Der Whoosh-Effekt erklärt, warum Abnehmen oft erst (viel) später auf der Waage sichtbar ist. Du hältst Diät, trainierst und auf der Waage tut sich nichts? Vielleicht brauchst Du einen „Whoosh“…
Wenn Du in klaren Nächten in den Himmel schaust, und es wirklich stockdunkel ist, siehst Du unsere Milchstraße funkeln: ein Meer unzähliger Sterne, weiter entfernt, als wir es uns vorstellen können.
Das Faszinierende daran ist: Das Bild des Sternenhimmels, das Du jetzt siehst, ist bereits Millionen- oder gar Milliardenjahre alt. Denn das Licht erreicht unseren Planeten verzögert.
Ähnlich verhält es sich beim Abnehmen, denn auch das wird oft durch (vermeintlichen) Stillstand auf der Waage kaschiert.
Der Whoosh-Effekt half bereits vielen Menschen beim Abnehmen.
Weil sie sich nur auf ihr Gewicht fokussierten, glauben sie, sie träten auf der Stelle. Es ist Zeit für eine andere Perspektive.
An dieser Stelle fragst Du Dich vermutlich …
Was ist der Whoosh-Effekt und wie beeinflusst er den Fettabbau?
Soweit ich weiß, hat der amerikanische Fitness-Autor Lyle McDonald die Hypothese des Whoosh-Effekts formuliert, in einem Artikel mit dem Titel „Of Whooshes and Squishy Fat“ (sinngemäß: „Über Whooshes und weiches Fettgewebe“).
Lyle McDonald gilt als „Entdecker“ der Whoosh-Hypothese.
In seinem Artikel schreibt er dazu Folgendes:
Während meines Studiums stellte einer meiner Professoren die Hypothese auf, dass sich die Fettzellen, nachdem sie die gespeicherten Triglyceride abgegeben hatten, vorübergehend wieder mit Wasser auffüllten (Glycerin bindet Wasser, was ein Teil des Mechanismus sein könnte).
Somit gäbe es keine unmittelbare Veränderung der Größe, des Gewichts oder Aussehens dieser Fettzellen. Dann, nach einiger Zeit, würde das Wasser entweichen und die Zellen schrumpften.
Denkt man diese Hypothese weiter, dann könnte man davon ausgehen, dass der Fettverlust ganz plötzlich „offenbar“ wird. Das heißt, das Fett wurde bereits vor Tagen oder Wochen entleert und verbrannt, aber solange das Wasser aus den Zellen nicht abgelassen wird, ist von außen keine Veränderung sichtbar.
Diesen Effekt konnte ich in den vergangenen Jahren nicht nur am eigenen Leib beobachten – sondern auch bei unseren Klienten im Coaching.
Lyle schreibt auch, dass er gut zwei Jahrzehnte lang nach wissenschaftlichen Studien suchte, die den Sachverhalt belegen. Eine Erklärung konnte er allerdings nicht finden.
Ich mag seine Offenheit. Und ich mag seine Hypothese, denn sie liefert eine Erklärung für das, was wir beim Fettabbau oft beobachten.
Was, wenn Du ein Kaloriendefizit einhältst, regelmäßig trainierst und dennoch nicht abnimmst?
Vielleicht HAST Du schon Fett abgebaut, nur auf der Waage tut sich nichts.
Weil der Körper stattdessen Wasser einlagert, das erst zeitverzögert freigegeben wird.
Nachdem genug Fett durch Wasser ersetzt wurde – und die Fettzelle nicht wieder mit Fett gefüllt wird – gibt sie das Wasser endlich frei.
Im Endeffekt bedeutet das:
Wenn sich beim Abnehmen einige Tage, vielleicht sogar eine Woche lang nichts tut, darfst Du weiter geduldig sein.
Vielleicht hast Du sehr wohl Fett abgebaut. Aber den Unterschied würdest Du erst am Gewicht messen, sobald die Zellen das Wasser freigeben.
Lyle McDonald vermutet, dass entleerte Fettzellen das Bestreben haben, ihre Größe nach der Fett-Entleerung zunächst beizubehalten. Deswegen füllen sie die freie Kapazität mit Wasser auf.
Demnach wäre es also eine Frage der Effizienz:
So könnten die Fettzellen sehr leicht wieder „fett“ werden, wenn ein Energieplus da ist.
Der Grundgedanke stimmt ja: Dein Körper hat in erster Linie Dein Überleben im Sinn. Und dazu gehört auch, überschüssige Kalorien so leicht wie möglich wieder einlagern zu können.
Dein Körper versteht einfach nicht, dass Du gerade am Projekt „Lieblingshose“ oder „Sexy Badeklamotten“ arbeitest.
Er versteht nicht, dass Fettspeicherung Deine Strandfigur-Pläne torpedieren würde. (Also sei nett zu ihm.)
Apropos, wie wär’s mit Bademode inspiriert durch die guten alten 80er?
Mehr Style geht nicht!
Zurück zum Modell des Whoosh-Effekts: Die Fettzellen speichern demnach Wasser so lange, bis es wahrscheinlich scheint, dass Du den nun niedrigeren Fettanteil erst einmal länger behalten wirst.
Die spannende Frage ist … stimmt das alles?
Faktencheck: Gibt es den Whoosh-Effekt wirklich?
Der Whoosh-Effekt wird in der Fitnessszene immer wieder angeführt, neuerdings auch im Kontext der ketogenen Diät. Aber gibt es ihn wirklich?
Bei meiner Recherche konnte ich lediglich eine einzige Studie aus dem Jahr 2003 finden, bei der 27 fettleibige Männer und Frauen in 9 Wochen etwa 14,5 % ihres Körpergewichts abnahmen.1 In dieser Studie schlussfolgern die Forscher, die Probanden hätten am Ende dieses Zeitraums möglicherweise Wasser in ihren Fettzellen eingelagert.
Sie beobachteten die Männer und Frauen ein weiteres Jahr und konnten keine Veränderung feststellen – also auch keinen „Whoosh“, was gegen die Hypothese spricht.
Die Whoosh-Hypothese ist wahrscheinlich ein Trugschluss.
Wenn es bis heute keinen belastbaren Beleg für den (zweifellos faszinierenden) Whoosh-Effekt gibt, dann liefert das Prinzip des „Ockham’schen Rasiermessers“ meist die belastbarste Erklärung:2 „Von mehreren möglichen Erklärungen für ein Phänomen ist die einfachste allen anderen vorzuziehen.“
Dennoch ist der beobachtete Effekt, der „Whoosh“ keine Einbildung.
Die einfachste (und außerdem belegbare) Erklärung für eine plötzliche Gewichtsabnahme hängt in der Tat damit zusammen, dass Deine Waage nunmal nicht nur Fett misst:
- Ballaststoffe: Wenn Du Dich ballaststoffreich ernährst, viel Gemüse und Obst isst – was beim Abnehmen immer eine gute Idee ist – dann kann es 1-2 Tage dauern, bis die Ballaststoffe Deinen Körper auf natürlichem Wege verlassen und in der Toilette landen. Außerdem binden Ballaststoffe Wasser. Allein das kann 1-2 Kilo auf der Waage ausmachen.
- Wasser. Wenn Du etwas Salziges isst, lagert Dein Körper mehr Wasser ein. Isst Du weniger Salz als sonst, gibt er das Wasser frei. Auch das siehst Du auf der Waage. Auch im Verlauf des weiblichen Monatszyklus wird mehr oder weniger Wasser eingelagert. Natürliche Schwankungen im Wasserhaushalt können sich ebenfalls als Kilos auf der Waage bemerkbar machen.
- Dehydration. Alkohol entwässert. Schwitzen entwässert. Zu wenig trinken entwässert. Paradoxerweise reagiert der Körper oft mit Wassereinlagerungen, wenn Du nicht genug trinkst. Er hält also am Wasser fest, wenn nicht genug da ist. Du solltest also gerade beim Abnehmen genug Wasser trinken. Denn dadurch sinken die Wassereinlagerungen – und damit auch das Gewicht auf der Waage.
Auf der Waage können Wassereinlagerungen den Fettabbau maskieren, das ist nichts Neues.
Wer abnehmen will, ändert meist einiges auf einmal – stellt die Ernährung um, macht Kraft- und/oder Ausdauersport. All das hat messbare Auswirkungen auf den Wasserhaushalt des Körpers.3
Wenn Du beim Abnehmen innerhalb von 7 Tagen keine Fortschritte siehst, bleib einfach dran.
Es ist gut möglich, dass der Fettabbau einfach durch Wasser, Ballaststoffe und/oder hormonell bedingt maskiert ist. Wenn Du abnehmen willst, dann kann jeden Tag wiegen sinnvoll sein.
Dabei solltest Du den natürlichen Schwankungen auf der Waage – ein paar Kilos mehr oder weniger von einem Tag auf den anderen können es schon sein – die richtige Bedeutung geben.
Wenn Du von heute auf morgen ein Kilo zulegst (oder abnimmst), dann handelt es sich dabei eben NIE um Körperfett.
Weiterlesen: Wie viel kcal sind 1 kg Körperfett?
Wie löst Du den „Whoosh-Effekt“ aus (bzw. trennst Dich von Wassereinlagerungen)?
Auch, wenn der „Whoosh-Effekt“ eher ein Mythos ist, die Frage ist ja berechtigt: Kannst Du etwas gegen Wassereinlagerungen tun – und, wenn ja, was?
In den meisten Fällen empfehle ich meinen Klienten, den Körper seine Arbeit machen zu lassen und sich in Geduld zu üben.
Das Gewicht schwankt von Tag zu Tag. Das ist normal.
Entwässern für Wettkampf oder Fotoshooting?
Wer bereits einen niedrigen Körperfettanteil besitzt, kann tatsächlich durch gezielte Entwässerung zusätzlich an Definition gewinnen – zum Beispiel in Vorbereitung auf einen Wettkampf oder ein Fotoshooting.
Eine solche gezielte Wettkampf-Entwässerung ist aber kein Spaziergang, weil Du einen Wassermangel provozierst. Sie erfordert Planung, dauert etwa 5 Tage und das Ergebnis hält dann maximal 1-2 Tage an.
Weiterlesen: Körper entwässern: In 5 Tagen zur Bestform 💦
Vermutlich willst Du aber keinen Wassermangel herstellen, sondern fragst Dich, wie Du Deinen Körper dazu überredest, überschüssiges Wasser loszulassen.
„Nur“ überschüssige Wassereinlagerungen loswerden?
Wenn Du zu wenig Wasser trinkst, speichert Dein Körper es ein. Das lässt sich entsprechend leicht umkehren:
Um Deine Wasserspeicher zu entleeren, musst Du einfach genug Wasser trinken.
„Genug“ bedeutet in den meisten Fällen 2-3 Liter Wasser am Tag. Wenn Du viel schwitzt, natürlich mehr.
Natürlich gibt es auch andere Ursachen für eine Wasserspeicherung.
Chronischer Stress oder der weibliche Zyklus, beispielsweise.45 Im ersteren Fall helfen Stressabbau Übungen, bei letzterem sind ein paar Tage Geduld der beste Rat.
Wer nach einer längeren Sportpause wieder oder generell ins Training einsteigt, darf auch eine Zeitlang mit Wassereinlagerungen rechnen, die sich auf der Waage bemerkbar machen und mit der Zeit automatisch regulieren.6.
Du könntest auch natürliche Entwässerungsmittel wie Spargel-, Brennessel- und Löwenzahn-Extrakt einsetzen (ich habe mich z.B. mit diesem auf das Fotoshooting für Looking Good Naked vorbereitet).
Aber die vielleicht beste Empfehlung ist an der Stelle:
Es ist keine gute Idee, NUR das Gewicht zu verfolgen.
Wer abnehmen und sich dabei nicht verrückt machen will, sollte lieber den Körperbau tracken.
Wie Du Fortschritt beim Abnehmen misst, ohne Dich verrückt zu machen
Die Waage liefert Dir, wie wir bereits festgestellt haben, nur die halbe Wahrheit.
Neben Deinem Gewicht solltest Du Deinen Körperfettanteil berechnen.
Den meisten unserer Klienten empfehlen wir dazu die Hautfaltenmessung via Caliperzange. Auch, wenn Dein Körper gerade Wasser speichern sollte, misst Du so nur die Veränderungen im Unterhautfettgewebe.
Wenn Du willst, kannst Du auch Deinen Körperumfang messen, was beim Abnehmen in den meisten Fällen jedoch optional ist.
Auf den Punkt gebracht, heißt das:
- Gewicht messen. Jeden Tag wiegen ist eine gute Idee, wobei Du die täglichen Messungen nicht allzu viel Bedeutung geben solltest: Nur der jeweils niedrigste Wert einer Woche zählt.
- Körperfettanteil messen. Einmal pro Woche. Nicht mit der Waage, sondern mit der Caliperzange, wie hier beschrieben.
- Bauchumfang messen (optional). Einmal pro Woche. Wer mit der Caliperzange nicht klarkommt, kann auch den Bauchumfang mit einem simplen Schneidermaßband tracken. (Siehe auch Tutorial zum Körperumfang messen).
Dabei gilt: Wenn Du richtig misst, die Empfehlungen in den verlinkten Artikeln befolgst und die Messwerte einmal pro Woche mit denen der Vorwoche vergleichst, dann bekommst Du ein recht genaues Bild über Deinen Fortschritt.
Wenn sich zwei Wochen in Folge nichts tut, darfst Du etwas verändern.
Ansonsten bleibst Du entspannt. That’s it.
Fazit
Der Whoosh-Effekt ist schon faszinierend – und in der Praxis ist er hilfreich, um zu erklären, warum der Körper beim Abnehmen nicht wie eine Maschine funktioniert.
Manchmal tut sich ein paar Tage auf der Waage gar nichts, bevor es „Whoosh!“ weitergeht.
Das Modell der wassereinlagernden Fettzelle ist unbewiesen und offenbar auch falsch. Aber der Effekt, den wir beim Abnehmen oft beobachten, ist echt.
Denn oft überdecken Wassereinlagerungen den tatsächlichen Fettabbau, wenn Du nur aufs Gewicht schaust. Der wichtigste Punkt, den Du daher fürs Abnehmen mitnehmen kannst, ist:
Vielleicht hast Du einfach nur nicht bemerkt, dass Du sehr wohl Fett abbaust.
Wenn die Ernährung auf Kurs ist, wenn Du trainierst dann funktioniert möglicherweise, was Du tust. Ohne Messung des Körperfettanteils (Stichwort „Caliper“) im Zeitraum von 1-2 Wochen wirst Du keine klare Aussage treffen können.
In vielen Fällen darfst Du einfach nur geduldig sein, bis die Ergebnisse sichtbar werden.
Frage: Hast Du beim Abnehmen bereits einmal die Zeitverzögerung beobachtet, die der Hypothese des Whoosh-Effekts entspricht? Teile Deine Erfahrungen und schreib einen Kommentar.
Bildquellen
Titel: © Shutterstock.com; Photo by NIKITA SHIROKOV on Unsplash.
- Laaksonen DE, Nuutinen J, Lahtinen T, Rissanen A, Niskanen LK. Changes in abdominal subcutaneous fat water content with rapid weight loss and long-term weight maintenance in abdominally obese men and women. Int J Obes Relat Metab Disord. 2003 Jun;27(6):677-83. doi: 10.1038/sj.ijo.0802296. PMID: 12833111. [↩]
- Wikipedia.de: Ockhams Rasiermesser. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Ockhams_Rasiermesser, Aufruf: 16.01.2021 [↩]
- Dejan Reljic, Eike Hässler, Joachim Jost, Birgit Friedmann-Bette; Rapid Weight Loss and the Body Fluid Balance and Hemoglobin Mass of Elite Amateur Boxers. J Athl Train 1 January 2013; 48 (1): 109–117. doi: https://doi.org/10.4085/1062-6050-48.1.05 [↩]
- Jason P. Block, Yulei He, Alan M. Zaslavsky, Lin Ding, John Z. Ayanian, Psychosocial Stress and Change in Weight Among US Adults, American Journal of Epidemiology, Volume 170, Issue 2, 15 July 2009, Pages 181–192, https://doi.org/10.1093/aje/kwp104 [↩]
- Davidsen, L., Vistisen, B. & Astrup, A. Impact of the menstrual cycle on determinants of energy balance: a putative role in weight loss attempts. Int J Obes 31, 1777–1785 (2007). https://doi.org/10.1038/sj.ijo.0803699 [↩]
- Neil A. Schwarz, B. Rhett Rigby, Paul La Bounty, Brian Shelmadine, Rodney G. Bowden,“A Review of Weight Control Strategies and Their Effects on the Regulation of Hormonal Balance“, Journal of Nutrition and Metabolism, vol. 2011, Article ID 237932, 15 pages, 2011. https://doi.org/10.1155/2011/237932 [↩]