„Bist Du sicher, dass Du richtig atmest?“ Die Frage klingt erstmal komisch, oder? Atmen ist doch das Natürlichste der Welt – wir machen es jede Sekunde, ohne groß darüber nachzudenken. Aber was wäre, wenn Dir jemand sagen würde, dass Du durch das bewusste Ändern Deiner Atmung viel mehr aus Deinem Training herausholen kannst?
Stell Dir vor, Du könntest Deine Muskeln effektiver mit Sauerstoff versorgen, Deine Ausdauer steigern und sogar Deine Regeneration beschleunigen – einfach, indem Du weniger atmest.
Klingt kontraintuitiv? Genau das ist es. Denn richtig atmen beim Sport bedeutet nicht unbedingt mehr Luft holen. Tatsächlich kann es sein, dass Du durch gezieltes weniger Atmen Deine Leistung sogar steigern kannst.
Dir reichen die Informationen aus dem Artikel nicht? Dann höre einfach meine Podcast-Folge. Darin behandele ich das Thema Atmung noch etwas ausführlicher:
Warum die Atmung beim Sport entscheidend ist
Wäre mir früher jemand mit dem Thema Atmung im Training gekommen, hätte ich es vermutlich nicht weiter beachtet.
Da kamen mir Bilder von spirituellen Retreats in den Kopf, bei der am Ende alle nackt im Kreis in einer Jurte sitzen und sich an den Händen halten.
Doch inzwischen gibt es einige sehr lesenswerte Bücher zum Thema Atmung, die ich Dir sehr ans Herzen legen kann. Denn:
Die richtige Atmung hat tatsächlich einen direkten Einfluss auf Deine Leistung und Effizienz Deines Trainings.
Tatsächlich kann strategisches Atmen Deine Muskeln optimal mit Sauerstoff versorgen und Deinen Körper leistungsfähiger machen.
Und das funktioniert oft nicht, indem Du mehr atmest – sondern tatsächlich durch weniger Atmen, gezielt und mit System.
Was passiert eigentlich beim Atmen?
Warum atmen wir eigentlich?
Wahrscheinlich denkst Du jetzt, um Sauerstoff in den Körper zu holen. Aber tatsächlich geht es beim Atmen vor allem darum, CO₂ – also Kohlendioxid – wieder loszuwerden.
Sauerstoff ist zwar wichtig, aber unser primärer Antrieb für jeden Atemzug ist, das überschüssige CO₂ aus dem Körper zu entfernen.
CO₂ fungiert dabei als „Transporthelfer“. Es ermöglicht dem Sauerstoff, das Blut zu verlassen und die Muskeln zu erreichen.
Wenn Du allerdings zu viel atmest, wird das CO₂ zu schnell aus Deinem Körper abgeführt, sodass es diese Aufgabe nicht mehr erfüllen kann.
Das Ergebnis? Dein Gewebe erhält und Deine Muskeln erhalten weniger Sauerstoff, als sie eigentlich könnten.
Übermäßiges Atmen führt somit zu einer schlechteren Sauerstoffversorgung.
Interessanterweise gibt es Statistiken, die zeigen, dass Menschen heutzutage viel häufiger pro Minute ein- und ausatmen, als noch vor 50 oder 100 Jahren.
Das bedeutet, dass unsere Muskeln und unser Gehirn unter Umständen nicht die optimale Menge an Sauerstoff bekommen.
Ich muss zugeben, anfangs war ich skeptisch als ich das las – bis ich ein paar Atemtechniken selbst getestet habe.
Übermäßiges Atmen: Was sind die Ursachen?
Doch lass uns davor kurz auf die Ursachen schauen, warum die meisten Menschen übermäßig viel atmen.
Ursache 1: VO₂ Max Wert ist zu niedrig
VO₂ Max klingt erstmal kompliziert. Bedeutet aber nichts anderes als das maximale Sauerstoffvolumen, das Dein Körper den Muskeln zur Verfügung stellen kann.
VO₂ Max = Maximales Sauerstoffvolumen Deines Körpers
Einfach ausgedrückt: Menschen, die einen hohen VO2 Max besitzen, die kommen beim Treppensteigen nicht so schnell aus der Puste, wie Menschen mit einem niedrigen VO2 Max.
Merke Dir: Je höher Dein VO₂ Max, desto mehr Sauerstoff kommt in Deine Muskeln. Je mehr Sauerstoff in Deinen Muskeln, desto mehr Power.
Und wie verbesserst Du Deinen VO₂ Max? Ganz klassisch durch Ausdauertraining wie Kardio.
Ursache 2: Geringe Toleranz für CO₂
Eine niedrige CO₂-Toleranz bedeutet, dass Dein Körper CO₂ schnell loswerden will und zu früh ausatmet, bevor der Sauerstoff wirklich bei den Muskeln ankommt.
Studien haben gezeigt, dass die sportliche Leistung bei erhöhtem Kohlendioxid und reduziertem Sauerstoffdruck Deine VO₂ Max verbessern kann. Das ist auch der Effekt, den Sportler beim Höhentraining nutzen.
Kommen wir nun aber zu den versprochenen Atemtechniken. Sie helfen Dir, Deine CO₂-Toleranz zu erhöhen und die Sauerstoffzufuhr zu optimieren.
3 Atemtechniken, die wirklich was bringen
Normalerweise wird im Fitnessbereich empfohlen, beim Absenken eines Gewichts einzuatmen und beim positiven Teil, also dann, wenn Du die Muskeln kontrahierst, wieder auszuatmen.
Das ist auch kein schlechter Rat. Aber mit den folgenden Atemtechniken kannst Du eine noch bessere Leistung erzielen, was Deine Kraft angeht, was Deine Ausdauer angeht, was auch den Fettabbau angeht.
Technik 1: Atme durch die Nase
Atmest Du durch den Mund, gelangt die Luft meist nur in den oberen Bereich der Lunge und aktiviert vor allem den oberen Brustkorb.
Die Nasenatmung hingegen sorgt dafür, dass die Luft tiefer in die Lunge gelangt.
Dadurch erhalten die Muskeln mehr Sauerstoff und Keime werden herausgefiltert, bevor sie tief in die Atemwege gelangen.
Neben diesen gesundheitlichen Vorteilen hat die Nasenatmung noch weitere Effekte:
Wenn Du durch die Nase atmest, bleibt Dein Mund feucht, das Risiko für Mundgeruch und Zahnprobleme sinkt.
Deine Nasenschleimhaut produziert bei der Nasenatmung Stickstoffmonoxid. Und Stickstoffmonoxid hilft die Sauerstoffaufnahme im Deinem Körper zu verbessern.
Klar, Nasenatmung hört sich einfach an. Doch wer viel durch den Mund atmet, kann echte Schwierigkeiten damit haben, plötzlich von 0 auf 100 auf Nasenatmung umzuschalten.
Deshalb rate ich Dir, die Nasenatmung bei leichten Trainingseinheiten oder alltäglichen Aktivitäten wie Spazierengehen zu üben.
Wenn Du bewusst durch die Nase atmest, gewöhnt sich Dein Körper daran und die Sauerstoffversorgung Deiner Muskeln steigt.
Steigere dann allmählich die Intensität Deines Trainings.
Falls Deine Nasengänge am Anfang gereizt reagieren, kann das ein Zeichen dafür sein, dass Du zu schwer atmest. Dann einfach die Trainingsintensität etwas verringern.
Technik 2: Atme so leicht wie möglich
Auch wenn es schwerfällt: Atme bei anstrengendem Training so ruhig wie möglich.
Es mag ungewöhnlich klingen, doch weniger Luft einatmen hilft, Deine CO₂-Toleranz zu erhöhen und die Atmung zu stabilisieren.
Wenn Du es schaffst, etwas weniger Luft einzuatmen, als Dir vielleicht angenehm ist oder als Du es gewohnt bist, dann kannst Du Deine CO₂-Toleranz relativ schnell steigern.
Und das Ergebnis? Du wirst merken, dass Du in Ruhe viel langsamer und entspannter atmest.
Technik 3: Die Nasenentstopfungs-Übung
Die erste Technik nützt herzlich wenig, wenn Deine Nase verstopft ist und Du beim Training zwangsweise durch den Mund atmen musst.
Deshalb möchte ich Dir unbedingt noch die „Nasenentstopfungs-Übung“ erklären. Der Name klingt zwar etwas komisch, aber er trifft genau ins Schwarze.
Sie hilft Dir, die Nase frei zu bekommen und bringt Dich dazu, selbst bei intensiven Workouts entspannt durch die Nase zu atmen:
- Atme einen kleinen unhörbaren Atemzug durch die Nase ein und einen kleinen leisen Atemzug wieder aus.
- Geh dabei so viele Schritte wie möglich mit angehaltenem Atem, um so einen starken Luftmangel zu erzeugen. Natürlich ohne es zu übertreiben.
- Nimm die Atmung wieder auf und benutze nur Deine Nase, um Deine Atmung in einen ruhigen Rhythmus zu bringen.
Wenn Du nach zwei bis drei Atemzügen nicht wieder zu Atem kommst, dann hast ihn zu lange angehalten. Dann mach das Ganze einfach noch mal, und zwar ein bisschen weniger intensiv und halte die Luft etwas kürzer an.
Mach nach jedem Durchgang eine Minute Pause mit einer normalen Nasenatmung.
Die Übung kannst Du dann fünf bis sechs Mal wiederholen.
Am Ende wirst Du überrascht sein, wie frei sich Deine Nase anfühlt – und das ganz ohne Nasenspray!
Mein persönlicher Bonustipp: Nur 2 Atemzüge pro Minute
Ein Ritual, das ich in den letzten Wochen jeden Morgen praktiziere, sind tiefe Atemübungen, die die CO₂-Toleranz stärken. Insgesamt versuche ich ganze 30 Minuten lang nur 2 Atemzüge pro Minute zu nehmen.
Dafür lege ich mich entspannt auf den Rücken und befolge dabei drei Regeln:
- Keine Bewegung: Lege Dich bequem hin und bleibe 30 Minuten lang still.
- Atemsequenz: Atme 10 Sekunden ein, 10 Sekunden aus und halte dann die Luft für 10 Sekunden an. Dann das Ganze wieder von vorne.
- Fokus auf den Körper: Und wenn Du Regel 1. und 2. im Griff hast, dann kannst Du auch noch, versuchen, Dich auf deinen Körper zu fokussieren und ihn mental vom Kopf bis zu den Füßen zu durchwandern. So entwickelst Du gleichzeitig ein ganz neues Körperbewusstsein.
Falls das für Dich am Anfang zu intensiv ist, dann kannst Du bei der Atemfrequenz auch erstmal nur 10 Sekunden einatmen und 10 Sekunden ausatmen. So kommst Du dann auf 3 Atemzüge pro Minute.
Fazit: Mach Dir die Nasenatmung zur Gewohnheit
Mit der Nasenatmung stärkst Du Deine Leistungsfähigkeit im Sport auf mehreren Ebenen: Du erhöhst die Sauerstoffversorgung der Muskeln und steigerst Deine Ausdauer.
Deine CO₂-Toleranz wird größer, was langfristig zu einer effizienteren Sauerstoffnutzung führt.
Du reduzierst zudem das Risiko für Mundgeruch und Zahnprobleme und unterstützt die Regeneration.
Das Ergebnis? Mehr Power und Ausdauer, eine schnellere Regeneration und insgesamt ein besseres Training.
Probier es selbst aus – und teile Deine Erfahrungen gern hier in den Kommentaren.
Buchtipp zum Weiterlesen:
Für alle, die tiefer ins Thema einsteigen möchten, empfehle ich „Erfolgsfaktor Sauerstoff“ von Patrick McKeown und „Breath – Atem“ von James Nestor.
Nestor’s Buch habe ich auch schonmal in meinem „Newsletter“ empfohlen.
Bildquellen
Fotos im Artikel „Richtig Atmen beim Sport“: © Südwest/Marco Grundt