Kinder verkörpern den Anfängergeist. Sie können das Leben mit anderen Augen sehen. Ein Kind fällt unendlich oft hin, bevor es gehen lernt – und bleibt dran, mit Spaß und Begeisterung.
Als Erwachsene geben wir oft sehr schnell auf. Weil wir uns mit unseren Erfahrungen meist selbst im Weg stehen.
In diesem Artikel lernst Du ein Konzept kennen, das Dir viele Probleme beim Abnehmen und beim Training erspart.
Es ist ein simples Konzept, das Deine Fortschritte beschleunigt und gleichzeitig ziemlich viel Spaß macht:
Du kannst lernen, jeder Herausforderung mit einem Anfängergeist zu begegnen.
Die Idee stammt aus „Zen-Geist, Anfänger-Geist“ des Zen-Mönchs Shunryu Suzuki.
Wer bisher vergeblich versucht hat, seine Ziele mit Härte und Disziplin zu erreichen, könnte darin einen neuen Rahmen finden – und wieder Fahrt aufnehmen, mit mehr Leichtigkeit.
Was ist ein Anfängergeist?
Egal, ob Du die weltbesten Protein-Pancakes backst, jede Dialogzeile der Star Wars Kinofilme mitsprechen kannst oder weißt, wie man einen Garten in Schuss hält:
Du bist Experte.
Wir sind alle Experten. Beim Anfängergeist geht es darum, das alles loszulassen.
Du siehst die Welt durch die Brille eines absoluten Anfängers.
Dazu ignorierst Du alles, was Du bisher über ein Thema weißt: Alle Erwartungen, alles Wissen, alle Ideen und Lösungen.
Wenn Du jemals etwas Neues gelernt hast, dann weißt Du, wie sich das anfühlt:
Meist ist es ein Gefühl der Verwirrung oder Orientierungslosigkeit.
Wie damals als Kind, als Du laufen, radfahren oder schwimmen lerntest. Du kanntest zwar das Endergebnis – Gehen, Radfahren oder Schwimmen wie ein Erwachsener – hattest aber keinen Schimmer, wie genau Du dahin kommst.
Gleichzeitig brennst Du voller Neugier und Begeisterung.
Beides macht den Anfängergeist aus.
In diesem Zustand bist Du:
- frei von Vorurteilen, wie etwas funktioniert.
- frei von Erwartungen darüber, was passieren wird.
- voller Neugier, um Dinge noch besser zu verstehen.
- offen für neue Möglichkeiten, weil Du das (Un-)Mögliche noch nicht kennst.
Denk an Deine Kindheit. Wie war es, BEVOR Du lesen und schreiben konntest?
Kinder bersten vor Fragen.
Sie wollen alles wissen.
Sie können sich alles vorstellen.
Kinder fragen Dinge, die offensichtlich sind – und Dinge, die so sehr in die Tiefe gehen, dass Erwachsene oft nicht darauf kommen.
Für Kinder ist das normal.
Sie sind es gewohnt, Anfänger zu sein.
Aber irgendwo auf dem Weg zum Erwachsensein verlernen wir diesen Anfängergeist, der uns in die Wiege gelegt wurde.
Warum profitierst Du vom Anfängergeist, wenn Du nackt gut aussehen willst?
Viele Menschen verbringen ihr Leben damit, in einem Themengebiet oder einer Fertigkeit exzellent zu werden – sei es im Job oder im Privatleben.
Der Anfängergeist scheint der Exzellenz im Weg zu stehen.
Deshalb kann sich der Gedanke daran zunächst unangenehm anfühlen. Würdest Du das, was Du über Gesundheit und Fitness gelernt hast, vergessen wollen? Ist es nicht besser, Erfahrung und Wissen darüber zu besitzen?
Erfahrungen und Wissen helfen Dir, besser zu werden.
Aber sie können Dir auch dabei im Weg stehen.
Shunryu Suzuki drückt es in seinem Buch folgendermaßen aus:
Wenn Dein Geist leer ist — ist er offen für alles. Im Anfängergeist gibt es viele Möglichkeiten, im Expertengeist nur wenige.
Der Anfängergeist gibt Dir die Möglichkeit, die Welt mit anderen Augen zu sehen und ganz natürlich neue (oft bessere) Wege und Lösungen zu finden.
Die 6 Vorteile des Anfängergeists
Die Vorteile dieser Sichtweise sind mannigfaltig und gelten nicht nur für Deine Figur und Fitness.
Hier sind sechs Vorteile, die Du für Dein Training und Deine Ernährung nutzen kannst:
- Wertschätzung. Bei all den Negativ-Nachrichten jeden Tag ist es leicht, den Blick für die vielen guten Dinge zu verlieren, für die wir dankbar sein können. Durch eine neue Perspektive auf Deine Ernährung, Dein Training und Dein Leben kannst Du wertschätzen, was Du bisher für selbstverständlich angesehen hast.
- Kreativität. Wer sich schon lange mit etwas beschäftigt, Dinge wieder und wieder sieht und tut, entwickelt Gewohnheiten. Das gilt nicht nur für Deine Taten, sondern auch für Deine Gedanken. Indem Du einer (bekannten) Herausforderung aus der Anfänger-Perspektive begegnest, kannst Du neue Wege und Lösungen sondieren, die Du früher nie auf dem Radar gehabt hättest.
- Bewusstheit. Bei Bekanntem schaltet Dein Gehirn gerne in den „Autopilot“-Modus. Vorteil: Es spart Energie. Nachteil: Es gibt keine Verbesserung. Der Anfängergeist hilft Dir, Routinen zu durchbrechen, Deine Gewohnheiten zu reflektieren und, wenn sinnvoll, zu verändern.
- Spaß. Am Anfang jeder Veränderung steht ein starkes „Warum“. Das gilt auch für die Art, wie Du Dich ernährst oder wie Du trainierst. Manchmal gerät unser Warum mit den Jahren in Vergessenheit – und damit geht auch die Begeisterung verloren. Über den Anfängergeist kannst Du die Gründe Deines Tuns wiederentdecken und -erleben.
- Leichtigkeit. Ich schreibe oft über „spielerisches“ Abnehmen – weil es die natürlichste und leichteste Art der Veränderung ist. Warum müssen Fitness und Fettabbau eigentlich stets so bierernst sein? Mit der Sichtweise eines Kindes, das voller Neugier Dinge ausprobiert (und nicht jedes Mal erwartet, dass etwas sofort funktioniert), holst Du Dir die Leichtigkeit Deiner Kindheit ins Hier und Jetzt zurück – und nutzt sie, um das zu erreichen, was Du Dir vornimmst.
- Begeisterung. Dein Körper ist großartig, faszinierend und – er ist schon jetzt wunderschön. Solange Du Dich nur auf die Fehler fokussierst, wirst Du ihn nie als das sehen können, was er wirklich ist.
Klingt gut soweit? Dann fragst Du Dich vielleicht, wie Du lernst, die Welt mit anderen Augen zu sehen und einen Anfängergeist zu kultivieren.
Hier sind einige Tipps, mit denen Du durchstarten kannst.
Wie Du einen Anfängergeist entwickelst, um Deine Fitnessziele schneller zu erreichen
Für alle, die sich gern auf ihr Wissen und ihre Erfahrung verlassen, fühlt sich die Sichtweise des Anfängers zunächst oft erstaunlich herausfordernd an.
„Ich weiß, wie das geht!“ ☝️🧐
vs.
„Ich frage mich, wie das geht?“ 🤔
Hier sind 7 Wege, die Dir dabei helfen, einen Anfängergeist zu kultivieren.
1. Finde heraus, was Du erwartest – und stell’s auf den Kopf
Angenommen, Du willst Deine Ernährung umstellen oder beginnst ein neues Trainingsprogramm.
Welches Ergebnis oder welches Resultat erwartest Du? Kannst Du hundertprozentig sicher sein, dass Du richtig liegst? Was würde passieren, tätest Du das Gegenteil?
2. Nimm Dir Zeit
Ich weiß, Zeit ist für viele von uns das kostbarste Gut. Umso wichtiger ist es, dass Du sie bewusst nutzt und den Autopilot ausschaltest. Wenn Du es eilig hast, gehe langsam. Vielleicht kennst Du das Buch von Lothar Seiwert.
Achte im Training auf jede einzelne Bewegung Deines Körpers: Welcher Muskel arbeitet? Wie bewegt er sich? Wie verändert Dein Körperschwerpunkt sich? Wie fühlt das Gewicht sich an?
3. Vergiss Deine Vorurteile
Jeder besitzt negative Glaubenssätze, die eine Art gläsernes Dach für Deine Entwicklung darstellen.
Wenn Du Dich dabei ertappst, genau zu wissen, wie etwas funktioniert oder was es bedeutet – gibst Du dieser Annahme künftig nicht einfach nach. Stattdessen wartest Du ab und lässt Dich vom Ergebnis überraschen.
4. Was hätte Dein 5-jähriges „Ich“ getan?
Für Kleinkinder gibt es keine dummen Fragen. (Dumme Fragen sind ohnehin ein gedankliches Konstrukt gestresster Erwachsener.) Für Kinder gibt es nur Neugier und Faszination.
Stell Dir vor, Du wärest noch einmal 5 Jahre alt. Frag Menschen, von denen Du glaubst, dass sie Dir eine Übung oder einen Sachverhalt erklären können, und zwar auf die simpelstmögliche Weise: „Warum ist das so?“, „Wie geht das?“, „Warum machst Du das so?“
5. Trenne Dich vom Expertenstatus
Dein Ego liebt es, der Experte zu sein und immer Recht zu haben – vor allem in Bereichen, in denen Du viel Erfahrung und Wissen angesammelt hast.
Die Frage ist, wie so oft, was ist Dein Ziel? Geht es Dir ums Recht haben – oder willst Du besser werden? Indem Du dein Ego schlafen lässt, öffnest Du Dich weiterem Fortschritt.
6. Trainiere mit allen Sinnen
Öffne all Deine fünf Sinne für eine Tätigkeit – als führtest Du sie zum allerersten Mal durch.
Beim Training: Welcher Muskel arbeitet? Wie fühlt sich das an? Wie sieht es aus? Was hörst, schmeckst, riechst Du? Was verändert sich, was bleibt? Was ergibt Sinn? Was nicht? Warum?
Beim Essen: Wie riecht und schmeckt das? Welche Textur hat es? Wie fühle ich mich vor, während und nach dieser Mahlzeit? Warum ist das so?
7. Nutze Meditation fürs Training
Beobachte Deine Gedanken, während Du trainierst. Wertfrei, also ohne über sie zu urteilen. Welcher innerer Dialog findet statt? Welche Emotion fühlst Du? Wie fühlt sich Dein Körper an?
In der Meditation geht es darum, Gedanken zu beobachten und sie vorbeiziehen zu lassen – wie Wolken am Himmel. Indem Du sie beobachtest, lernst Du die mentalen Programme kennen, die Du bisher verwendet hast.
💡 TIPP: Wie Du mit Anfängergeist abnimmst – ohne Deine Ernährung umzustellen
Fettabbau ist mehr, als nur ein Zahlenspiel – vor allem dann, wenn Genuss für Dich eine Rolle spielt.
Du kannst das Konzept des Anfängergeists nutzen, um abzunehmen –indem Du bewusster isst.
Angenommen, die nächste Mahlzeit wäre die erste Deines Lebens. Was würde sich ändern?
- Du siehst die Tätigkeit des Essens mit neuen Augen – als wüsstest Du nicht, was Dich erwartete. Als hättest Du nicht bereits Tausende von Malen gegessen.
- Du musterst die Lebensmittel, den Teller, das Besteck ganz aufmerksam. Vielleicht bemerkst Du schon jetzt Details, die Dir vorher niemals aufgefallen sind.
- Du kannst Textur, Geschmack, Geruch und Erscheinungsbild des Essens wirklich wahrnehmen, wenn Du so tust, als hättest Du es noch nie gegessen.
- Alles scheint neu zu sein – voller Wunder, wie ein kleiner Bissen so viele Wahrnehmungen gleichzeitig auslösen kann.
- Du löst Dich von Deinen vorherigen Erwartungen an das Essen. Siehst es nicht als selbstverständlich an. Würdigst jeden Bissen als Geschenk. Es ist vergänglich und wertvoll.
Die Perspektive eines Anfängers schärft Deine Wahrnehmung. Sie hilft Dir, Deine Ernährung umzustellen und abzunehmen – wenn das das Ziel ist.
Du gewinnst, ohne investieren zu müssen.
Nicht nur beim Essen, sondern bei jeder Tätigkeit.
Fallbeispiel: So profitierst Du im Klimmzugtraining vom Anfängergeist
Schaffst Du schon einen sauberen Klimmzug? Egal, was Du antwortest, Du bist in guter Gesellschaft – das zeigt diese kleine Twitter-Umfrage, die ich letztens startete.
Egal, ob Du es für möglich hältst oder nicht:
Jeder Mensch kann den Klimmzug lernen.
Die Fähigkeit dazu ist uns ebenso in die Wiege gelegt, wie das Laufen. Der Rest ist Training.
Neben einem geeigneten Trainingsplan brauchst Du dazu vor allem eins: Die richtige Einstellung.
Mein Trainerkollege Marco Meyer empfiehlt Klienten, die seinen Klimmzugkurs belegen ganz bewusst, dem Training wie ein Anfänger zu begegnen:
- Gewinner sehen sich als spielerische Anfänger (wie ein Kind),
- Verlierer sehen sich als disziplinierter Profi (wie ein Erwachsener).
Angenommen, Du nimmst Dir vor, den Klimmzug – oder eine beliebige andere Fertigkeit – zu erlernen.
Als Erwachsene stehen wir uns mit unseren unsichtbaren Skripten oft selbst im Weg:
- „Geht das in meinem Alter überhaupt noch?“
- „Bin ich stark, fit, schön und schlank genug?“
- „Ist das nicht viel zu gefährlich?“
- „Dauert das nicht Jahre?“
- „Was, wenn es nicht klappt?“
- …
- [HIER LIMITIERENDEN GLAUBENSSATZ DEINER WAHL EINSETZEN.]
Wenn Du zu denen gehörst, die erst dann mit einer Sache beginnen, wenn sie hundertprozentig sicher sind, dass es funktioniert, denk daran:
Was würde ein Kind tun?
Was würde ein Anfänger tun?
Vermutlich würde er sich überhaupt keine Gedanken machen und einfach loslegen. Und während der „Erwachsene“ ein Jahr später noch nachdenkt, ob er anfängt, kann der Anfänger schon zehn saubere Klimmzüge.
Anfängergeist bedeutet auch, die Erwartungen an den eigenen Erfolg einen Moment loszulassen:
Du fokussierst Dich aufs Ausprobieren, nicht auf den Erfolg.
Profi-Baseballspieler müssen ihren Schläger durchschnittlich zehnmal auf den Ball schwingen, um gut genug für einen Home-Run zu treffen.
Daher konzentrieren sie sich nicht auf den Home-Run. Sie konzentrieren sich nur auf den nächsten Schlag. Weil sie verstanden haben:
Wenn sie ihren Schläger oft genug schwingen, ist der Home-Run nur eine Frage der Zeit.
Das ist der Anfängergeist in Aktion. Und Du kannst Dir diesen Mindset zunutze machen, wenn Du das nächste Mal zum Training gehst.
- Definiere Dein Ziel (z.B. einen sauberen Klimmzug schaffen).
- Entscheide Dich für ein Trainingsprogramm (z.B. mit 2 Workouts pro Woche).
Und jetzt kommt der Anfängergeist ins Spiel:
3. An 2 Tagen pro Woche gehst Du zum Training.
Dabei fokussierst Du Dich NUR aufs Training. Nicht auf das Ergebnis.
Training bedeutet, die eigene Komfortzone zu verlassen.
Und außerhalb unserer Komfortzone sind wir alle Anfänger.
Sobald Du Dir das bewusst machst, weißt Du: Es ist okay, wenn es nicht perfekt ist. Denn anders geht es nicht.
💡 TIPP: Willst Du einen Klimmzug meistern?
Hier sind zwei Möglichkeiten:
- Do-it-Yourself: In diesem Artikel erfährst Du, wie Du den Klimmzug lernen und perfektionieren kannst.
- Mit Trainer-Support: Marcos Kurs „First Pull Up“ ist eine geführte Anleitung, die Dich in 6-12 Wochen zum ersten Klimmzug bringt. (Hinweis: Kursbeginn ca. alle 6 Monate)
Fazit
Wann hast Du das letzte Mal aus der Perspektive eines Anfängers trainiert – oder eine Mahlzeit genossen?
Wenn Du willst, kannst Du von den Vorteilen dieses Konzepts bei jeder Tätigkeit profitieren – beim Zähneputzen, beim Abwaschen, wenn Du Dein Handy benutzt oder wenn Du Dich mit einem anderen Menschen unterhältst.
Die Herangehensweise ist stets die gleiche:
- Du begegnest der Situation völlig ohne Erwartungen.
- Du versuchst die Dinge so zu sehen, wie sie sind – mit allen Sinnen: Hören, Sehen, Fühlen, Riechen und Schmecken.
- Du legst den Fokus auf den Moment und nicht auf das Endergebnis.
Im Training bedeutet das:
- Du gehst zum Training.
- Du trainierst mit allen Sinnen.
Offen, aber ohne den Anspruch an Perfektion. Wenn es so etwas wie Perfektion überhaupt gibt, dann ist sie ein automatisches Ergebnis langer Übung.
Und lange Übung bedeutet Dranbleiben – was mehr auf Spaß, Begeisterung und einem starken „Warum“ fußt, als auf Härte und Disziplin.
Frage: Denk an Deine nächste Trainingseinheit oder die nächste Mahlzeit – wie kannst Du das Konzept des Anfängergeists für Dich nutzen? Teile Deine Ideen und wenn Du willst, auch Erfahrungen. Schreib einen Kommentar.
Bildquellen
Titelbild: Alora Griffiths on Unsplash