Kompressionssocken beim Sport: Schön sind sie nicht.
Ehrlich. Männliche Läufer wirken selbst im pinken Racing-Höschen maskuliner und Läuferinnen erinnern eher an thrombosegeplagte Großmütter.
Umso schwerer fällt mir dieses Geständnis.
Seit 2007 bin ich alle Marathon-Wettkämpfe in Kompressionsstrümpfen gelaufen. Und mit Kompressionssocken gelang mir im gleichen Jahr auch meine erste Marathon-Bestzeit unter 3:15.
Lag es nur an den Socken? Wahrscheinlich nicht.
Haben sie geholfen? Vielleicht schon.
Habe ich es trotz der fiesen Optik wieder getan? Jawohl.
Bisher war höchst umstritten, inwiefern Kompressionstextilien wirklich zu einer Leistungssteigerung beim Sport führen.
Nun gibt es eine neue Studie. Mit überraschendem Ergebnis…
Wie wirken Kompressionsstrümpfe?
Kompressionssocken drücken von außen auf das umschlossene Gewebe der Wade und entlasten damit sowohl die Venen als auch das Lymphsystem.
Der Strumpf ist so gefertigt, dass der Druck im Verlauf der Wade von oben nach unten zunimmt. Damit wird der Abtransport von Blut und Lymphflüssigkeit aus dem belasteten Wadenmuskelgewebe gefördert.
Das sagen Hersteller über Kompressionssocken
Was bringt’s nun auf dem Tacho?
Fragen wir zuerst den Hersteller und dann die Forscher. Das sagt einer der führenden Fabrikanten, CEP, auf seiner Website über die Kompressions-Technologie:
Hochentwickelte Produktkonzepte, auf dich und deine Sportart abgestimmt – dafür steht die Marke CEP.
Die Basis dabei ist immer Kompression und deren richtiger Einsatz:
Die medi compression sorgt für den richtigen Einsatz der Kompression, wie du sie wirklich brauchst.
Die optimale Verbindung von Kompression und Funktionalität wird durch unser ADDITUS+– System garantiert.
Um dem Anspruch von ADDITUS+ gerecht zu werden, greift CEP auf die Erfahrungen von Sportlern jeder Leistungsklasse zurück. Das Ziel dabei ist, CEP beständig noch besser und noch wirkungsvoller zu machen. Dadurch können wir dich ideal unterstützen und dir helfen, deine Grenzen zu überwinden und über dich hinauszuwachsen:
REDEFINE YOUR LIMITS!
Aha…alles klar?
Ich finde hier keine verwertbaren Leistungsfakten. Vielleicht wird das Bild etwas klarer, wenn wir auf die Produktseite der Running-Socken schauen:
MEDI COMPRESSION – VORTEILE
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- Mehr Energie, Ausdauer und Leistung
- Verbesserte Durchblutung
- Präventionsfunktion
- Muskel- und Gelenkstabilisierung
- Erhöhte Koordination
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Vielleicht wird es jetzt ETWAS konkreter.
Aber MEHR Energie, Ausdauer und Leistung könnte auch heißen: „Hiermit laufen Sie eine um bis zu 10 Sekunden bessere Marathonzielzeit, wenn Vollmond ist und der Hund dreimal bellt.“
Was bedeutet „mehr“ also, wenn wir über Leistung reden?
Meine Erfahrungen mit Kompressionsstrümpfen
Ich kann mich noch sehr gut an mein erstes Paar Kompressionssocken erinnern. Sie waren vom bereits erwähnten Hersteller CEP.
Ich kaufte sie am Nachmittag vor dem Marathon auf der Laufsport-Messe.
Freit nach dem Motto „no Risk, no Fun“ tat ich, wovon jeder Laufcoach abriet: Ich testete das brandneue, ungewaschene Paar Socken gleich am nächsten Tag.
Alte Marathon-Hasen schlagen jetzt die Hände über dem Kopf zusammen: „Solche Experimente macht man doch nicht, besonders nicht wenn eine neue Bestzeit geplant ist und das Training gut lief.“
Stimmt, das war weder vernünftig noch würde ich es empfehlen.
Ich erlag schlicht und einfach den Verlockungen der Marketing-Versprechungen: „Um bis zu 5% bessere Leistungen im Wettkampf“ stand auf der Packung.
5 Prozent! Das „bis zu“ überliest Du gerne, wenn Du nach Kaufargumenten suchst…
5 Prozent schneller. Das sind ganze 12 Minuten, wenn Du von 4 Stunden Zielzeit ausgehst.
Ich konnte wollte jedenfalls nicht widerstehen.
Ergebnis: Der Marathon war ein voller Erfolg.
Haben die Kompressionssocken geholfen?
Ich bin der Ansicht: ja.
Meine Waden fühlten sich trotz des ambitionierten Ziels, das ich verfolgte, auch auf den letzten 10 Kilometern noch immer frisch an wie auf noch keinem Wettkampf zuvor.
Lag’s vielleicht am Placebo Effekt? Gut möglich. Für mich hat die Investition sich auch dann gelohnt.
Das 5 Prozent Versprechen findest Du heute übrigens nicht mehr auf der Website. Aber es wäre interessant zu wissen, was die Forschung sagt…
Die Wahrheit über Kompressionstextilien: Was sagt die Wissenschaft?
Leistungsbooster oder Placebo: Was ist nun wirklich dran am Mythos der Kompressionssocken?
Das Hohenstein Institute führte kürzlich eine interessante Studie über die leistungssteigernde Wirkung von Kompressionstextilien durch.
Dazu schickten die Wissenschaftler insgesamt 10 Triathleten auf die Laufstrecke.
Die eine Hälfte der Probanden wurde mit Kompressionsstrümpfen ausgestattet, die andere trug herkömmliche Sportsocken.
Die Athleten absolvierten dann einen Lauf über 5 km und danach 10 aufeinander folgende Sprungübungen auf einer Kraftmessplatte. Die Gruppen wurden eine Woche später getauscht und der Versuch wiederholt.
Das Ergebnis:
Weder die 5 km-Laufleistung der Sportler noch die Sprunghöhe wurde durch das Tragen von Kompressionssocken beeinflusst.
Da den Athleten auch Blut abgenommen wurde, konnten die Forscher allerdings einen anderen überraschenden Effekt feststellen: Im Blut der Sportler mit Kompressionsstrümpfen konnte der Biomarker Myokin nachgewiesen werden. Myokin zeigt den den Erholungswert eines Muskels an und ist ein klares Signal für eine schnellere Regeneration des Muskels.
Diese könne der Kompressionswirkung der Socken zugeschrieben werden, so die Wissenschafter.
Wenn das Laufen mit Kompressionsstrümpfen nicht schneller macht, läuft es sich dann wenigstens komfortabler?
Tatsächlich bestätigte ein Großteil der Testpersonen: Sie empfanden sie ein angenehmeres Gefühl während des Laufs.
Studienleiter Prof. Dr. Dirk Höfer fasst zusammen:
„Offenbar wird die Zeit bis zur körperlichen Erschöpfung mit Kompressionstextilien verlängert. Doch nicht nur während des Sports, auch beim Tragen danach könnten sie z.B. belastungsbedingte Muskelschmerzen und -schwellungen vermindern oder Maximalleistung, Sprint- und Sprungkraft des Körpers schneller wieder herstellen“.
Fazit
Die Ergebnisse der Studie geben mein subjektives Empfinden während langer Ausdauerläufe über 30 km und bei Marathonwettkämpfen wieder.
Meine Waden fühlen sich länger „frisch“ an und Beschwerden bei der Bewegung am Folgetag sind – wenn überhaupt – deutlich geringer.
Ich bin mir sicher, dass sich dieses Gefühl bei einem Wettkampf positiv auf die Psyche auswirkt. Fühle ich mich frischer, fällt es mir auch leichter meine Kräfte zu mobilisieren.
Ich habe bisher Kompressionsstrümpfe von Falke und CEP ausprobiert. Sie sind beide gut, wobei mir die Passform von CEP noch etwas besser gefällt.
Vielleicht ist Dir schon aufgefallen, dass die Forscher in der Studie bisher nur die Auswirkung auf mittleren Distanzen untersucht haben.
Messbare Ergebnisse auf Langdistanzen über 20 km sind für Marathonläufer natürlich noch interessanter. Es bleibt also spannend, bis auch hier Forschungsergebnisse vorliegen.
Frage: Welche Erfahrungen hast Du bisher mit Kompressionsstrümpfen gemacht? Schreib einen Kommentar.
Bildnachweis im Artikel „Laufsocken“: © CEP