, wenn sie gerade einen Figur-Wettkampf kommen und nach einer wochenlangen Diät für kurze Zeit in Topform sind.
Und noch etwas wird oft übersehen: Diese Art von Fotos sind in der Regel intensiv mit Photoshop nachbearbeitet. In der Realität würdest Du das Model oft nicht wiedererkennen.
Das Wichtigste ist, dass Du an Deinem Ziel dranbleibst, um die bestmögliche Version von Dir zu erschaffen – das ist es, was wirklich zählt!
2. Falsche Vergleiche: Warum nicht alle Personal Trainer ein Sixpack haben
Einige Menschen ordnen alles andere in ihrem Leben ihrer Fitness unter. Auf ihrem Speiseplan stehen gedämpfte Hähnchenbrust und Broccoli.
Sie gehen jeden Tag um Punkt 21 Uhr ins Bett. Sie sind shredded. Sie sind die Ausnahme.
Im Fitnessstudio neigen wir dazu, uns mit den Ausnahmen zu vergleichen – dabei blenden wir den Durchschnitt aus.
Der Typ mit 45 cm Bizeps, der sich am Squat-Rack durch einen Satz Bizepscurls grunzt, ist allerdings auch schwer zu ignorieren.
Wir Personal Trainer müssen fit sein, damit sichern wir unseren Arbeitsplatz.
Und auch wir gönnen uns nach dem Essen ein Stück Kuchen oder ein kaltes schaumiges Bier an einem warmen Sommertag.
Wie jeder andere geben auch wir dem Verlangen nach, aber wir lassen uns davon nicht bestimmen.
Wir haben die richtige Balance für unser Leben gefunden und wir wollen Dir dabei helfen, sie für Dich zu finden.
Wenn Du ein Bodybuilder werden willst, dann trainiere mit einem Bodybuilder.
Die meisten Menschen, die sich einen Fitness Coach suchen, wollen sich gut fühlen, gut aussehen und besseren Sex haben.
Mit dieser Entscheidung veränderst Du Dein Leben, also überleg es Dir.
Wir sind da, um Dir zu helfen.
3. Überinformation: 6 Gläser Marmelade sind besser als 24
Der beste Trainingsplan ist der, an dem Du dranbleibst.
Vor Jahren führten Wissenschaftler diese faszinierende Studie durch. Es geht um Marmeladen-Sorten.
In einem Supermarkt errichten sie zwei Stände mit Gratisproben. Am ersten Stand stehen sechs verschiedenen Sorten bereit, am zweiten Stand gibt es 24 Gratisproben.
Die Teilnehmer probieren die Sorten an einem der beiden Stände und können sich danach entscheiden, eine der Marmeladen zu kaufen.
Ergebnis: Der größere Probierstand lockte zwar mehr Kunden an, aber wirklich etwas gekauft haben dort die Wenigsten.2
Überinformation macht Menschen zwar neugierig, aber je mehr Optionen es gibt, desto schwerer fällt die Entscheidung.
Die Folge: Sie treffen keine Entscheidung und bleiben passiv – sie gehen noch nicht einmal den ersten Schritt.
Natürlich sind einige Trainingspläne besser als andere.
Aber wenn Du nicht mindestens 10 Workouts in Deinem ersten Monat absolviert hast, beende den Recherche-Modus.
Lass‘ Dir einen Trainingsplan von einem Coach erstellen, dem Du vertraust und dann zieh es durch. Mit der Suche nach weiteren Informationen blockierst Du Dich selbst.
Wenn Du erst mit dem Training anfangen willst, lass‘ Dich bitte nicht von der unendlichen Menge an Informationen verwirren.
Für Fitness und Personal Training gibt es keine einheitliche staatliche Regulierung.
Jeder kann vorgeben, die Geheimformel entdeckt zu haben – und viele tun es. Es ist eine gute Idee, wenn Du Dich für den Stand mit sechs Marmeladen-Sorten entscheidest.
Der beste Trainingsplan ist der, an dem Du dranbleibst.
Fitnessstudios dürfen kein elitärer Ort werden
Fitnessstudios sind Orte, an denen jeder sich willkommen fühlen sollte. Wenn Du in einem Fitnessstudio trainierst oder gar arbeitest, sei Dir bewusst, wie Du andere Menschen mit Deinem Verhalten beeinflusst.
Falls Du bisher noch der Meinung warst, Du müsstest erst „Fit fürs Studio“ werden, triff jetzt eine Entscheidung und fang an.
Wir freuen uns auf Dich. Wir unterstützen Dich auf der Reise zu körperlicher und geistiger Erfüllung – zu Deinem neuen „Ich“.
Jon Goodman ist kanadischer Personal Trainer, Unternehmer, Autor und Blogger. Neben Veröffentlichungen in den Magazinen Forbes, Men’s Health, Muscle & Fitness, Livestrong und Schwarzenegge.com gehört sein Buch Ignite The Fire: The Secrets to Building a Successful Personal Training Career zur Pflichtlektüre für Personal Trainer. Mit seinem Unternehmen thePTDC.com unterstützt er Personal Trainer dabei, in ihrem Traumberuf nicht nur fachlich, sondern auch unternehmerisch erfolgreich zu sein.
Willst Du erst noch den ersten Schritt gehen oder trainierst Du bereits länger im Fitnessstudio? Welche Erfahrungen hast Du gemacht? Wie wirken die extrem fitten Sportmodels auf Dich? Schreib einen Kommentar.
Bildquellen
Fotos im Artikel “Fitnessstudio: 3 geheime Erfolgsblocker”: © Flickr (CC BY 2.0): stoermchen, istolethetv, chispita_666.