Kannst Du 10 Kilo abnehmen in 4 Wochen? Oder in 7 Tagen? Kannst Du. Würde ich es Dir empfehlen? Sicher nicht.
Viele Menschen wollen X Kilo abnehmen, vertrauen ihrer Waage und … begeben sich aufs Glatteis.
„Die halbe Wahrheit ist die gefährlichste Lüge.“
– Max Putzler
Lügt die Waage? Nein. Aber sie liefert Dir nur die halbe Wahrheit.
Artikelserie: Die Tücken beim Wiegen und wie Du es richtig machst
Wer seinen Körper verändern will, um nackt gut auszusehen, sollte regelmäßig auf den Tacho schauen. Dieser Schritt ist elementar – und wird dennoch oft vergessen. Nur, wenn Du Deine Fortschritte richtig misst, weißt Du, ob Du auf dem richtigen Weg bist.
In dieser zweiteiligen Artikelserie erfährst Du alles, was Du über das Fortschritts-Tracken wissen musst:
- Lügt die Waage? 4 unsichtbare Tücken, die Du kennen solltest. Du erfährst, weshalb so viele Menschen mit ihrer Waage auf Kriegsfuß stehen, warum sie dennoch ein unverzichtbares Hilfsmittel für Dich ist und welche unsichtbaren Skripte Du auflösen darfst, um Freundschaft mit Deiner Waage zu schließen. (Dieser Artikel)
- Richtig wiegen: Eine simple 2-Minuten-Methode, um Deinen Fortschritt zu tracken. 120 Sekunden genügen: Wenn Du diese Werte einmal pro Woche erfasst, behältst Du die Kontrolle. Bei Abweichungen kannst Du rechtzeitig reagieren und gegensteuern. Du senkst das Frustpotenzial durch ungenaue Messungen. Dranbleiben fällt Dir leichter, wenn Du Deinen Fortschritt sichtbar machst.
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10 Kilo abnehmen in 7 Tagen? Warum die Waage lügt…
Bei der Recherche zu diesem Artikel bin ich über zwei fragwürdige Ansätze gestolpert:
- „Mach diese 7-Tage-Saft-Fasten-Kur, und Du wirst 10 Kilo abnehmen.“
- „Die Waage lügt, wirf sie weg!“
Dahinter stecken zwei unsichtbare Skripte, die Dich in eine psychische Falle locken können:
- Irrtum #1 – Du kannst innerhalb von Tagen kiloweise Fett abnehmen. Achtung! Mit Crash-Fasten-Kuren kannst Du tatsächlich schnell Gewicht verlieren. Viele Menschen geben sich allerdings der Illusion hin, sie würden in Windeseile Fett verbrennen. Mehrtägige Fastenkuren sind der falsche Weg, wenn nackt gut aussehen Dein Ziel ist. Fortschritte auf der Waage können in Wirklichkeit Rückschritte bedeuten (z.B. wenn Du Muskeln abbaust). Dann kannst Du mit Fug und Recht behaupten: „Die Waage lügt!“
- Irrtum #2 – Wenn die Waage sowieso lügt, kann ich sie auch wegwerfen. Wirf einen Blick auf das Foto – die Dame hat auf der Waage einige Kilos zugelegt und ihre Figur dennoch dramatisch verbessert. Lügt die Waage deshalb? Nur, wenn Du ihr die falsche Bedeutung gibst. Wenn Du Dein Gewicht weiter im Blick hast, bleibst Du leichter auf Kurs – so lange es nicht der einzige Wert ist, den Du verfolgst!
Wenn Du mit Deinem Traumauto Fahrspaß haben willst, was motiviert Dich wirklich? Wieviel PS der Motor hat? Oder das Gefühl, wenn Du das Gaspedal durchdrückst und in den Sitz gepresst wirst, während das Auto perfekt und klaglos genau das macht, was Du von ihm verlangst? PS sind abstrakt, das Gefühl…ist real.
Also frage ich Dich: Ist „10 Kilo abnehmen in 4 Wochen“ ein motivierendes Ziel, wenn Du eigentlich nackt gut aussehen willst? Meine These ist, das klare Bild von Deinem Körper – wie Du aussiehst, wie Du Dich fühlst, wenn Du Dein Ziel erreicht hast – das ist es, was wirklich zählt. Die Kilos sind nur die halbe Wahrheit…
Dennoch ist die Waage nicht Dein Feind. Sie wird zu Deinem Feind, wenn Du nur das Körpergewicht betrachtest, ohne Deinen Körperbau zu berücksichtigen. Das Gewicht alleine kann Dich täuschen! Dann lügt die Waage – weil Du ihr eine Bedeutung gibst, die sie nicht verdient hat. Und das kann der Beginn einer frustrierenden Abwärtsspirale sein.
So schließt Du Freundschaft mit der Waage
Wer den Feind umarmt, macht ihn bewegungsunfähig.“
– Nepalesisches Sprichwort
Die Waage wird Dein Freund, wenn Du sie als einen Teil in Deinem Feedback-Puzzle siehst. Wenn Du Dein Gewicht als eine von mehreren Variablen akzeptierst, anhand derer Du entscheidest, ob Du auf Kurs bist oder eine Korrektur vornimmst.
Einige Menschen wiegen sich geradezu obsessiv. Tendiert ihr Körpergewicht nach oben, sind sie frustriert, geht es nach unten, feiern sie. Weil sie sich dabei nur auf ihr Körpergewicht fokussieren, nehmen eine psychische Falle nach der anderen mit.
Diesen Fehler vermeidest Du, indem Du den Fokus vom Körpergewicht auf Deinen Körperbau verschiebst.
Der Körperbau ist die beste Option, um Deinen Fortschritt zu verfolgen:
Körperbau = Verhältnis von Fett- zu Muskelmasse
Muskeln sind Dein größtes Kapital, auch wenn Du kein Bodybuilder oder Kraftathlet bist. Muskeln sind Deine Stoffwechselfabrik: Sie sind im ständigen Auf- und Abbau, speichern Aminosäuren und Kohlenhydrate.
Je größer Deine Muskeln sind, desto mehr Kohlenhydrate können sie speichern.
Deswegen setzen muskulöse Menschen langsamer Fett an, können sich mehr Kohlenhydrate erlauben – besonders wenn sie trainieren. Hinzu kommt das tolle Gefühl von Gesundheit, Stärke und Selbstvertrauen, das Du durch eine leistungsfähige Muskulatur bekommst.
Lügendetektor: 4 tückische Fakten über Dein Gewicht, die Du kennen solltest
Wenn Du weißt, welche Faktoren Dein Körpergewicht beeinflussen, nimmst Du der Zahl auf der Waage die emotionale Bedeutung, die sie vielleicht einmal hatte. Wenn Du die folgenden 4 Einflussfaktoren kennst, kann die Waage Dich nicht mehr anlügen.
Einflussfaktor #1 – Körperfett und Muskeln
Die Waage misst Dein Gewicht. Aber sie sagt Dir nicht, wie viel davon Fett und wieviel Muskeln sind.1 Deine Waage misst alles, was Dein Körpergewicht beeinflusst:2
- Körperfett,
- Muskeln,
- Knochen,
- Organe,
- Blut,
- Wasser,
- Mageninhalt,
- Darminhalt,
- Glykogen.
Der Wasseranteil eines Erwachsenen macht gut 60% seines Körpergewichts aus. Da Muskeln mehr Wasser speichern als Fett, steigt der Wasseranteil in Deinem Körper, wenn Du Muskeln aufbaust.34
Wer nur die Waage im Fokus hat, glaubt, weniger Kilos seien gut und mehr Kilos seien schlecht. Aber wenn die Kilos, die Du zunimmst, zu 100% Muskeln wären – wäre das nicht toll?
Was, wenn 50% der Kilos, die Du abnimmst, Muskulatur wäre? (Das ist übrigens durchaus realistisch, wenn Du eine dubiose Crash- oder FDH-Diät verfolgst oder einfach nicht weißt, was Du tust.) Würdest Du Dich freuen, wenn Dein Körper die Hälfte seiner Muskulatur aufgefressen hätte? Natürlich nicht.
Die Kilos, die Deine Muskeln ausmachen, willst Du um alles in der Welt behalten – oder weiter aufbauen. Fett ist das einzige, was Du loswerden willst.
Einflussfaktor #2 – Wasser
Der Wasseranteil Deines Körpers kann von Tag zu Tag ganz natürlich um 1-2 Kilo schwanken. Wenn Du den Kohlenhydratanteil in Deiner Ernährung senkst, verlierst Du innerhalb von Tagen noch mehr Wasser. Je mehr Du wiegst, desto größer ist der Unterschied.
Kampfsportler wenden weitere Tricks an, um ihren Wasseranteil zu senken: Natürliche Diuretika, Saunagänge, Schwitzanzüge, etc. – damit können sie innerhalb von Tagen bis zu 10 Kilogramm abnehmen.5
Warum solltest Du abnehmen wollen, indem Du kiloweise Wasser ausschwemmst? Du würdest es ohnehin innerhalb von Stunden wieder zunehmen können. Dann würde die Waage Dich tatsächlich belügen. (Das sind übrigens Tricks, mit denen einige Crash-Diäten vermarktet werden: „4 Kilo in einer Woche!“).
Einflussfaktor #3 – Glykogen
Isst Du mal mehr und mal weniger Kohlenhydrate? Wenn Du Dich nach einer Carb-Cycling Methode oder einem Ernährungsprogramm mit Refeed-Tagen ernährst, wäre das der Fall.
Dein Körper speichert Kohlenhydrate in Leber und Muskulatur als Glykogen, dabei lagert er zusätzliches Wasser ein. Wenn Du nach einigen LowCarb-Tagen einen Tag lang viele Kohlenhydrate isst, kann Dein Gewicht alleine dadurch um 1-2 Kilo ansteigen.
Wenn Du nur auf das Körpergewicht achtest, 2 Kilo mehr auf der Waage hast, und…
- Fett abbauen willst, kannst Du Dich leicht verrückt machen.
- Muskeln aufbauen willst, feierst Du vielleicht grundlos.
Einflussfaktor #4 – Magen- und Darminhalt
Was Du gegessen hast, trägst Du bis zu 72 Stunden mit Dir herum, bis es Deinen Köper wieder verlässt. Natürlich trägt der Inhalt Deines Magens und Darms zu Deinem Körpergewicht bei. Wenn Du ein paar große Gemüseteller isst, dann wiegst Du mehr, als wenn Du Süßigkeiten isst, die vielleicht viermal soviel Kalorien liefern.
Wenn Du andererseits einen Tag lang gar nichts äßest, könntest Du wortwörtlich über Nacht enorm viel Gewicht verlieren. Aber wieviel davon ist wirklich Körperfett? Fast gar nichts.
Wenn Du nichts isst oder nur wenig trinkst, nimmst Du ab, aber bei den Kilos handelt es sich nicht um das, was Du eigentlich reduzieren willst: Körperfett.
Viele dubiose Diäten setzen auf diesen Effekt. Einläufe entleeren den Darminhalt, Suppen- oder Saftfasten hat letztlich einen ähnlichen Effekt. Natürlich nimmst Du auf der Waage schnell ab, aber letztlich betrügst Du Dich selbst. Das Gewicht, dass Du verlierst, ist kein Körperfett.
Fazit
Zu viele Menschen lassen sich von ihrer Waage belügen (früher war ich auch einer von ihnen). Ihr Körpergewicht ist der einzige Wert, den sie verfolgen. Damit kennen sie nur die halbe Wahrheit – kein Wunder, dass sie mit ihrer Waage auf Kriegsfuß stehen.
In der Praxis kommt es vor, dass meine Kunden auf der Waage nur langsam Fortschritte machen, während ihr Körperfettanteil rasant fällt. Wenn ich im ersten Gespräch frage „was ist Dein Thema?“, lautet die Antwort oft „Ich möchte abnehmen.“ Ein Teil meiner Aufgabe besteht dann meistens darin, den richtigen Fokus zu geben: weg vom Körpergewicht hin zum Körperbau. Mit der richtigen Ernährung und dem richtigen Training kannst Du stärker werden, während Dein Körperfettanteil sinkt.
Im zweiten Teil dieser Serie erfährst Du eine simple 2-Minuten-Methode, um Deinen Körperbau richtig zu tracken. Bleib dran!
Welche Erfahrungen hast Du mit der Waage gemacht? Siehst Du sie als Feind oder hast Du sie Dir zum Freund gemacht? Wiegst Du Dich überhaupt und – falls ja, wie oft? Schreib einen Kommentar.
Fotos im Artikel „10 Kilo abnehmen in 4 Wochen“: chrisphoto (CC BY-NC-SA 2.0), AndYaDontStop, laszlo-photo, jurvetson (CC BY 2.0) via Flickr.
- Wenn Du eine Waage mit Bioimpedanz-Messung (BIA) verwendest, kann Deine Waage den Körperfettanteil abschätzen, der Wert ist jedoch sehr ungenau. [↩]
- vgl. Mensch in Zahlen, Wikibooks, abgerufen am 14.12.2013 [↩]
- Asker Jeukendrup, Michael Gleeson: „Sport Nutrition“, 2004 [↩]
- William D. McArdle, Victor L. Katch, Frank I. Katch: „Exercise Physiology: Energy, Nutrition, and Human Performance“; 2009 [↩]
- Darren Wong: How Much Weight Do Anderson Silva and Georges St. Pierre Cut? Bleacher Report, 2010 [↩]