Diese Fehler beim Lauftraining wären vermeidbar gewesen. Im Winter 2009/2010 tappte ich eiskalt in die Tempo-Falle.
Damals trainierte ich für den Frühjahrs-Marathon in Hamburg, und zwar „nach Gefühl“ – das heißt ohne festen Trainingsplan. Ein Jahr zuvor stellte ich meine damalige persönliche Marathon-Bestzeit mit 3:14 auf, ein Jahr später lief ich meinen bisherigen persönlichen Rekord mit 3:12.
In diesem Winter „fraß“ ich zwar die meisten Trainingskilometer – mehr als in beiden Bestzeit-Jahren – beim Hamburg Marathon kam ich dennoch mit Ach und Krach „nur“ auf eine gequälte 3:20.
Ich lief weiter, investierte mehr Zeit und „erntete“ dennoch weniger Leistung.
Wo liegt die Ursache?
Die Ernährung, das Körpergewicht und andere trainingsfremde Faktoren kann ich ausschließen – die hatte ich nicht geändert.
Nein.
Ich habe zwei Fehler beim Lauftraining gemacht, die so verlockend sind, dass selbst Profis sie manchmal begehen.
Um diese beiden tückischen Trainingsfallen geht es in diesem zweiten Teil der Artikelserie über Trainingsfehler beim Laufen – und wie Du sie vermeidest.
Lauftraining Falle 1: Moderates Lauftempo
Was war im Jahr 2010 anders als in den anderen Jahren? Ich trainierte zwar häufiger, aber stets mit der gleichen Intensität, und zwar fast ausschließlich im GA1-Grundlagenausdauerbereich.
Nach meiner Wahrnehmung trainieren 80% aller Läufer, denen ich auf meiner Laufstrecke begegne, stets im gleichen (mittleren) Belastungsbereich, oft sogar auf der gleichen (mittleren) Distanz.
Wenn wir uns mit dieser Art von Mittelmaß im Training zufriedengeben, verzichten wir auf die Trainingsreize, die kurze und schnelle oder lange und langsame Trainingseinheiten bieten. Wir laufen zu schnell, wenn es an der Zeit für einen langsamen langen Lauf wäre, und wir laufen zu langsam und zu lang, wenn eine kurze, knackige Einheit optimal wäre.
Jede Trainingseinheit hat ihren Sinn und trägt das ihre zu Deinem Trainingsziel bei. Sie erfüllt nur dann ihren Zweck, wenn Intensität und Dauer optimal festgelegt sind – nicht mehr und nicht weniger.
Jede Abweichung vom Optimum verändert unser gesamtes Training, nicht nur den Sinn dieser Einheit, sondern auch den der vorherigen und nachfolgenden.
Warum laufen wir lange Trainingseinheiten so langsam, wenn wir auch mehr Tempo geben könnten? Durch eine lange Trainingseinheit wollen wir z.B. unsere Typ I („Ausdauer-„)Muskelfasern stärken und die Energiebereitstellung aus Fetten trainieren. Dieses Ziel erreichen wir mit einem langsamen Tempo ebenso wie wenn wir diese Trainingseinheit mit mittlerem Tempo absolvierten.
Doch das langsame Tempo hat zwei entscheidende Vorteile:
- Es fällt uns leichter, die Strecke zu bewältigen und
- wir regenerieren schneller.
Unsere Tempohärte trainieren wir nicht auf der langen Strecke, sondern mit kürzeren, intensiven Trainingseinheiten und Intervalläufen mit Geh- oder Trabpausen. Laufen wir in der Erholungspause während eines Intervalltrainings zu schnell und führen den hochintensiven Teil des Trainings zu moderat durch, dann verändern wir nicht nur den Charakter des Trainings, sondern auch seinen Effekt.
Lösung: „Tschüß!“ zum Mittelmaß
So vermeidest Du diesen Fehler beim Lauftraining und bringst „Würze“ in Dein moderates Training:
- Grundlagentraining bleibt Grundlagentempo – im moderaten Tempo. Wenn Du mit einem Laufpartner trainierst, freu Dich auf eine anregende Konversation.
- Wenn auf dem Trainingsplan kein Tempo- oder Intervalltraining steht, widerstehe der Versuchung, deine Fitness zu testen. Das gilt auch dann, wenn Du von einem anderen Läufer überholt wirst. 😉
- Die Qualität Deines Trainings steigt nicht zwangsläufig mit Deinem Kilometerschnitt – und das gleiche sollte für Deinen Selbstwert gelten.
- Wenn Deine Trainingsgruppe oder -Partner zu schnell wird, lass‘ Dich zurückfallen. Trainiere alleine, wenn es sein muss.
- Leg‘ Dein Ziel-Trainingstempo im Voraus fest und sieh es als Herausforderung, dranzubleiben – und nicht schneller zu werden.
Die zweite Falle liegt gar nicht weit von der ersten entfernt, kein wunder, dass ich sie 2009 mitgenommen habe…
Lauftraining Falle 2: Kein Tempotraining
Vielleicht sollte ich an dieser Stelle hinzufügen, dass ich auf keinem meiner 17 Marathonläufe bisher so leicht und locker ins Ziel gelaufen bin, wie bei meiner Bestzeit 2011 nach 3 Stunden 12 Minuten.
Für mich war es ein echtes „A-Ha“-Erlebnis festzustellen, dass mehr Leistung im Wettkampf keineswegs bedeutet, dass Du Dich „subjektiv“ mehr verausgaben musst. Denn die 3:20 im Vorjahr waren hingegen zäh und anstrengend wie ausgelutschtes Kaugummi.
Unsere Laufleistung hängt eben nicht ausschließlich von den ‚abgerissenen‘ Wochenkilometern ab, auch wenn viele Läufer das glauben. Selbst in der Grundlagenausdauer-Trainingsphase profitieren wir davon, einige Einheiten etwas schneller zu laufen als andere.
Was passiert, wenn wir diesen Fehler beim Lauftraining begehen und unser Tempo so sträflich vernachlässigen wie ich im Jahr 2010?
- Muskelabbau: Unsere Typ I und II Muskelfasern bilden sich zurück (atrophieren).
- Nervenrückbildung: Es können weniger Muskelfasern gleichzeitig rekrutiert werden.
- Laktatbildung: Bei hochintensiven Belastungen sammelt sich mehr Laktat im Muskel an (wir übersäuern schneller)
- Laktattoleranz: Unsere Muskeln können weniger Laktat „puffern“ und geben früher auf, wenn sich Laktat ansammelt.
Ein Wunder, dass ich die 3:20 damals überhaupt geschafft habe…
Die Lösung: Tritt aufs Gaspedal
Wenn wir schnelles Lauftraining in unsere Routine integrieren,
- stärken wir unsere Muskeln,
- trainieren unser Nervensystem, möglichst viele Muskelfasern zugleich zu aktivieren,
- bilden weniger Laktat, das den Muskel übersäuern kann und
- trainieren gleichzeitig die Laktattoleranz.
Je nach Trainingsziel variiert der Anteil der Tempoeinheiten am Gesamtumfang. Beispiel: Im Marathontraining absolviere ich etwa 1/4 bis 1/3 der Trainingskilometer in den drei Monaten vor dem Wettkampf im intensiven Bereich, wenn ich mich optimal vorbereite. Bei 70 Wochenkilometern wären das beispielsweise etwa 17-21 km.
Fazit
Ein letzter Punkt ist mir noch wichtig: Ob Du Dein Lauftraining jetzt anpasst oder nicht, ist – wie immer – eine Frage Deiner Zielsetzung.
Wenn Laufen für Dich Meditation und Stressabbau ohne Leistungsanspruch bedeutet, dann kann die Lösung für Dich darin liegen, den Trainingsplan links liegen zu lassen und nach Lust und Gefühl Laufen zu gehen. Dann sind die beiden oben beschriebenen „Fehler“ im Lauftraining für Dich kein Thema.
Auf der anderen Seite kann ein abwechslungsreicher Trainingsplan mit schnellen und kurzen, moderaten und mittleren und langen, langsamen Einheiten eine unglaubliche Energiequelle bedeuten. Die neuen Reize, die Du im Lauftraining setzt, wirst Du vielleicht schneller als Du denkst auch in Deiner Stimmung und Deinen Gedankengängen wiederfinden…
Dieser Artikel erscheint in der Serie „Die größten Fehler im Lauftraining – und wie Du sie vermeidest“. Mehr Artikel findest Du unter dem Schlagwort Lauffehler.
Welche Anpassungen nimmst Du an Deinem Trainingsplan vor? Welche Erfahrungen möchtest Du teilen? Was war Dein größter Fehler beim Lauftraining – und welchen Tipp würdest Du weitergeben?
Fotos im Artikel “Lauftraining: Trainierst Du zu langsam”: via Flickr „[Life’s a beach]“ von bass_nroll (CC BY-NC-ND 2.0), © marathonfitness.de, © iStock/Geber86.