Richtig Laufen: Unser Laufstil ist so individuell wie unsere Kleidung, Haarfarbe und Größe.
Und Laufen kann doch eigentlich jeder Mensch…
Hast Du gelernt, richtig zu laufen?
Bevor wir durchstarten, danke ich Dir fürs Mitmachen:
- Du hast bei 21 Tage Gewinne mitgemacht und gesagt, worüber Du mehr lesen möchtest.
- Du bist ein Dranbleiber geworden.
- Du hast unter allen eingereichten Themen bei den „MarathonFitness Wahlen 2012“ abgestimmt, welchen Artikel ich schreibe.
Viel Spaß, der hier ist für Dich!
Hast Du gelernt, richtig zu laufen?
Laufen und richtig laufen liegen gefühlte 42,195 km auseinander. Das Problem dabei ist, dass wir den falschen Laufstil, den wir über Jahre verinnerlicht haben, vielleicht gar nicht mehr als solchen wahrnehmen. Wir haben ihn zur Gewohnheit gemacht.
Die gute Nachricht: Eine Gewohnheit können wir ändern, wenn wir es nur wollen!
Lass uns für 30 Sekunden die Sportart wechseln…
Was unterscheidet einen erfahrenen Autofahrer von einem exzellenten Rennfahrer?
Machen wir ein Gedankenexperiment: Lass uns zufällig 10 erfahrene Autofahrer/innen in Hamburg City auslosen, um sie gegen Michael Schumacher zu einem Rennen antreten zu lassen. Nehmen wir an, die Damen und Herren haben jahrzentelange Erfahrung hinter dem Steuer.
Alle bekommen den gleichen pfeilschnellen, leistungsstarken Rennwagen.
Wer gewinnt?
Derjenige, der die PS in jeder Situation auf die Straße bringen kann.
Ohne Driften, ohne Unter- oder Übersteuern, ohne durchdrehende Reifen. Das alles kostet Motorleistung, die letztlich nicht in Geschwindigkeit umgesetzt werden kann.
Unsere Straßenverkehrs-Routiniers wissen vielleicht, wie sie ein Auto bedienen, haben vielleicht auch eine Menge Spaß dabei, aber sie werden nicht ansatzweise die PS auf die Straße bringen – denn ihr Fahrstil erreicht nicht annähernd die Perfektion eines Michael Schumachers.
Warum also richtig laufen?
Eine Frage des Laufstils: Warum richtig laufen lernen?
Deine Ausdauer ist gut, Deine Muskeln trainiert, Deine Beweglichkeit top? Die Laufschuhe perfekt auf Dich abgestimmt? Herzlichen Glückwunsch, Du besitzt ihn also – den schicken Rennwagen mit PS-starkem Motor und Leichtmetallfelgen.
Die perfekte Voraussetzung für neue Bestzeiten auf der Laufstrecke? Vielleicht…
Wenn Du keinen guten Laufstil hast, wirst Du all die Mühe, all die Ausrüstung und all das Training nicht optimal umsetzen können, ein Teil der investierten Leistung verpufft, weil Du die PS nicht auf die Straße bringst.
Du kannst Dein volles Potenzial nur dann ausschöpfen, wenn Du Deine Kraft und Deine Laufleistung optimal umsetzt – und zwar ausschließlich in Richtung Deines Ziels, und das liegt vor Dir. Du möchtest also soviel Energie wie möglich in Deine Vorwärtsbewegung umsetzen. Das geht nur dann, wenn Du einen guten Laufstil mitbringst und richtig laufen lernst.
Daraus ergeben sich drei wesentliche Fragen. In 3-5 Minuten, am Ende dieses Artikels, kennst Du die Antworten:
- Was bedeutet richtig laufen?
- Was unterscheidet einen guten von einem schlechten Laufstil?
- Was sind die häufigsten Fehler beim Laufen – und wie vermeidest Du sie?
Perfekter Laufstil: Was macht richtiges Laufen aus?
Ein optimaler Laufstil ist
- ökonomisch,
- energiesparend und
- effizient.
Ein Ingenieur würde sagen: Ein optimaler Laufstil hat einen hohen Wirkungsgrad, d.h. die eingesetzte Energie wird möglichst verschwendungsfrei in die Bewegung nach Vorne umgesetzt.
Dabei geht in erster Linie also nicht um Ästhetik, sondern eher um die Frage, ob durch eine ungünstige Technik unnötig Energie vernichtet wird. Eine schön anzusehende Bewegung ist eher Beiprodukt eines exzellenten Laufstils: Ein perfekter Laufstil wirkt wie der einer Gazelle – leicht, fließend und elegant.
Diese neue Leichtigkeit im Laufen zu erreichen, mag leichter sein als Du vielleicht denkst. Lass uns einen Blick drauf werfen, was einen guten von einem schlechten Laufstil unterscheidet.
Richtig Laufen in 4 Schritten (Do’s & Dont’s)
Damit wir unseren Laufstil analysieren können, unterscheiden wir vier Bewegungsphasen:
- Abdrücken
- Flug
- Aufsetzen
- Stützen
Was macht die einzelne Phase aus? Auf welche Dinge darfst Du achten (Do’s) und was sind die häufigsten Fehler (Dont’s)?
1. Abdrück-Phase
Merkmale
- Körperschwerpunkt liegt vor dem Fuß (genauer: vor der Stelle, an der Dein Fuß den Boden berührt)
- Du drückst Dich über Mittelfuß und Fußballen ab.
- Die Kraft wird über das Bein an die Hüfte übertragen.
Do’s – richtig laufen
- Oberkörper stabil
- Hüfte nach vorne
- Leicht vornübergebeugte Haltung
- Arme 90° angewinkelt
- Vor- und Mittelfußläufer gewinnen einen zusätzlichen Energieschub aus der Achillessehne.
Dont’s
- Abknicken im Oberkörper
- Arme schlaff herabhängen lassen
2. Flug-Phase
Merkmale
- Beide Füße befinden sich in der Luft (auch „Schwebephase“ genannt).
- Die Flugphase macht 70% des Bewegungsablaufs aus.
- Hüfte und Bein sind nach Abstoß gestreckt.
Do’s – richtig laufen
- Deine Arme unterstützen die Laufbewegung!
- Behalte die Arme im 90° Winkel, nur so gewinnst Du optimal an Schwung und sparst Energie.
- Die meiste Energie geht in die Vorwärts-, nicht die Aufwärtsbewegung Deines Körpers!
Dont’s
- Winkle Deine Arme nicht ZU weit an – das kostet Dich Energie.
3. Aufsetz-Phase
Merkmale
- Dein Körper federt das 2- bis 4-fache Deines Körpergewichts ab.
- Die Kraft wird über das Sprung-, Knie- und Hüftgelenk übertragen.
Do’s – richtig laufen
- Das Knie Deines aufsetzenden Beins ist leicht angewinkelt.
- Dein Unterschenkel ist fast senkrecht zum Boden.
- Du setzt über Mittel- oder Vorfuß auf.
- Der erste Bodenkontakt befindet sich etwas vor dem Körperschwerpunt (aber recht zentral)
Dont’s
- Achte darauf, dass Dein Bein NICHT durchgestreckt ist – das machen viele Läufer, die mit der Ferse aufsetzen.
- So verschwendest Du Energie und riskierst Verletzungen und Gelenkverschleiß.
4. Stütz-Phase
Merkmale
- Fuß stützt und führt beim Bodenkontakt über Vor- und/oder Mittelfuß (bei gutem Laufstil!)
- Stützphase macht 30% des Bewegungsablaufs aus.
Bonus-Tipp: Körperhaltung
- Dein Oberkörper wirkt beim Laufen insgesamt ruhig. Je ruhiger, desto besser!
- Deine Schultern sind und bleiben entspannt.
- Deine Arme schwingen – von vorne gesehen – nur leicht vor dem Oberkörper.
- Deine Hände sind locker.
- Je schneller Du läufst, desto höher Dein Kniehub! (Eliteläufer haben auch beim langsamen Lauf einen hohen Hub)
Don’t
- Von vorne betrachtet, schwingen Deine Arme NIEMALS in die andere Körperhälfte hinüber. Ich sehe diesen Laufstil ab und zu an der Hamburger Außenalster, diese Läufer verschenken eine Menge Energie.
Video: Der Laufstil eines Elite-Läufers
In diesem Video siehst Du den kenianischen Marathonläufer Moses Mosop, der im April 2012 den Rotterdam Marathon in 2:05:03 gelaufen ist und damit zur absoluten Weltspitze im Marathonlauf gehört.
Wenn er das richtig Laufen nicht gelernt hat – wer dann?
Also lass uns einen Blick auf seine Lauftechnik werfen. Interessant: Ab Position 2:10 siehst Du im Video einen schlechten Laufstil, wie ihn sich Tausende von Läufern angeeignet haben – was für ein Unterschied!
Woran liegt es, dass die meisten Läufer das richtig Laufen noch nicht gelernt – oder wieder verlernt haben?
Wie entsteht ein schlechter Laufstil?
Eine Hauptursache für schlechte Lauftechnik liegt im unserer „fortschrittlichen“ Laufausrüstung: den stark gedämpften Laufschuhen. Insbesondere Einsteiger werden durch die weiche Dämpfung dazu verführt, in den Fersenlauf zu verfallen, also beim Abrollen mit der Ferse aufzukommen.
Barfuß ist dieser Laufstil übrigens wesentlich unbequemer, weil die Dämpfung den Stoß nicht abfängt.
Versuch einmal (vorsichtig!) barfuß mit der Fersenlauf-Technik zu joggen. Du wirst schnell merken, wie unnatürlich, unökonomisch und vor allem belastend für die Gelenke diese Art des Laufens ist: Das Landen auf dem Absatz lässt ein Bremsmoment entstehen und staucht das Knie. Energie geht verloren.
Das Gegenteil passiert beim Barfußlaufen. Barfußläufer sind überwiegend Vorfußläufer – dabei wird ein Großteil der Energie beim Aufprall in der Muskulatur gespeichert und beim Abdruck wieder abgegeben. Unsere Achillessehne funktioniert dabei wie eine große, leistungsfähige Feder.
Studien lassen vermuten, dass Barfußlaufen mittelfristig Verletzungen vermeiden hilft.
Beim Marathonlauf und auf Ultradistanzen wird überwiegend über den Mittelfuß abgerollt, mit leichter Tendenz zum Vorfußlauf.
Die folgende Tabelle hebt die Unterschiede zwischen einem guten und schlechten Laufstil hervor.
Quelle: Das große Buch vom Marathon, Hubert Beck
Richtig Laufen Körperhaltung
Dein Kopf ist aufrecht, die Schultern locker. Dein Rumpf ist aufgerichtet. Stell Dir vor, Du hättest unterhalb Deines Bauchnabels – ca. auf Hüfthöhe – ein Seil befestigt. Stell dir vor, dass Dich dieses Seil beim Laufen nach vorne zieht.
Leider genügt es nicht, wenn wir intellektuell verstanden haben, wie richtig Laufen funktioniert. Schwimmen haben wir ja auch nicht gelernt, indem wir Bücher darüber lasen.
Als lass es uns TUN!
3 Laufstil-Sofortmaßnahmen, die Dich schneller machen
Das Thema Technik-Training ist einen eigenen Artikel wert. Daher gebe ich Dir nächste Woche an dieser Stelle Sofortmaßnahmen für guten Laufstil – 3 Methoden, die Dich schneller machen.
- Du lernst drei einfache Methoden kennen, mit denen Du richtig laufen lernst.
- Die erste Übung dauert etwa 10-15 Minuten und gibt Dir noch am gleichen Tag ein neues Gefühl für Deinen Körper – durch eine schlagartige Veränderung Deines Laufstils.
- Übung 2 ist ein Trick, den ich mir von einem Ex-Triathleten und CrossFitter abgeguckt habe. Zeitaufwand: 30 Sekunden. Diesen Trick kannst Du sofort in Dein Training einbauen.
- Bei der dritten Methode handelt es sich um ein spezielles Trainingsprogramm, das pro Woche etwa 10 Minuten beansprucht. Damit verankerst Du neue Bewegungsmuster, die in wenigen Wochen unterbewusst und automatisch zum richtig Laufen führen.
Du willst dranbleiben und den Folge-Artikel nicht verpassen? Wenn Du möchtest, informiere ich Dich einmal wöchentlich über die neuen Themen auf MarathonFitness.
Dazu erhältst Du 1x pro Woche ausführliche Antworten zu Fragen aus dem Fitness Coaching.
Also trag Dich ein, und werde ein Dranbleiber (es ist kostenlos!).
Fazit
Wie sieht der perfekte Laufstil aus, wie geht richtig laufen? So wie jeder von uns etwas anders aussieht, hat auch jeder Läufer einen anderen Laufstil – das gilt auch für Elite-Athleten wie den im Video gezeigten Moses Mosop.
Dennoch gibt es bestimmte Elemente unseres Bewegungsmusters beim Laufen, die wir – oft durch stark gedämpfte Laufschuhe – falsch erlernen und dann unterbewusst verankern. Die Folge: Wir verbrauchen mit jedem Schritt unnötig Energie, die uns Kraft raubt und langsamer werden lässt. Wir fahren zwar einen Formel 1 Rennwagen können die PS aber nicht auf die Straße bringen, wie Michael Schumacher im Eingangsbeispiel.
Anhand des 4 Phasenmodells des Laufschritts wird deutlich, wo die häufigsten Laufstil-Fehler liegen und wie das Bewegungsmuster korrekt ausgeführt wird.
Im zweiten Teil dieses Artikels lernst Du, wie Du Deine „schlechte Programmierung“ mit falschen Bewegungsmustern durch einen effizienteren Laufstil ersetzt, der Dich schneller und schöner laufen lässt.
Teile mir und allen, die dranbleiben wollen, Deine Erfahrungen mit:
- Welche Fragen sind noch offen?
- Läufst Du auf dem Vorfuß, Mittelfuß oder noch auf der Ferse?
- Welche Fehler fallen Dir in Deinem Laufstil heute auf?
- Was möchtest Du ändern?