Selbstsabotage beim Abnehmen und in der Zielerreichung fußt oft auf psychologischer Reaktanz. So erkennst (und reparierst) Du dieses unsichtbare mentale Programm. (Hinweis: Es ist besser, wenn Du jetzt NICHT weiterliest!)
Als wir zu Besuch bei einem Freund sind, beobachte ich ein seltsames Verhalten. „Heute räumst Du bitte Geschirrspüler aus“, sagt er zu seiner Tochter.
„Das hatte ich gerade vor, Papa“, sagt sie, „aber jetzt, wenn ich es muss, habe ich keine Lust mehr dazu.“
Vielleicht hast Du etwas Ähnliches schon häufiger erlebt. Oder Dir die Frage gestellt, warum …
- … verbotene Dinge beim Abnehmen besonders attraktiv sind,
- … Training manchmal gerade dann schwerfällt, wenn Du es Dir fest vorgenommen hast,
- … Du nicht ins Bett kommst, obwohl gesunder Schlaf Dir eigentlich guttäte.
All das sind klassische Beispiele für psychologische Reaktanz.1
In diesem Artikel erfährst Du, woran Du sie erkennst und wie Du sie in Situationen überwindest, in denen Du Deine Fitnessziele früher selbst sabotiert hättest.
Was ist psychologische Reaktanz?
Psychologische Reaktanz ist eine reflexhafte Negativ-Reaktion auf eine Handlungsanweisung – also, wenn Dir jemand sagt, was Du zu tun hast.
Als Deine Mutter Dir, als Du noch ein Teenager warst, sagte, „Kind, Du holst Dir den Tod! Zieh eine Jacke an“, hast Du es nicht getan – und Dich frei gefühlt.
Erst später, wenn Deine Zähne in der Kälte klapperten, wusstest Du: „Hätte ich mal auf meine Mutter gehört.“
Aus dem gleichen Grund rebellierst Du innerlich, wenn Dein Chef Dir eine Aufgabe zuteilt.
Du rebellierst, obwohl Dir, wenn Du darüber nachdenkst, logisch erscheint, dass die Aufgabe wichtig ist.
Fast jeder Mensch besitzt diesen mentalen Negativ-Reflex.
Er setzt ein, wenn Du Dich in Deiner Autonomie bedroht fühlst.
Dabei ist diese psychologische Reaktanz nichts grundsätzlich Schlechtes. Menschen, die leicht nachgeben, lassen sich auch leichter manipulieren. Und davor schützt sie Dich.
Die Kehrseite der Medaille:
Psychologische Reaktanz kann Dich hindern, etwas zu tun, das Du tun solltest – oder tun willst.
Oft ist sie es, die Dich daran hindert, zum Training zu gehen oder auf Süßigkeiten zu verzichten, obwohl Du es Dir selbst vorgenommen hast.
Am tückischsten ist es, wenn sie zur Selbstsabotage führt.
Wie kann das sein?
Nun, der reflexartige Impuls „Sag Du mir nicht, was ich zu tun habe!“ kann auch dann einsetzen, wenn Du Dir selbst sagst, was Du tun sollst.
Bei vielen Menschen passiert das, wenn Du einen strikten Plan aufstellst, der ganz genau regelt, wann und wie Du Sport treibst und/oder Dich ernährst.
Dann würdest Du diese Reaktanz in Dir spüren, sobald es an der Zeit ist, die Dinge zu tun, die Dein Plan vorsieht.
Obwohl Du es warst, der den Plan erstellt hat, fühlt es sich in dem Moment nicht so an, als hättest Du eine Wahl.
In diesem Moment fühlst Du Dich in Deiner Autonomie bedroht.
Es ist, als erteilte Dein früheres „Ich“ Deinem jetzigen „Ich“ Befehle.
Und Du reagierst, indem Du Dich verteidigst: „Hey, für wen hält dieser Typ sich eigentlich?“
Psychologen sagen, dieser paradoxe Reflex sei die Ursache für Scheinheiligkeit: Dann sagen wir, wir täten etwas Gutes … und wenn es so weit ist, tun wir das Gegenteil.
So überwindest Du Selbstsabotage durch psychologische Reaktanz
Hier ist die gute Nachricht: Du kannst die Macht der psychologischen Reaktanz jetzt, da Du sie identifiziert hast, gezielt abschwächen – und zwar in Situationen, in denen Du Dich dadurch früher selbst sabotiert hast.
Statt Deine Ziele aus einem Impuls heraus zu kippen, veränderst Du Deine Perspektive darauf.
Hier ist ein Trick, den ich seit vielen Jahren nutze: im Coaching, in Artikeln wie diesem, in Podcasts und – vor allem – im Dialog mit mir selbst.
Du veränderst die Art und Weise, wie Du mit Dir selbst redest.
Bisher hast Du gedacht, Du „müsstest“ etwas tun. Vielleicht dachtest Du, Du müsstest trainieren, müsstest etwas Bestimmtes essen oder zu einer bestimmten Uhrzeit ins Bett gehen – und hast dann gegen Dich selbst rebelliert: „Ich muss gar nichts. Freiheit!“
Ab sofort MUSST Du gar nichts mehr. Stattdessen DARFST Du etwas tun, vielleicht hast Du es Dir sogar VERDIENT.
Indem Du Deinen inneren Dialog veränderst, schließt Du das vorpubertäre Trotzverhalten, das in uns allen schlummert, kurz. Du schenkst Dir selbst mehr Macht: Jetzt hast Du das Sagen!
Niemand sagt Dir mehr, was Du zu tun hast. Du ENTSCHEIDEST Dich dafür, Dir Zeit für etwas zu nehmen, das Dir wichtig ist.
Jetzt ist Deine Freiheit und Autonomie nicht mehr bedroht, ganz im Gegenteil: Du lebst Deine Freiheit!
Eine Sache solltest Du dabei beachten:
Die Überwindung der psychologischen Reaktanz kostet etwas Übung.
Es ist wie beim Krafttraining: Wenn Du regelmäßig trainierst, siehst Du sehr schnell Fortschritte – aber Du darfst eben auch dranbleiben. Du kannst dranbleiben, denn Du hast es verdient.
Und: Der Aufwand lohnt sich!
Denn auf diese Weise lernst Du, mit einem unangenehmen Gefühl umzugehen, das viele Menschen nur allzu häufig aus der Bahn wirft, die ihre Ernährung umstellen und ihren „Schweinehund“ überwinden wollen.
Fazit
Psychologische Reaktanz ist paradox. Sie ist ein seltsames und doch faszinierendes unbewusstes Verhaltensmuster, das den allermeisten Menschen innewohnt – und genau dann ausgelöst wird, wenn wir uns in unserer Autonomie bedroht sehen.
Dann tun wir oft das Gegenteil von dem, was wir uns vorgenommen hatten. Und rebellieren so gegen unser früheres Ich: „Sag mir nicht, was ich zu tun habe!“
Falls Du zu denjenigen gehörst, die mit einer besonders starken Reaktanz gesegnet sind, bin ich bei Dir. Mir geht es ähnlich.
Der Schlüssel liegt in der Veränderung Deiner Perspektive:
Du hörst auf zu kämpfen, indem Du aufhörst, etwas zu müssen.
Anders formuliert: Seitdem ich nicht mehr trainieren muss, will ich viel häufiger trainieren.
Und während Du versuchst, Deine Reaktanz zu zähmen, teile diesen Artikel auf gar keinen Fall!
Frage: Wenn Du willst, kannst Du Dir einen Moment nehmen und in Dich gehen – in welchen Situationen hast Du in der Vergangenheit gegen Deine eigenen Vorsätze rebelliert? Wo standst Du Dir damit selbst im Weg?
- Rosenberg, B. D., & Siegel, J. T. (2018). A 50-year review of psychological reactance theory: Do not read this article. Motivation Science, 4(4), 281–300. https://doi.org/10.1037/mot0000091 [↩]